"Entzugsheim"

Hier sollen französische Islamisten bekehrt werden

Ausland
21.09.2016 06:05

"Ferienlager für Islamisten" oder "Dschihad-Akademie" - so nennen Kritiker abfällig eine Einrichtung, die demnächst in Frankreich ihre Tore öffnet. Auf dem ländlich gelegenen Schloss Pontourny nahe Tours sollen junge Islamisten untergebracht und deradikalisiert werden. Es ist das erste Zentrum dieser Art im Land und ein Modellprojekt. Die Anrainer sind allerdings wenig begeistert.

Das "Zentrum für Prävention, Wiedereingliederung und Staatsbürgerschaft", wie es offiziell heißt, soll in den kommenden Wochen die ersten jungen Leute willkommen heißen. Sie sind zwischen 18 und 30 Jahre alt, haben in der Regel den Kontakt zu ihren Freunden und ihrer Familie abgebrochen und wollen laut Darstellung der Anstaltsleitung freiwillig einziehen. "Es geht um junge Leute, die radikalisiert sind und davon loskommen wollen", sagt Präfekt Louis Lefranc über das erste "Entzugsheim" für Islamisten.

Deradikalisierung in Studentenwohnheim-Atmosphäre
Die jungen Leute werden in großen, hellen Zimmern untergebracht, die an ein Studentenwohnheim erinnern, die Fenster sind allerdings vergittert, um zu verhindern, dass sich die Insassen hinausstürzen können. Es gibt einen Schlosspark mit alten Bäumen, ein kleines Fitnessstudio, Aufenthaltsräume und Klassenzimmer.

Dort sollen die Insassen unter anderem Unterricht in Religion, Geschichte und Philosophie erhalten. Das Regiment ist strikt: Die jungen Leute werden um 6.45 Uhr geweckt und müssen die Anstaltsuniform tragen. Einmal in der Woche gibt es einen Fahnenappell. "Wir wollen mit den Symbolen der Republik arbeiten, und die Fahne ist eines davon", sagt Pierre Pibarot, der für die Wiedereingliederung der Islamisten zuständig ist. "Zudem wollen wir sie kritikfähig machen." Alle Insassen werden von Sozialarbeitern, Psychologen und Ärzten betreut.

Anrainer: "Sicherheitsvorkehrungen völlig unzureichend"
Viele Bewohner der Gemeinde Beaumont-en-Veron sind von dem Projekt jedoch wenig begeistert. Sie befürchten, dass von den Insassen eine Gefahr ausgehen könnte. Einige Bürger sind zudem besorgt, dass die Einrichtung zu einem Angriffsziel der Terrormiliz Islamischer Staat werden könnte. "Die Sicherheitsvorkehrungen sind völlig unzureichend", empört sich ein Anrainer. "Das gilt sowohl für Leute, die in das Zentrum hineinwollen, als auch für solche, die herauswollen."

Anstaltsleitung beschwichtigt und sieht keine Gefährdung
Die Anstaltsleitung hält dem entgegen, dass niemand aufgenommen wird, der den Behörden als sogenannter Gefährder bekannt ist oder gegen den im Zusammenhang mit den jüngsten Anschlägen in Frankreich ermittelt wird. Auch straffällig gewordene Gewalttäter oder Islamisten, die in Syrien waren, dürften nicht in das Zentrum. Und: Die Insassen dürfen die Einrichtung nur verlassen, wenn dies zuvor von Experten für unbedenklich erklärt wurde.

Für Sicherheit sollen außerdem 18 Kameras und ein Infrarotsystem sorgen, mit denen das Schlossgelände rund um die Uhr überwacht wird. Im Fall eines Alarms könne die Polizei innerhalb weniger Minuten vor Ort sein, so die Anstaltsleitung.

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