"Krone"-Interview

Status Quo: “Das Ende gehört zum Leben”

Musik
29.09.2016 17:28

Ihren letzten Abschnitt der "Night Of The Electrics"-Tour starten Status Quo am 12. Oktober im Wiener Gasometer. Zweieinhalb Monate später endet eine mehr als 50-jährige Ära, die in vielen Bereichen Rockgeschichte schrieb. Danach wollen "die Quo" nur mehr akustisch auftreten oder auf Musik-Kreuzfahrten zu sehen sein. In Wien und Klagenfurt wird leider auch Gitarrist Rick Parfitt fehlen, der sich noch nicht von seiner letzten Herzattacke erholt hat. Das Interview mit Bandboss Francis Rossi führten wir vor der Nachricht, dass Parfitt fehlen wird. Doch auch bei Rossi ist zwischen tonnenweise englischem Humor viel Nostalgie und Bitterkeit zu erkennen.

(Bild: kmm)

"Krone": Francis, nachträglich herzlichen Glückwunsch zu deinem 67. Geburtstag. Alles gut bei dir und hast du ordentlich gefeiert?
Francis Rossi: Alles gut, danke der Nachfrage. Ich bin heute Morgen wieder aufgewacht und somit am Leben - es ist also nicht ganz so tragisch. Ich bin mittlerweile doch verdammt alt. Ich bekomme natürlich viele Geburtstagsgratulationen, fühle mich dabei aber immer ein bisschen beschämt, weil ich diesen Tag nicht feiere. Ich brauche auch die Geburtstage meiner Kinder nicht feiern, ich war ja sowieso dabei, als sie auf die Welt kamen. Es gibt nur einen echten Geburtstag. Aber klar - es erinnert mich natürlich vehement daran, dass ich steil auf die 70 zugehe. Wenn ich mich selbst als 25-Jähriger im jetzigen Alter gesehen hätte, dann hätte ich mich ziemlich lächerlich gefunden. Auf der Bühne fühle ich mich gut, aber davor und danach weniger.

"Krone": Diesen Herbst seid ihr mit Status Quo auf der "The Last Night Of The Electrics"-Tour unterwegs - das allerletzte Mal, wo ihr als Hard-Rock-Outfit die Bühnen beackert. Was sind die Gründe dafür?
Rossi: Da gibt es viele Gründe. Wir haben angefangen akustisch zu spielen und fanden das sehr speziell und auch erfrischend. Wir werden leider auch älter und ich habe immer gesagt, um so eine Musik standesgemäß auf die Bühne zu bringen, musst du auch physisch fit genug sein. Das wird auch immer schwieriger. Rick und ich drehen unsere Konzerte immer lauter, aber du bist durch die Lage der Locations heute oft limitiert, ordentlich aufzudrehen. Dem Publikum ist es manchmal zu leise - außer wir spielen vielleicht gerade eine Ballade - aber wir dürfen meist gar nicht lauter spielen. Akustisch zu spielen mögen wir nicht nur gerne, es ist auch wesentlich einfacher zu bewerkstelligen, als mit der Stromgitarre zu touren.

"Krone": Du hast schon vor etwa 30 Jahren angekündigt aufzuhören - warum sollen die Leute euch jetzt Glauben schenken, dass es mit den herkömmlichen Status Quo-Shows wirklich vorbei sein wird?
Rossi: Das stimmt, aber dann hatten wir "In The Army Now" und seitdem haben wir kompromisslos weitergemacht. Damals wollten wir vielleicht kurz aufhören und die Presse hat uns das mehrmals in den Mund gelegt, was aber nicht stimmt. Ich weiß schon, worauf du hinauswillst. Wenn die Leute uns nicht glauben, dann glauben sie uns halt nicht. Ich kann nichts dagegen machen.

