1500 Praxen zu

Protest der Ärzte: “Würde der Menschen in Gefahr”

Österreich
14.12.2016 15:49

Emotionsgeladen ist am Mittwoch im Billroth-Haus in Wien der Streik- und Aktionstag der niedergelassenen Ärzte abgelaufen. Durch die jüngste Gesundheitsreform seien "Versorgung und Würde" der Menschen in Gefahr, warnte Ärztekammer-Vizepräsident Johannes Steinhart. Danach wurde demonstriert. In Wien, Kärnten und dem Burgenland blieben rund 1500 Praxen geschlossen.

Die Ärztevertreter warnen angesichts eines am Mittwoch im Nationalrat anstehenden Gesetzesbeschlusses davor, dass der bewährte Hausarzt durch profitorientierte Primärversorgungszentren obsolet gemacht werden soll. Außerdem lehnt es die Standesvertretung ab, dass die Steigerung der jährlichen Gesundheitsausgaben von 3,6 auf 3,2 Prozent abgeschmolzen wird.

"Zwanghafte Zwei-Klassen-Medizin"
Die wohnortnahe Versorgung, die freie Arztwahl und das soziale Gesundheitssystem an sich sei durch die Novelle in Gefahr, so Steinhart. Mit der Reform werde "eine Zwei-Klassen-Medizin zwanghaft festgeschrieben", stellte Burgenlands Ärztekammerpräsident Michael Lang fest. Den Zugang zur modernen Medizin werde sich in Zukunft nur mehr der leisten können, "der dafür das Geld hat". Diese Entwicklung sei "leicht vorhersehbar".

Steinhart erklärte, die Ärzteschaft werde aus Entscheidungsprozessen hinausgedrängt. "Es entscheiden nur noch Technokraten, Bürokraten, Politiker - aber keine Fachleute mehr." Der Kammerfunktionär beschwor den Geist des Wiener-Medizin-Gründervaters Theodor Billroth, dessen Rede zur Gründung der Ärztekammer vor 125 Jahren heute noch großteils Gültigkeit habe.

Droht "Ausrottung des Hausarztes"?
Der Kärntner Gert Wiegele, stellvertretender Obmann der niedergelassenen Ärzte, sah gar die "Ausrottung des Hausarztes" herandräuen. Das Berufsbild gehe den Bach hinunter und Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (SPÖ) lüge. Turnusärzte-Vertreter Karlheinz Kornhäusl forderte die Politik auf, von ihrem "geistigen Irrweg" abzugehen. Derzeit werde versucht, die Ärzte mundtot zu machen und "das Arztbild, wie wir es bisher kennen, auszuradieren". Lediglich Städtebund-Generalsekretär Thomas Weninger sieht den Ärzteprotest gegen die Gesundheitsreform "sehr kritisch": "Hier wird viel mit Ängsten und Emotionen gespielt. Ich kann es nicht nachvollziehen."

Nach der Zusammenkunft startete die Demo durch die Wiener Innenstadt. Rund 150 Ärzte kamen bei dem Protestmarsch zusammen und verteilten bei ihrem Marsch von der Frankgasse zum Franziskanerplatz in der City Infoflyer.

Nationalrat segnete Gesundheitsreform ab
Am Nachmittag statteten die Ärzte dann den Abgeordneten während jener Nationalratssitzung, in der schließlich unter Protest der Mediziner die Gesundheitsreform beschlossen wurde, einen Besuch ab. Mit dem Auftritt auf der Besuchergalerie des Plenarsaals habe man "einen Appell an die Nationalratsabgeordneten richten wollen, ihre Position nochmals zu überdenken".

Rund 1500 Ordinationen betroffen
In der Bundeshauptstadt sind 80 Prozent der 750 Praxen von Allgemeinmedizinern geschlossen. In Kärnten sind 672 Ordinationen betroffen. Dort schließen sich auch die Wahl- und Fachärzte dem Streik an. Im Burgenland sperren 231 Kassen-Mediziner am Nachmittag zu. In den anderen Bundesländern wollen die Ärzte über die ihrer Meinung nach drohenden Auswirkungen der Reform informieren.

Insgesamt bleiben also etwa 1500 Praxen am Mittwoch geschlossen. Die Patientenversorgung in Wien, im Burgenland und in Kärnten ist trotz der Proteste zwar sichergestellt, mit längeren Wartezeiten ist aber jedenfalls zu rechnen. Der Ärztefunkdienst 141 ist erreichbar und ebenfalls verstärkt im Einsatz. In Wien haben auch die Ambulanzen der Gebietskrankenkasse geöffnet.

66 Prozent haben Verständnis für Streik
Die Bevölkerung zeigt dafür überraschend hohe Zustimmung. So gaben laut einer aktuellen Umfrage 66 Prozent Verständnis für den Ärztestreik an. Mehr als die Hälfte der Befragten würde weitere Protestmaßnahmen durchaus in Ordnung finden. Abgefragt wurde weiters das Vertrauen in Akteure der heimischen Gesundheitspolitik - mit dem Ergebnis, dass 86 Prozent der Ärzteschaft vertrauen.

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