Erdogan-Gegner:

“Türkei-Konflikt könnte zu uns überschwappen”

Ausland
08.08.2016 19:12

Die politische und menschenrechtliche Lage in der Türkei sorgt derzeit für jede Menge Wirbel. Auch die türkischen Gemeinden in Österreich und Deutschland sind gespalten. Der Vorsitzende der türkischen Gemeinde in Bayern, Vural Ünlü, ist ein erklärter Gegner des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und seiner Politik. Doch selbst bei ihm zu Hause sind sich nicht alle einig, wie er im Interview mit der "Welt" sagt: "Das Überschwappen der Emotionen und möglicherweise auch Konflikte ist kaum vermeidbar." Außerdem erklärt er, warum so viele Türken trotz der internationalen Kritik hinter Erdogan stehen.

"Viele Deutschtürken fühlen sich alleingelassen. Erdogan hingegen nahm, sicherlich auch aus Eigeninteresse, die Belange der Auslandstürken schon sehr früh ernst", erklärt Ünlü den Zuspruch für den türkischen Staatspräsidenten bei seinen in Mitteleuropa lebenden Landsleuten. Diese seien konservativer, um sich so an ihre frühere Heimat zu binden: "Man klammert sich zur Identitätsfindung in der Ferne stärker an die Heimatkultur."

Zudem sei vieles bei der Integration der türkischen Gastarbeiter in den 1960er- und 1970er-Jahren falsch gelaufen: "Insbesondere die ersten Einwanderergenerationen hatte kaum eine Möglichkeit, hierzulande Fuß zu fassen", so Ünlü. Der Wahlmünchner selbst arbeitet heute als Manager. Besonders im Bildungs- und Sozialsektor sieht er Probleme: "Zum Beispiel das Betreuungsgeld, welches den Spracherwerb bei Migrantenkindern unnötig verzögert. Aber auch wir Türken müssen mehr von uns selbst fordern und unsere Erwartungen an einen sonnigeren Platz in der deutschen Gesellschaft selbstbewusster formulieren."

"Menschen stehen in Kontakt zu ihren Familien in der Türkei"
Ein Überschwappen der Konflikte und Emotionen lasse sich kaum vermeiden, sagt Ünül. Auch bei ihm zu Hause werde leidenschaftlich diskutiert: "Die Menschen stehen in Kontakt zu ihren Familien in der Türkei und sie verfolgen die aufgeladenen türkischen Medien." Die Pro-Erdogan-Demonstrationen sieht er allerdings nicht als Problem an, "solange alles im Rahmen der Rechtsstaatlichkeit abläuft".

Das rigide Vorgehen Erdogans gegen mutmaßliche Putschisten und Oppositionelle hat dazu geführt, dass unter anderem von Österreich ein Stopp der EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei gefordert wird. Auslöser dafür ist etwa die Forderung vieler Türken nach der Wiedereinführung der Todesstrafe .

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