90-Euro-Gadget

Neu in Österreich: Cyberbrille Noon VR im Test

Elektronik
26.06.2016 09:00

Virtual Reality nimmt Fahrt auf: Mit "ausgewachsenen" und mehrere Hundert Euro teuren VR-Brillen für den Gaming-PC ebenso wie mit Systemen, die das Handy zur VR-Brille machen. In der zweiten Kategorie ist vor allem Samsung mit der Gear VR vielen Menschen ein Begriff, doch nun schickt sich eine andere Firma aus Südkorea an, den Markt zu erobern: das Start-up Nextcore mit seiner VR-Brille Noon VR. Was von ihr zu halten ist, hat krone.at getestet.

Auf den ersten Blick ist die Idee hinter der seit kurzem im österreichischen Elektronikhandel verfügbaren Noon VR ziemlich vielversprechend. Während Samsungs Gear VR nur mit einer Handvoll Samsung-Smartphones funktioniert, kann man mit der Noon-Brille jedes Smartphone mit mehr als 4,7 Zoll Diagonale und Android oder iOS als Betriebssystem verwenden. Mit Noon VR könnte also jeder Android- oder iPhone-User mit einem hinreichend großen Gerät in die virtuelle Realität abtauchen - wenn die Umsetzung besser gelungen wäre.

Für 90 Euro - selbst Samsungs Gear VR ist billiger - enttäuscht Noon VR im Test nämlich ziemlich. So gut wie jeder Teilbereich des Geräts hat Schwächen, durch die Ausflüge in die virtuelle Realität empfindlich gestört werden.

Hardware an sich wirkt eher billig
Das fängt bei der VR-Hardware an: Die Smartphone-Halterung lässt sich nur ungenau einstellen und gibt kein Feedback, ob man das Gerät richtig eingelegt hat. Das Gummiband zur Fixierung hielt unser Testhandy - ein Huawei P9 mit 5,2 Zoll Diagonale - nicht hundertprozentig sicher in Position, bei schnellen Bewegungen bewegte es sich in der Halterung minimal hin und her. Die Frontabdeckung, die man zum Schutz des Handys an der Vorderseite der Brille befestigt, hält ausgesprochen schlecht und fällt sehr schnell aus ihrer Halterung. Insgesamt wirkt die 90-Euro-Brille in puncto Verarbeitung eher billig.

Die Polsterung an der Gesichtsseite der Brille gibt sehr stark nach. Die Folge: Das Auge rückt schnell zu nah an die Linsen, die dadurch beschlagen. Dass das Handy im VR-Betrieb fühlbar warm wird, begünstigt dieses Problem noch. Da helfen auch die Ventilationsöffnungen der Noon-VR-Brille nicht wirklich. Immerhin: Die Gurte, mit denen man das Gerät am Kopf befestigt, halten es zuverlässig in Position.

Eher unzuverlässiges Bedienkonzept
Als eher unausgegoren erwies sich im Test auch das Bedienkonzept. Während andere Cyberbrillen - Samsungs Gear VR und selbst die billigen Cardboard-Brillen von Google - zumindest einen physischen Knopf am Gerät haben, mit dem man in der virtuellen Realität Auswahlen bestätigt, nutzt Noon VR zur Bestätigung von Befehlen die Bewegungssensoren im Handy.

Tippt man die Brille mittig an, wo das Smartphone sitzt, soll das als Knopfdruck interpretiert werden. Allerdings klappte das im Test bei weitem nicht jedes Mal, insbesondere bei der Nutzung mit Googles Cardboard-App sorgt das für Frust.

Bei der hauseigenen Noon-VR-App klappt es besser, aber auch nicht zuverlässig. Dort gibt es aber zusätzlich die Möglichkeit, durch das Fixieren eines Punktes Auswahlen zu treffen. Dank zuverlässigem Head-Tracking klappt das gut, allzu lang dürften es in der Noon-VR-App allerdings ohnedies wenige Nutzer aushalten.

Bikini-Girls und Yoga-Ladies in Noon-VR-App
Der Grund: Das Angebot an Virtual-Reality-Inhalten ist arg überschaubar und dürfte nur Freunde leichtbekleideter virtueller Yoga-Trainerinnen und tanzender Bikini-Girls ansprechen. Ein paar Film-Trailer und koreanische Musikvideos gibt es auch, damit erschöpft sich das Inhaltsangebot in der Noon-VR-App aber.

Immerhin: Sie enthält neben herunterladbaren Inhalten - streamen konnten wir die Bikini-Girls im Test nicht - auch einen Videoplayer, der Material vom Smartphone blickfeldfüllend in der Virtuellen Realität anzeigt. Wir meinen allerdings: Wenn schon Virtual Reality, dann bitte auch mit 360-Grad-Material.

Noon-App kann nur dreimal aktiviert werden
Angesichts der Qualität der Noon-VR-App waren wir im Test umso erstaunter, dass man sie nur mit dreimal nutzbarem Registrierungscode verwenden darf. Wer mehr als drei Handys mit seiner Noon-VR-Brille koppeln will, kann also am vierten schon nicht mehr auf die zugehörige App zugreifen.

Weil die Brille theoretisch - in der Praxis machen Eingabeschwierigkeiten dem Nutzer hier einen ordentlichen Strich durch die Rechnung - auch mit Googles Cardboard-App harmoniert, die ohnehin mehr kann als die Noon-VR-App, sei den Machern der Brille diese Entscheidung aber verziehen.

Bildqualität: Full-HD wird zum Fliegengitter
Und die Bildqualität? Angesichts der vielen anderen Schwächen ohnedies schon nebensächlich, ist sie bei Nutzung von Full-HD-Smartphones bescheiden. Blickt man durch die Linsen von Noon VR, fühlt es sich ein wenig so an, als stünde man direkt vor einem alten Röhrenfernseher. Jeder Pixel ist sichtbar, es sieht ein wenig aus, als läge ein Fliegengitter über dem Bild.

Hundertprozentig scharf ließ sich das Bild im Test auch nicht stellen. Es gibt zwar wie bei Samsungs Gear VR ein Einstellrad für die Linsen, gerade im Randbereich des Bilds war das VR-Erlebnis aber stets unscharf. Mit diesen Problemen ist Noon VR aber nicht allein: Einzelpixel erkennt man selbst bei Samsungs Galaxy-Smartphones mit 2560 mal 1440 Pixeln Auflösung. Richtig scharf werden VR-Systeme für das Handy wohl erst mit 4K-Displays.

Fazit: Würde Noon VR nicht 90, sondern 30 Euro kosten, könnte man manche der im Test entdeckten Schwächen verschmerzen. Angesichts des hohen Preises und unter Berücksichtigung der wackligen Hardware, des unausgegorenen Bedienkonzeptes und der schwachen App raten wir VR-Neulingen aber zur billigen Cardboard-Pappbrille. Die gibt's - freilich ohne Kopfmontage - für zehn bis 15 Euro und für einen ersten Eindruck von der Virtuellen Realität reicht das auch. Sehr viel mehr kann eine Handy-VR-Brille aktuell ohnedies noch nicht liefern.

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