"Krone": Kann das Ende vielleicht auch daran liegen, dass die Beziehung zwischen dir und Rick Parfitt schon seit Längeren nicht mehr sonderlich gut ist?
Rossi: Sie ist nicht die Beste, das stimmt total. Ich fordere aber jeden heraus, der mit jemand eine ähnlich lange Partnerschaft und Freundschaft hat wie ich mit Rick, etwas anderes darüber zu erzählen. Wir sind besser dran als viele andere Bands, so viel steht fest. Wir sind älter geworden und unterscheiden uns heute einfach massiv voneinander. Rick ist gerne extravagant und er mag das Rock-'n'-Roll-Leben sehr - ich habe schon lange keine Lust mehr darauf. In unserem Tourbus hat mal jemand eine Spinal Tap-DVD vergessen und irgendwie ähneln wir uns immer mehr dem Inhalt dieser DVD. Manche finden das cool, ich eher weniger. Generell ist es aber nicht so schlimm, wie es oft dargestellt wird. Wir machen weiter die Akustik-Konzerte und wenn Rick keinen Bock mehr darauf hat, dann werden wir andere Lösungen für uns finden. Rick macht ohnehin was er will, so war das schon immer.

"Krone": Bands wie die ihr, die Rolling Stones, AC/DC oder Robert Plant waren aber alles keine Chorknaben. Die Drogen- und Alkoholvergangenheit der meisten großen Rockkünstler ist unglaublich - dennoch stehen auch heute noch so gut wie alle auf der Bühne. Welches Geheimnis steckt da dahinter? Wie ist das physisch überhaupt möglich?
Rossi: Möglicherweise die Unsicherheit. Seien wir mal ehrlich - es geht natürlich um das Geld. Jeder von uns führt einen ziemlich aufwändigen und teuren Lebensstil, den uns dieser tolle Job beschert hat. Natürlich wollen wir diesen Lebensstil beibehalten. Hauptsächlich ist es aber so, dass wir den Jubel der Leute mögen - wir sind ja selber gleich wie unsere Fans. Wir sind nicht wie die Rolling Stones, die alle drei bis vier Jahre touren und wir sind nicht wie AC/DC, die nur alle drei bis vier Tage auftreten - wir touren dauernd und spielen immer. Da wird man mit der Zeit müde und irgendwann muss man einen Schlussstrich darunter ziehen. Ich liebe unsere Akustikpläne und hoffe, dass sie angenommen werden, aber wenn die Leute sich dagegen entscheiden würden, dann war es das endgültig mit der Band. Wir haben ja nie unser endgültiges Ende angekündigt, wir treten nur leiser.

"Krone": Live zu spielen war für dich immer wie eine Droge. Was machst du jetzt dann? Wie willst du das kompensieren?
Rossi: Ich nehme Drogen. (lacht)

"Krone": Die fehlende Live-Erfahrung muss für dich ja wie ein kalter Entzug sein.
Rossi: Nein. Ich mache ein Album mit Hannah Rickard, die eine der Sängerinnen bei unseren akustischen Quo-Shows war und nächsten Frühling veröffentliche ich auch ein Soloalbum. Nur weil wir nicht mehr so deutlich in der Öffentlichkeit stehen heißt das nicht, dass wir in unseren eigenen vier Wänden versumpern werden. Ich bin sehr zufrieden mit meinem Leben in meinem Haus und meinem Garten - dort halte ich es lange aus. Am 13. Dezember haben wir letztes Jahr unsere Tour beendet und bis März heuer habe ich wirklich absolut gar nichts gemacht, außer daheim herumgelungert und das Anwesen gepflegt. Da wusste ich, ich muss wieder etwas tun, also schrieb ich an Songs - ob mit oder ohne Rick. Ich finde immer Dinge, die ich tun kann. Natürlich werde ich die Bühnen vermissen. Wäre dem nicht so, dann hätte ich ja den Hauptteil meines Lebens an etwas Falsches verschwendet. Es ist ganz logisch, dass ich die Bühne vermissen werde. Nur weil man etwas vermisst, muss man es nicht herbeizwingen.

