Vorstadt von Mossul

IS vertrieben: Die Kirchenglocken läuten wieder

Ausland
22.10.2016 19:51

Die Zeichen der Hoffnung sind am Freitag überall im irakischen Bartella, knapp 20 Kilometer östlich der vom IS-gehaltenen Metropole Mossul gelegen, zu hören: Erstmals seit mehr als zwei Jahren läuten wieder die Glocken der Matthäus-Kirche. Noch am Donnerstag war der Gefechtslärm aus Gewehrsalven, Granaten- und Bombeneinschlägen über dem Ort gelegen. Spezialeinheiten der Armee lieferten sich erbitterte Kämpfe mit Milizionären des IS.

2014 hatten die radikalislamischen Kämpfer weite Teile des Nordirak überrannt und auch Bartella eingenommen. Tausende assyrische Christen flohen in Gebiete unter kurdischer Kontrolle. Die Überbleibsel der schweren Kämpfe sind noch auf der Straße zu sehen, die von Westen her nach Bartella hineinführt: Granathülsen, unschädlich gemachte Sprengfallen, Splitter von Autobomben. Mehr als ein Dutzend der mit Sprengstoff gefüllten Fahrzeuge setzten die IS-Kämpfer innerhalb weniger Stunden gegen die Regierungstruppen ein, berichtet ein irakischer Kommandant.

Karakosch ebenfalls wieder befreit
Nach der Vertreibung der IS-Kämpfer verschließen die irakischen Einheiten die Verteidigungstunnel, die die Extremisten angelegt haben. Minen in Straßen und Häusern werden unschädlich gemacht. Es wird aber noch einige Zeit dauern, bis die Bewohner in ihre Stadt zurückkehren können. Nicht weit weg von Bartella liegt Karakosch, die größte christliche Stadt im Irak. Sie wurde am Samstag dem IS entrissen.

"Bartella ist nun sicher", sagt Major Maan Saadi, der die irakische Flagge um seine Schultern trägt. Er hat zu einem kurzen Besuch der Kirche eingeladen. Nur wenige Stunden zuvor bekämpften die irakischen Kräfte hier IS-Heckenschützen. Mehr als 80 IS-Milizionäre seien getötet worden, berichtet der Kommandant. Nur einige hätten in IS-Gebiet flüchten können. Über die Getöteten der irakischen Armee macht er keine Angaben.

IS-Raketenstellung auf christlichem Friedhof
Der Kirche sieht man die mehr als 24-monatige Herrschaft des IS an: Die Kreuze wurden vom Kirchturm entfernt, eine Heiligen-Statue ist verunstaltet. Der Chorraum ist vermüllt. Im Kirchenschiff sind die hölzernen Bänke umgestoßen, dazwischen verstreut liegen die Gesangsbücher. Auf dem Friedhof neben der Kirche haben die selbst ernannten Gotteskrieger eine Raketenstellung aufgebaut. Den wenigen Christen, die nicht geflohen waren, stellte der IS ein Ultimatum: entweder zum Islam übertreten oder eine Steuer zahlen. Andernfalls müssten sie durch das Schwert sterben.

Neben der Kirche steht ein Verwaltungsgebäude. Die Fensterscheiben sind zersplittert, die Büros verwüstet, manche Räume ausgebrannt. Im Gang liegen einige Rosenkränze. An eine Wand haben Milizionäre die schwarze Flagge des IS gekritzelt. In einem anderem Raum finden sich andere IS-Hinterlassenschaften: Anweisungen für Sportübungen für die Kämpfer, militärtaktische Dokumente, Hinweise zur Handhabung von Waffen, Materialien für Islam-Unterricht. Auf einer Abbildung sind die empfindlichsten Stellen des menschlichen Körpers aufgezeichnet, beginnend mit Augen und Nase.

Kirkuk nach IS-Angriff wieder unter Armeekontrolle
Während sich der Ring um Mossul langsam zusammenzieht, kann die Bevölkerung in der nordirakischen Erdölmetropole Kirkuk wieder aufatmen. Die am Freitag von mehreren bewaffneten Einheiten der Dschihadistenmiliz angegriffene Stadt steht nun laut einem Bericht des irakischen Staatsfernsehens wieder vollkommen unter der Kontrolle der Armee. Die Extremisten hatten vorübergehend ein Kraftwerk, Polizeiwachen und weitere öffentliche Gebäude eingenommen. Zuletzt verschanzten sich einige IS-Kämpfer noch in einer Moschee und einem verlassenen Hotel. Die Attacke galt als Entlastungsangriff des IS.

Giftige Rauchwolke wegen Brand in Schwefelfabrik
Auf ihrer Flucht aus Dörfern und Vorstädten rund um Mossul haben die IS-Kämpfer eine Schwefelfabrik in Brand gesetzt. Seither breitet sich eine Schwefelgaswolke in der Region aus. Krankenhauskreisen zufolge lösten die giftigen Dämpfe bereits bei rund 1000 Menschen in der Nähe von Mossul Atemwegsprobleme aus.

Auch US-Truppen waren von der Schwefelgaswolke betroffen: Soldaten auf dem für die Mossul-Offensive zentralen Luftwaffenstützpunkt in Kajjara trugen laut Angaben des Militärs Gasmasken, um sich vor den Dämpfen zu schützen. US-Experten würden zudem Luftproben untersuchen, um mögliche Gefahren zu identifizieren. Auch irakische Soldaten waren mit Gasmasken zu sehen, die sie allerdings noch nicht über Mund und Nase gezogen hatten. Die US-geführte Allianz hat laut eigenen Angaben irakische Sicherheitskräfte und kurdische Peschmerga-Kämpfer mit mehr als 24.000 Gasmasken ausgerüstet.

Überraschungsbesuch von US-Vertreidigungsminister
Der Vormarsch auf Mossul hatte am Montag begonnen. Die irakische Armee wird dabei von einer internationalen Allianz unter Führung der USA unterstützt. Am Samstag traf US-Verteidigungsminister Ashton Carter zu einem Überraschungsbesuch im Irak ein, um sich ein Bild von der Offensive gegen den IS zu machen.

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