Unfassbarer Hohn

Türkische Zeitung zeigt Merkel in Hitler-Pose

Ausland
01.08.2016 22:03

Nachdem die deutschen Behörden am Sonntag bei einer Veranstaltung in Köln die Videoübertragung einer Rede des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan verboten hatten, hängt zwischen Deutschland und der Türkei der Haussegen schief. In Ankara wurde ein deutscher Diplomat ins Außenministerium zitiert. Und auch die türkischen Medien schürten am Montag das Feuer: Die Zeitung "Aksam" etwa zeigte die deutsche Kanzlerin in Hitler-Pose und titelte "Heil Merkel"...

"Aksam", die eine "Erdogan-Angst in Deutschland" ortete, gehört zur wachsenden Zahl der türkischen Zeitungen, die nichts schreiben würden, was der Regierungspartei AKP nicht genehm wäre. In diesen erlauchten Kreis gehört auch "Yeni Akit", deren Schlagzeile am Montag lautete: "Deutschland ist kein Freund, sondern ein Feind".

Vor diesem Hintergrund lesen sich die regierungsamtlichen Beschreibungen der bilateralen Beziehungen fast wie eine Farce. So nennt das Außenministerium in Ankara Deutschland immer noch "einen unserer wichtigsten Verbündeten". Auch das Auswärtige Amt ist bewandert in der Kunst der diplomatischen Verklärung. "Deutschland genießt in der Türkei ein traditionell hohes Ansehen", beteuert das Ministerium. Es gebe "eine vertrauensvolle und konstruktive Zusammenarbeit auch in kontroversen Fragen".

Tiefes Misstrauen zwischen Deutschland und Türkei
Richtig daran ist, dass es kontroverse Fragen gibt, wobei selbst das nach Untertreibung klingt. Im Streit über die EU-Visafreiheit und den Flüchtlingspakt hat Außenminister Mevlüt Cavusoglu Brüssel gerade erst ein Ultimatum gestellt. Dass er sich dabei mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" eines deutschen Mediums bediente, dürfte kaum ein Zufall gewesen sein: Kanzlerin Merkel ist die Architektin des Paktes vom März, gemeinsam mit dem damaligen türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu, der später von Erdogan geschasst wurde.

Nazi-Keule nach Armenier-Resolutiondes Bundestags
Die Völkermord-Resolution des Bundestags zu den Armeniern am 2. Juni schien bisher den Tiefpunkt in den Beziehungen zu markieren, auch damals hielten sich türkische Zeitungen mit Nazi-Vergleichen nicht zurück. Seit der Resolution verweigert die türkische Regierung dem deutschen Botschafter in Ankara, Martin Erdmann, jedweden Termin. Erdmann ist derzeit im Urlaub, sonst hätte er am Montag doch wieder ein Gespräch im Außenministerium gehabt: Dieses bestellte im Streit über das Erdogan-Verbot bei der Demonstration in Köln den Gesandten der Botschaft, Robert Dölger, der den Botschafter vertritt, ein.

Der Streit über die Demonstration zeigt, wie tief das Misstrauen zwischen Deutschland und der Türkei inzwischen ist. Aus Sicht Ankaras wollten Deutsch-Türken in Köln gegen den Putschversuch vom 15. Juli demonstrieren - und damit für die Demokratie. Deutsche Behörden befürchteten, in der aufgeheizten Stimmung könnte es zur Gewalt kommen. Dazu gab es allerdings weder Aufrufe oder Präzedenzfälle - Erdogan sprach schon mehrfach vor Anhängern in Deutschland -, noch bewahrheiteten sich die Befürchtungen am Ende.

Türkische Regierung demonstriert nach Putschversuch Härte
Möglicherweise lagen die Befürchtungen in Deutschland auch an einer Fehlinterpretation der Lage in der Türkei. Dort geht die Regierung zwar mit großer Härte gegen Anhänger der Bewegung des Predigers Fethullah Gülen vor, den Erdogan für den Putschversuch vom 15. Juli verantwortlich macht.

Doch bei allen berechtigten Sorgen um die Menschenrechte in der Türkei im Ausnahmezustand: Wiederkehrende Vergleiche aus Deutschland mit der Lage in Nordkorea oder mit dem Nazi-Reich zielen an der Realität vorbei.

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