20 Tote bei Angriff

UNO stellt alle Hilfslieferungen nach Syrien ein

Ausland
20.09.2016 13:27

Nach der offiziellen Aufkündigung der bereits in den vergangenen Tagen fragilen Waffenruhe in Syrien geht das Blutvergießen in unverminderter Intensität weiter. Nach einem Luftangriff auf einen Hilfskonvoi nahe der belagerten Stadt Aleppo am Montag, bei dem mindestens 21 Mitarbeiter internationaler Hilfsorganisationen ums Leben kamen, haben nun die Vereinten Nationen sämtliche Hilfslieferungen nach Syrien eingestellt. Auch das Internationale Rote Kreuz, das den Anschlag als "Kriegsverbrechen" bezeichnet, setzt seine Hilfskonvois aus.

Bis zu einer "neuen Bewertung der Sicherheitslage" werde es keine Hilfslieferungen mehr geben, sagte der Sprecher des UN-Büros für humanitäre Hilfe (OCHA), Jens Laerke, der gleichzeitig eine "Untersuchung" zu dem Luftangriff forderte.

Der Hilfskonvoi, der nach Angaben des OCHA-Sprechers vor allem Hilfsgüter der UNO transportierte, war am Montag westlich von Aleppo aus der Luft angegriffen worden. Dabei wurden mindestens 21 Menschen getötet, unter ihnen war auch ein Mitarbeiter des syrischen Roten Halbmonds, wie die Internationale Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmond-Gesellschaften in Genf mitteilte. Außerdem seien mehrere Zivilisten getötet oder verletzt worden.

Rotes Kreuz: "Trifft die Ärmsten der Armen"
"Es war ein gezielter Angriff und ein bewusster, eklatanter Bruch des humanitären Völkerrechts", sagte Werner Kerschbaum, Generalsekretär des Österreichischen Roten Kreuzes, am Dienstag. Es habe Sicherheitsgarantien aller Konfliktparteien gegeben. Angriffe wie diese treffen die "Ärmsten der Armen", so Kerschbaum. Die humanitäre Lage in dem Gebiet sei ohnehin schon "sehr prekär" und werde sich nun "noch verschlechtern". In fünf Jahren seien in Syrien 54 Mitarbeiter des Roten Halbmonds getötet worden. "Humanitäres Völkerrecht ist einzuhalten", forderte Kerschbaum.

Augenzeuge spricht von Fassbomben
Ein Vertreter der syrischen Hilfsorganisation Weißhelme erklärte nach dem Angriff, ein Hubschrauber des Assad-Regimes habe Fassbomben über dem Ort abgeworfen. Dafür gibt es noch keine unabhängige Bestätigung. Das Ziel des Konvois von Lastwagen der Vereinten Nationen und des Roten Halbmonds sei sowohl der syrischen als auch der russischen Regierung bekannt gewesen, sagte der Sprecher des US-Außenministeriums, John Kirby, am Montag. "Und dennoch wurden die Helfer getötet, während sie versuchten, den Menschen beizustehen."

Russland und Syrien weisen Verantwortung von sich
Wer für den Beschuss verantwortlich war, ist unklar. Russische und syrische Flugzeuge hätten "keinen Luftangriff auf einen Hilfskonvoi der UNO im Südwesten von Aleppo" geflogen, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau am Dienstag laut Berichten russischer Nachrichtenagenturen mit.

Washington will Kooperation mit Russland "neu bewerten"
Die US-Regierung werde die Bombardierung direkt mit Moskau thematisieren, kündigte Kirby an. "Angesichts der ungeheuerlichen Verletzung der Waffenruhe werden wir die weiteren Aussichten einer Zusammenarbeit mit Russland neu bewerten", fügte er hinzu.

Schon zuvor hatten sich ranghohe Vertreter der Regierung von Präsident Barack Obama skeptisch über die Chancen geäußert, die mit Russland ausgehandelte Waffenruhe für Syrien nach dem Bombardement noch retten zu können. Die Ereignisse vom Montag hätten erhebliche Zweifel aufgeworfen ob Russland seinen Teil der Vereinbarung zur Befriedung des Landes einhalten könne, sagte ein Vertreter der US-Regierung vor Journalisten.

Direkt verantwortlich gemacht hat die US-Regierung Russland bisher nicht für den Angriff auf den Hilfskonvoi für Aleppo. Es sei unklar, ob russische oder syrische Kampfflugzeuge dafür verantwortlich seien, sagte ein Regierungsvertreter. Bei "schweren Luftangriffen" in Aleppo starben zudem laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte, die ihren Sitz in London hat, sechs Menschen.

"Regime der Ruhe" gilt nicht mehr
Die syrische Führung hatte am Montag erklärt, das vor rund einer Woche für das Bürgerkriegsland vereinbarte "Regime der Ruhe" gelte nicht mehr, nachdem mehrmals gegen die Waffenruhe verstoßen worden sei. Auch Rebellenvertreter sagten der Nachrichtenagentur Reuters, die Waffenruhe sei faktisch gescheitert. Schon vor der Erklärung der syrischen Armee hatte der russische General Sergej Rudskoj erklärt, die "einseitige Einhaltung" der Waffenruhe durch die syrischen Regierungstruppen habe "keinen Sinn" mehr.

Am Wochenende waren bei einem US-geführten Luftangriff auf syrische Regierungstruppen Dutzende Soldaten getötet worden. Dies hatte zu Spannungen zwischen den USA und Russland geführt, die sich auf die Feuerpause verständigt hatten, um eine Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln und Hilfsgütern und Verhandlungen über einen dauerhaften Frieden zu ermöglichen.

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