"Krone": Wird es ein paar spezielle Dinge geben, die du vom Tourleben vermissen wirst?
Rossi: Ich mag Österreich und Deutschland sehr gerne, ganz im Ernst, aber ich glaube, diese Zuneigung zu all den Ländern verbinde ich auch mit dem Tourleben. Die letzten 25 Jahre hatte ich meinen eigenen Raum in unserem Bus. Rick und ich haben dort die ganze Zeit verbracht und wir hatten immer eine sehr schöne Zeit. Es ist toll, wenn du zwei, drei Tage arbeitest und spielst und dann mal einen freien Tag hast und mit der Crew bekannte Gesichter zum Essen oder Quatschen triffst. Das Leben auf Tour ist eben was ganz anderes als Zuhause. Ich habe mir 1974 oder 1975 in Surrey in Haus gekauft und dort jahrelang gelebt - mittlerweile bin ich etwa 200-300 Yards weitergezogen, sehe mein altes Haus von hier aber noch immer. Ich liebe das alte Haus, die meisten meiner Kinder sind dort geboren, aber das neue Haus ist moderner und einfach gemütlicher. Ich vermisse das alte Haus, aber ich muss nicht mehr zwangsläufig darin leben - genauso ist es mit den Touren. Außerdem könnte ich bereits nächste Woche tot sein. Eine Menge meiner Freunde in meiner Altersgruppe sind bereits verstorben - vor allem in den letzten sechs bis acht Monaten. Wir leben in der "Todeszone", ich kann darüber lachen, andere nicht. (lacht) Ich könnte noch vor Ende des Jahres gestorben sein und du wirst dir denken: "Fuck, ich habe mit dem Typen noch unlängst gesprochen und er hat vorausgesagt, dass er sterben wird". Das ist ein Teil des Lebens.

"Krone": Wenn wir zum Reisen und deiner Liebe zu anderen Ländern kommen - du hast jetzt auch die Möglichkeit, all das gemütlich im familiären Rahmen abseits des Bandstresses zu machen.
Rossi: Ich liebe meinen Bruder sehr und dauernd verspreche ich ihm, dass wir ncht. Ich bin unterwegs seit ich 16 bin, für mich ist das Schönste, wenn ich nach Hause komme - auch wenn ich die Bühne und die Musik liebe. Das ist aber genau so lange unmöglich, so lange ich nicht mit der Musik aufhöre. Ein Teufelskreis - und ich bin verdammt fast 70. Fuck!

"Krone": Die Musik ist ja nicht nur eine künstlerische, sondern auch eine geschäftliche Spielwiese. Gab es Zeiten in deiner Karriere, wo du nur mehr bei Status Quo gespielt hast, um deine Rechnungen bezahlen zu können?
Rossi: Ich denke schon, da gab es schon solche Perioden. Ich denke derzeit ist auch so eine Periode. Da ich recht fit bin und sehr gesund lebe, habe ich große Chancen 90 zu werden, was mich zum nächsten Problem bringt, wie ich mein Leben bis dorthin finanzieren kann. Ich habe nie groß von Ruhm und Erfolg geträumt, aber du verdienst eine gewisse Menge Geld und baust dir einen Lebensstil auf, den kannst du nach der Karriere aber kaum mehr halten und das sorgt mich. Als ich das erste Mal verheiratet war, mit 18 oder 19, lebte ich mit meiner Frau in der kleinen Wohnung ihrer Mutter und gegenüber unseres kleinen, schmalen Gartens lebte ein älteres Ehepaar, bei dem der Mann plötzlich an Krebs starb. Er starb mit 45 und hatte ein gutes Leben, heute ist die Lebenserwartung der Menschen um ein Vielfaches gestiegen. Die Medien wollen mit mir nie über dieses Thema reden, weil es nicht Rock'n'Roll genug, sondern zu gewöhnlich ist. Ich weiß schon, dass reiche Leute normal nicht darüber reden, aber wie soll ich weitere 25 Jahre meines Lebens finanzieren? Wenn du dir ansiehst, wie sich die Inflation entwickelt und das Pensionssystem sich verschlechtert - was mit 30 bei mir viel Geld war, ist heute kaum mehr was wert. All diese Dinge sorgen mich, da bin ich ganz menschlich. Die Öffentlichkeit kapiert nicht, dass wir Leute aus dem Showbusiness da ganz gleich sind wie alle anderen - wir haben einen anderen Job, aber dieselben Sorgen. Aber gut, ich bin heute aufgewacht und kann darüber nachdenken. Wenn du nicht mehr aufwachst, hast du größere Probleme oder? (lacht)

