Verschiebung naht

Wahlkarten-Debakel artet in völliges Chaos aus

Österreich
09.09.2016 13:39

Die Farce um die schadhaften Wahlkarten für die zweite Auflage der Bundespräsidenten-Stichwahl artet in völliges Chaos aus. Nach den aufgedeckten Pannen überschlagen sich mittlerweile die Ereignisse. Innenminister Wolfgang Sobotka lässt eine mögliche Verschiebung der Wahl prüfen, wofür sich auch Kanzler Christian Kern sowie Grünen-Chefin Eva Glawischnig offen zeigen. Hofburg-Kandidat Norbert Hofer wiederum appellierte an alle Parteien, bei der Stichwahl-Wiederholung "einvernehmlich" auf die Briefwahl zu verzichten, deren völlige Abschaffung FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache fordert. Und Alexander Van der Bellen sagte gar seinen für Freitagnachmittag angesetzten Wahlkampfauftakt ab.

"Wenn eine ordnungsgemäße Durchführung der Wahl aufgrund eines augenscheinlichen Produktionsfehlers nicht möglich ist, dann ist es meine Aufgabe als oberster Leiter der Wahlbehörde, eine Verschiebung umgehend zu prüfen", sagte Sobotka am Freitag.

Bundeskriminalamt prüft Wahlkarten
Ein Sprecher des Innenministeriums sagte zudem, man habe eine Prüfung der Wahlkarten durch das Bundeskriminalamt angeordnet. Man wolle sich nicht ausschließlich auf die Auskunft der verantwortlichen Druckerei verlassen, begründete er die in Auftrag gegebene "forensische Sicherung" der Karten. Außerdem sei ein externes Institut mit der Suche nach den Ursachen des "Klebefehlers" beauftragt worden. Strafrechtliche Ermittlungen in diesem Zusammenhang gebe es aber nicht.

Die Ergebnisse sollen veröffentlicht werden, sobald sie vorliegen. Über die weitere Vorgehensweise bezüglich einer möglichen Verschiebung des Wahltermins will man kommende Woche informieren.

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FPÖ bemängelt Krisenmanagement
Kritik am Vorgehen des Innenministeriums kommt von FP-Wahlkampfleiter Herbert Kickl. "Es scheint, als hätte das Innenministerium in Zusammenhang mit dem Wahlkarten-Chaos weder einen Plan B, geschweige denn einen Plan C, der eine termingerechte Durchführung der Wahl am 2. Oktober sicherstellt", so Kickl. "Das Krisenmanagement scheint chaotisch." Er forderte das Ministerium auf, "alle Hebel in Bewegung zu setzen", um eine fristgerechte Durchführung der Wahl zu ermöglichen. "Ein leichtfertiges Spiel mit weiteren Verschiebungen aufgrund von technischen Schwierigkeiten, die man bei gutem Willen lösen könnte, ist den Wählern gegenüber unverantwortlich."

Auch Kern für Verschiebung offen
Bundeskanzler Kern hatte sich zuvor für eine allfällige Verschiebung der Wahl offen gezeigt. Das sei "natürlich das letzte Mittel, gar keine Frage. Aber wenn das notwendig ist, muss man auch darüber diskutieren", so Kern im Ö1-"Mittagsjournal". Jeder Österreicher müsse "die Möglichkeit haben, sein Wahlrecht auszuüben", die Variante "Augen zu und durch" stehe nicht zur Verfügung. Sollte ein Austausch der defekten Wahlkarten realistisch nicht funktionieren, müsse man auch über eine Gesetzesänderung diskutieren, sagte der Kanzler.

SPÖ-Klubchef Andreas Schieder ging einen Schritt weiter und sagte, er befürchte, dass eine verfassungskonforme Durchführung der Wahlwiederholung derzeit "schwer möglich" sei. Auch Grünen-Chefin Eva Glawischnig sprach sich für eine Verschiebung aus: Dafür brauche es lediglich eine neue Verordnung und keine Gesetzesänderung. Wenn sich herausstelle, dass das Problem mit den Wahlkarten nicht vereinzelt auftrete, sondern eine ordentliche Stimmabgabe für Briefwähler flächendeckend nicht möglich sei, sei eine weitere Anfechtung und Wahlwiederholung vorprogrammiert, so Glawischnig, die sich über das Vorgehen des Innenministeriums "verärgert" und "fassungslos" zeigte.

Strache für Abschaffung der Briefwahl
Anders der Zugang von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache: "Im Inland gehört die Briefwahl abgeschafft", forderte er. Nur jene Österreicher, die im Ausland leben oder sich dort aufhalten, sollten mittels Briefwahl wählen können. Auch Strache gab sich verärgert und fragte: "Leben wir wirklich in einer Bananenrepublik? Hat dieses System Methode?"

Der blaue Hofburg-Kandidat Hofer wiederum appellierte an alle Parteien, bei der Wiederholung der Stichwahl "einvernehmlich" die Briefwahl auszuklammern. "Jeder Österreicher hat ein Recht darauf, dass seine Stimme bei der Wahl gezählt wird", so Hofer. "Sollte das aufgrund der bekannten Pannen bei den Briefwahlkuverts nicht gewährleistet sein, so muss man überlegen, diesmal einvernehmlich auf die Briefwahl zu verzichten." Es sei zudem höchste Zeit, dass der für das Debakel verantwortliche Beamte im Innenministerium abgelöst werde, so Hofer über Wahlleiter Robert Stein.

Van der Bellen sagt Wahlkampfauftakt ab
Sein Kontrahent Van der Bellen ließ gar mitteilen, dass er seinen für den Nachmittag angesetzten Wahlkampfauftakt verschiebe. Das gelte, "bis das Ergebnis der vom Innenministerium angekündigten Klärung des aktuellen Wahlkarten-Debakels vorliegt und die weitere Vorgangsweise feststeht", so Lothar Lockl, der Obmann des Vereins "Gemeinsam für Van der Bellen".

Lockl forderte zudem umgehend einen offiziellen Termin mit dem Innenministerium. Dabei sollten die Wahlkampfleiter vollständig über den aktuellen Stand des Debakels informiert werden. "Vor allem erwarten wir die laufende, transparente Information der Wähler, die zu Recht sehr, sehr verärgert sind", so Lockl.

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