Kommt "Stilwechsel"?

Merkel und Orban: Munkeln über Asyl-“Geheimpakt”

Ausland
01.10.2016 09:04

Ungarische Medien berichten von einem angeblichen geheimen Deal zwischen Premier Viktor Orban und der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel. Laut der Tageszeitung "Magyar Nemzet" soll die ungarische Regierung Merkel einen "Stilwechsel" in der Flüchtlingspolitik versprochen haben, im Gegenzug habe Merkel Unterstützung bei EU-Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn zugesagt. Eine offizielle Bestätigung dazu gibt es freilich nicht.

Nach dem umstrittenen Flüchtlingsreferendum am Sonntag soll die rechtskonservative ungarische Regierung "Abstriche an ihrer flüchtlingsfeindlichen Rhetorik vornehmen und auch in EU-Fragen konstruktiver sein", berichtete "Magyar Nemzet" am Freitag in ihrer Online-Ausgabe. Deutschland werde Ungarn dafür Schützenhilfe bei seinen Konflikte mit der EU-Kommission geben, so die Zeitung unter Berufung auf eine inoffizielle Hintergrundstudie der Regierung und Quellen aus dem ungarischen Außenministerium.

Ungarn hat 21 Vertragsverletzungsverfahren am Hals
Derzeit würden nicht weniger als 21 Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn laufen, was auch seitens der Budapester Regierung als "schwerwiegend" beurteilt werde. In der Studie, die der Tageszeitung zugespielt wurde, gehe es um die wirtschaftlich und politisch bedeutenden Verfahren, die Brüssel gegen Ungarn eingeleitet hat. Der Bericht würde ein "trauriges Bild über die Beziehungen zwischen Ungarn und Brüssel aufzeigen", heißt es.

Hilfe aus Berlin bei Korruptionsverfahren?
Gerade in den "zwei heikelsten, korruptionsverdächtigen Angelegenheiten" soll Ungarn bald diplomatische Unterstützung aus Deutschland erhalten, so das Blatt. Ungarn könnte demnach grünes Licht beim Bau des Kernkraftwerkes Paks II und bei der Eisenbahnverbindung zwischen Budapest und Belgrad erhalten, berichtete die Zeitung unter Berufung auf Quellen im Außenministerium. Bei beiden Projekten läuft ein Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission.

Im Gegenzug soll Orban Abstriche in der Flüchtlingspolitik machen, die für Merkel vor allem innenpolitisch eine Gefahr darstelle. Für einen "Stilwechsel" der ungarischen Regierung wollen ungarische Medien auch bereits erste Anzeichen erkennen. So habe es in den vergangenen Wochen in der Regierungskommunikation erste Anzeichen für eine Veränderung gegeben, berichtete "Magyar Nemzet". In drei Interviews mit der Tageszeitung habe sich Orban zurückhaltender gegenüber dem bisher "dämonisierten Brüssel" geäußert.

Wende in Ungarns Asylpolitik
Auch die Wochenzeitung "Figyelö" berichtete unter Berufung auf deutsche diplomatische Quellen, dass die Orban-Regierung nach dem Ende der flüchtlingsfeindlichen Kampagne für das anstehende Referendum eine konstruktivere Haltung in der Flüchtlingsfrage einnehmen werde.

Laut Daniel Hegedüs von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) haben ungarische Regierungsvertreter bei Besuchen in Berlin zuletzt mehrfach erklärt, dass die flüchtlingskritische Kampagnenmaschinerie nach dem Referendum zum Stillstand kommen werde. Hegedüs hält es zugleich aber "nicht für wahrscheinlich, dass die Regierung ihre Versprechen einhält". Es sei "keine volle Wende in der Kommunikation zu erwarten, höchstens eine Milderung des Tons", so Hegedüs gegenüber "Magyar Nemzet". Andererseits würde es logisch klingen, dass Deutschland Ungarn in den beiden Vertragsverletzungsverfahren unterstütze, denn Berlin sei selbst an den beiden Investitionen interessiert.

Deutsche Wirtschaftsinteressen als Hintergrund?
Bei der Projektvorbereitung von Paks II habe "die deutsche Wirtschaftslobby einen markanten Anteil gehabt", deutsche Firmen könnten auch beim Bau des Atomkraftwerks selbst einbezogen werden. Hinsichtlich der Eisenbahnverbindung Budapest-Belgrad erinnerte Hegedüs an "eindeutig deutsche Interessen", da die Investition der Verbindung zwischen griechischen Häfen und deutschen Märkten diene.

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