Wenn man so jung ist wie du, denkt man noch nicht viel darüber nach. Unser Leben ist immer balanciert. Rechts und links, Yin und Yang, auf und ab, männlich und weiblich. Das Gute an meinem Leben ist - ich habe alles intensiv erlebt und ausgekostet und bin sehr glücklich darüber. Das Schlechte ist - ich habe Angst vor der Zukunft. Für mich ist das Showbiz-Leben normal, es ist eine Fassade. Die Leute glauben immer, es wäre so aufregend, aber da ist nicht viel dahinter. Die Leute wollen nie über dieses Thema reden, aber das Musikgeschäft ist eine einzige Fassade.

"Krone": Fürchtest du dich vor dem Tod, vor der Endlichkeit? Gerade eben durch die vielen Todesfälle von Freunden und in deinem Bekanntenkreis?
Rossi: Das nicht. Das klingt jetzt etwas abgedreht, aber eigentlich freue ich mich sogar darauf, wenn mir jemand sagt: "Okay du kannst jetzt aufhören. Du hast alles gemacht und alles erledigt, es ist genug". Schon seit ich jung bin habe ich von mir das Bild, wie ein Stock an meinem Kopf festgebunden ist, an dessen Ende eine Karotte hängt. Ich versuche die Karotte zu essen, aber was passiert, wenn du sie erreichst? Dann ist alles erledigt. Ich habe manchmal schon Gedanken, wo ich gerne einfach stoppen und aufhören würde, aber dann bin ich wieder total enthusiastisch und weiß, wie toll mein Leben eigentlich ist. Wenn du jung bist, hast du diese Anspannung nicht. Du legst dich hin, stehst auf und schaust, was dir der Tag bringt. Wirst du älter, dann läufst du immer mit einer Checkliste herum und hakst ein Ding nach dem anderen ab.

Etwas, das mich im Alter frustriert, ist auch die Lage der Welt. Ihr hattet doch in Österreich auch gerade Wahlen oder? Beide Kandidaten kriegen nahezu 50 Prozent, die Spaltung ist also stärker als man sich je vorstellen konnte. Das sollen die Vorteile der Demokratie sein? Hör doch auf. (lacht) Das genau gleiche Problem haben wir hier mit der Entscheidung, ob Großbritannien in der EU bleibt oder nicht. Auch die Spaltung ist hier fast 1:1 gleich. Die Leute, die glauben, wir werden von Europa nur diktiert vergessen, dass wir ein Teil Europas sind. Wir sind in der EU und was wirklich passiert ist, dass uns jemand aus Europa federn will und dann von Westminster aus sagen möchte, was wir zu tun haben. Die Diskussion wird immer intensiver. Die Demokratie hinterlässt immer die Hälfte der Bevölkerung unglücklich. Zumindest 30-40 Prozent sind nicht mit den Entscheidungen zufrieden. Trotzdem glaubt jeder, er weiß die richtige Entscheidung, dabei sind das alles nur Meinungen, denn kein einziger von uns hat eine verdammte Idee, was wirklich passieren wird, wenn wir wirklich die EU verlassen oder nicht. Es gibt Plus und Minus - in jedem Bereich, aber Ahnung haben wir alle keine. Merk dir eines: Links/rechts, auf/ab, hoch/tief - scheiß drauf. (lacht)

Status Quo starten den letzten Herbst ihrer "The Night Of The Electrics"-Tour - leider ohne den nicht fitten Rick Parfitt, aber mit allen großen Hits - am 12. Oktober im Wiener Gasometer und sind am 13. Oktober in der Wörtherseehalle Klagenfurt zu Gast. Tickets und Infos für die Shows erhalten Sie unter www.statusquo.co.uk.

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