Live vor Schönbrunn

David Gilmour: Akustik-Kino unterm Sternenzelt

Musik
28.06.2016 01:38

Montagabend erlebte die Bundeshauptstadt ein Konzert der Extraklasse - vor der malerischen Kulisse des Schloss Schönbrunn präsentierte Pink-Floyd-Legende David Gilmour ein buntes Potpourri aus mehr als 40 Jahren Rockgeschichte und bot ein Festmahl für Augen und Ohren. Die gute Nachricht: heute gibt es noch einen Nachschlag und es sind noch wenige Restkarten erhältlich.

(Bild: kmm)

Wie schön kann Kreativität sein! Anstatt stets in denselben, meist seelenlosen Hallen und Arenen ein Top-Konzert nach dem anderen herunterzuspulen, wurde Montagabend in Wien außerhalb der gängigen Normen gedacht. Für das große Österreich-Comeback von Pink-Floyd-Legende David Gilmour, der hierzulande zuletzt vor zehn Jahren auf der mondänen Burg Clam Begeisterungsstürme entfachte, haben die Veranstalter ihren Sicherheitskokon verlassen und vor dem bezaubernden Schloss Schönbrunn eine Bühne hingestellt, die rund 10.000 Anwesende in einer völlig ausverkauften Location zum Staunen brachte.

Nur das Beste gut genug
Die sommerliche Atmosphäre wurde nur von den kühlen Temperaturen getrübt, aber selbst der Himmel staunte über das pompöse Gebilde und stellte den Regenfall rechtzeitig wieder ein. Für den 70-Jährigen Gilmour musste auch eine besondere Umgebung erdacht werden, immerhin pflegt er seit 2015 im Zuge seiner "Rattle That Lock"-Tour an den edelsten Veranstaltungsorten aufzutreten. Darunter zählten und zählen die Amphitheater in Pula und Verona, der Circus Maximus in Rom oder - in Kürze als absoluter Höhepunkt - das Amphitheater von Pompeji.

Im Gegensatz zu seinem Ex-Partner und langjährigen Intimfeind Roger Waters legte Gilmour stets etwas mehr Bescheidenheit an den Tag. Anstatt einer 115 Meter breiten Mauer, wie sie Waters für seine "The Wall"-Tour verwendete, reicht Gilmour eine zwölf Quadratmeter große Videokreisleinwand samt üppigen Lichteffekten und der partielle Einsatz von Lasern. Die funkelnde Show zählte trotzdem zu den optisch größten Highlights des Konzertjahres, denn bei Songs wie "Run Like Hell" oder "Astronomy Domine" flackerte der gesamte Schloss-Vorhof, während der Gitarrenvirtuose mit seiner sechsköpfigen Band zur großen Hitparade lud.

Klassiker sonderzahl
Wie erhofft bestand das fast dreistündige Set nicht nur aus den durchaus bekömmlichen Solo-Songs seines aktuellen Erfolgsalbums "Rattle That Lock", sondern zu zwei Drittel aus legendären Pink-Floyd-Klassikern, die für Staunen und Jubel sorgten. Eine berührende, vor allem durch seine knorrige Altherrenstimme getragene Version von "Wish You Were Here", ausufernde Instrumentalsessions in "Us And Them" und das komplett vorgetragene, tadellos zelebrierte "Shine On You Crazy Diamond" waren nur einige der vielen Höhepunkte einer fast makellosen Show, die zudem für mehrere Überraschungen sorgte.

Einerseits etwa durch die Tatsache, dass sich der an sich dauergrantelnde Gilmour in bester Laune befand, kurzzeitig sogar ein paar Wörter auf Deutsch parlierte und des Öfteren Schmunzeln über sein Gesicht huschen ließ, andererseits durch das veränderte Bandgefüge. Seine langjährigen Mitstreiter, Roxy-Music-Gründer Phil Manzanera und Keyboarder Jon Carin, haben sich vom exzentrischen Genie losgelöst, Chester Kamen und der von den Rolling Stones bekannte Chuck Leavell erwiesen sich aber als würdiger Ersatz.

Nicht alles perfekt
Die Aufmerksamkeit der Anwesenden konzentrierte sich aber ohnehin nur auf den bieder wirkenden Frontmann im schlichten schwarzen T-Shirt, der trotz des mangelhaften Personenkults zu den größten Legenden der Rock-Geschichte zählt. Während die textsicheren Fans fleißig bei "Money" oder "Coming Back To Life" mitsangen, gingen Gilmour die Solo-Nummern nicht ganz so leicht von der Hand. Das jazzig angehauchte "The Girl In The Yellow Dress" oder die Club-Lounge-Nummer "Today" versprühen weder Genialität, noch Innovationsreichtum der Floyd-Klassiker und wirkten mehr durchbrechend denn unterstützend.

Das Set verstärkte sich durch unterschiedlich eingespielte Videos und diverse Soloausritte der Lap-Steel-Gitarre oder dem stets dominanten Saxofon. Dass Gilmour zwischen den durch eine kurze Verschnaufpause durchbrochenen Sets niemals den Faden verlor, lag nicht nur an der großen Anzahl an Hits, sondern auch an den paralysierenden Entertainerqualitäten des Briten. Denn während sein Heimatland politisch und auch fußballerisch brach liegt (da bekam der Songtitel "On An Island" eine ganz besondere Geschmacksnote), hielt er den "Union Jack" mit seinem hemdsärmelig-professionellen Auftritt am Rande der Perfektion stolz hoch.

Zweite Chance: heute
Bei Gilmour jault und juchzt die Gitarre noch heute so makellos wie in den goldenen 70er-Jahren, als Songs wie "Comfortably Numb" oder "Time" das Lebensgefühl einer ganzen Generation prägten, als Musik noch voller Ideenreichtum und der heute inflationär gebrauchte Terminus "Redundanz" noch eine ungeborene Vision aus weit entfernten Zeiten war. David Gilmour ließ für knapp drei Stunden die Zeit stehen und tat dies unter einem Sternenhimmel vor majestätischer Kulisse. Rockmusik in seiner schönsten Ausprägung - für Interessierte auch noch heute, Dienstag, erlebbar, denn für das zweite Konzert von Gilmour vor dem Schloss Schönbrunn gibt es tatsächlich noch wenige Restkarten.

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