Jahrelang ermittelt

Anklage! Ex-Minister Grasser drohen 10 Jahre Haft

Österreich
20.07.2016 20:35

Karl-Heinz Grasser wird im Zusammenhang mit dem Verdacht auf Korruption bei der Privatisierung von Bundeswohnungen im Jahr 2004, der Buwog-Affäre, sowie beim Linzer Terminal Tower angeklagt. Das hat Grassers Anwalt Manfred Ainedter am Mittwochabend bekannt gegeben, nachdem bereits in der Vorwoche ein unabhängiger Weisungsrat eine geheime Empfehlung in der Causa, in der seit 2009 gegen insgesamt 18 Personen ermittelt worden war, abgegeben hatte. Grasser drohen bis zu zehn Jahre Haft. Am Donnerstag bestätigte die Staatsanwaltschaft offiziell die Anklage.

In dem Fall habe es eine "mediale Vorverurteilung von noch nie da gewesenem Ausmaß gegeben", empörte sich Ainedter. Sein Mandant sei aber auch froh, dass er nun seine Unschuld im Verfahren beweisen und seine Reputation wiederherstellen könne. Ob er gegen die Anklage Einspruch erhebe, werde er erst beurteilen, wenn ihm die ganze Anklageschrift vorliege, sagte Ainedter.

Grasser bestreitet Vorwürfe vehement
Grasser steht in der Buwog-Affäre unter Verdacht, sein Insiderwissen als Minister bei der Privatisierung der Bundeswohnungen ausgenutzt, über den Umweg zweier Vertrauter entscheidende Informationen weitergegeben und sich selber mit Schmiergeld bereichert zu haben. Grasser bestreitet dies vehement. Es gilt die Unschuldsvermutung.

2004 erhielt bei der Privatisierung von Bundeswohnungen ein Konsortium rund um die Immofinanz den Zuschlag. Kurz vor der entscheidenden zweiten Runde hatte der damalige Immofinanz-Chef Karl Petrikovics einen geheimen Tipp von Peter Hochegger bekommen, wie viel er mindestens bieten müsse, um den Konkurrenten, die CA Immo, zu übertrumpfen. Hochegger seinerseits bekam den Tipp vom Grasser-Vertrauten Walter Meischberger. Dieser dementiert, die Information von Grasser bekommen zu haben, nannte aber seinen Tippgeber nicht.

Millionenprovision, Scheinrechnungen, dubiose Geldflüsse
Petrikovics zahlte im Geheimen eine Provision von rund einem Prozent des Buwog-Kaufpreises - 961 Millionen Euro - an Hocheggers Firma Astropolis auf Zypern, für die Geldflüsse wurden Scheinrechnungen ausgestellt. Von dort lenkte Meischberger drei Viertel der fast zehn Millionen Euro auf drei Konten in Liechtenstein. Erst fünf Jahre später, im Zuge des Immofinanz-Skandals, flog im Herbst 2009 die Millionenprovision auf.

Für die Justiz war die Buwog-Affäre ein "Zufallsfund" im Zuge der Immofinanz-Ermittlungen. Als die Millionenzahlung entdeckt wurde, packte ein beteiligter Immofinanz-Manager aus. "Im Zusammenhang mit dem Erwerb der Buwog wurden tatsächlich Vermittlungsleistungen verrechnet", gab Ex-Immofinanz-Vorstand Christian Thornton gegenüber dem Staatsanwalt zu Protokoll. "Ich war mit dem Erwerb der Buwog nicht befasst, musste aber nach Abschluss der Transaktion auf Weisung von Karl Petrikovics mit einem Herrn Hochegger von der PR-Agentur Kontakt aufnehmen. Es wurden Rechnungen von zypriotischen Gesellschaften gelegt." Es sei ein Erfolgshonorar für Hocheggers Tätigkeit im Rahmen der Buwog-Privatisierung gewesen, dafür seien Scheinrechnungen und Honorarnoten erstellt worden.

Hochegger und Meischberger zeigten sich selbst an
Die Aussagen vor der Staatsanwaltschaft erfolgten bereits im Jänner und März 2009, wurden aber erst rund ein halbes Jahr später, im Herbst 2009, in der Öffentlichkeit bekannt. Die Medienberichte stützten sich auf "Leaks", offizielle Informationen der Justiz zu den Ermittlungen gab es lange keine. Daraufhin erstatteten Hochegger und Meischberger bei der Finanz Selbstanzeige, weil sie die knapp zehn Millionen Euro zwar kassiert, aber nicht versteuert hatten. Die Staatsanwaltschaft dehnte ihre strafrechtlichen Ermittlungen auch auf den Immobilienmakler und Ex-Buwog-Aufsichtsratspräsidenten Ernst Karl Plech sowie auf Grasser selbst aus.

Privatisierung laut Grasser "supersauber"
Die Frage, von wem damals der entscheidende Tipp an das Immofinanz-Konsortium über das Limit des gegnerischen Bieters kam, beschäftigt seitdem die Justiz: Hochegger will die Info von Meischberger bekommen haben, dieser gab seinen Tippgeber weder der Justiz noch dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss preis. Grasser selber weist alle Verdächtigungen zurück, die Privatisierung sei "supersauber" gewesen. Die Spur des Geldes führte nach Liechtenstein, wo Meischberger die Millionen auf drei Konten verteilte. Laut Medienberichten soll eines der drei Konten Grasser zuzuordnen sein. Neben Meischberger soll auch der Immobilienmakler Ernst Karl Plech, ebenfalls früherer Grasser-Vertrauter, von dem Geld profitiert haben. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft hat ihren Vorhabensbericht Anfang 2016 fertiggestellt, der Bericht ging über die Oberstaatsanwaltschaft an das Justizministerium.

In der Causa Terminal Tower geht es um die Einmietung der Finanz in ein Linzer Bürogebäude während Grassers Amtszeit. Auch hier soll Bestechungsgeld geflossen sein, was Grasser ebenfalls vehement bestreitet.

Grasser von Jörg Haider "entdeckt"
Karl-Heinz Grasser wurde 1969 in Kärnten geboren. 1992 schloss er sein Studium der Betriebwirtschaftslehre ab und wurde vom damaligen Landeshauptmann Jörg Haider "entdeckt". Nach diversen Ämtern in der FPÖ wurde Grasser 1994 stellvertretender Landeshauptmann von Kärnten. Diese Funktion übte er bis 1998 aus, ehe er in die Privatwirtschaft zu Frank Stronachs Magna-Konzern wechselte. 1999 kehrte er in die Politik zurück und wurde für die FPÖ Finanzminister unter ÖVP-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel. In Folge des "Knittelfelder Putsches" trat Grasser im Herbst 2002 aus der FPÖ aus. Bis 2007 übte er sein Amt als parteiloser Minister aus und verabschiedete sich schließlich aus der Bundespolitik. Seither ist er wieder in der Privatwirtschaft tätig.

Am 22. Oktober 2005 heiratete Grasser die Swarovski-Erbin Fiona Pacifico Griffini. Im 2007 kam in Innsbruck das erste Kind, eine Tochter, des prominenten Paares zur Welt.

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