Donauinsel-Highlight

Rock in Vienna: Iggy Pop feierte eine Punk-Party

Musik
05.06.2016 02:56

Mit etwa 20.000 Fans vor dem "Godfather Of Punk", Iggy Pop, erreichte das Rock in Vienna am zweiten Tag wieder den erwarteten Publikums-Normalzustand. Dem alternativen und von vielen Indie-Rock-Hymnen gepflasterten Mittelteil des Festivals fehlte es zwar an den wirklich großen Highlights, viele markante Schmuckstücke holten sich gegen so manchen Abgesang einen knappen Punktesieg.

(Bild: kmm)

Die Organisation des Rock in Vienna wurde zum Auftakt an die Grenze ihrer Belastbarkeit gebracht. 45.000 Fans bei Rammstein waren einerseits Rekordkulisse für das noch junge Festival im Herzen der Bundeshauptstadt, andererseits funktionierte das Zusammenspiel in vielen Bereichen nicht besonders gut. So kappte nicht nur die Bierversorgung und mussten die anströmenden Massen mit horrenden Wartezeiten am Eingangsbereich vorliebnehmen, auch die Durchlasspolitik für den Wavebreaker vor der Bühne kann man getrost als verbesserungswürdig bezeichnen. Am zweiten Tag hatten die Veranstalter anfangs noch mit anderen Problemen zu kämpfen - ein Schwarm aggressiver Bienen verzögerte Samstagmittag das Einlassprozedere, Zeitverzögerungen mussten die Fans dadurch aber nicht in Kauf nehmen.

Wahre Publikumsnähe
Die US-amerikanischen Polit-Punker Anti-Flag boten als Auftaktband in der sengenden Sommerhitze eine kräftige Dosis Punk-Rock mit viel Sozialkritik. Unermüdlich rackern sich Sänger Justin Sane und seine Mitstreiter seit mehr als zwei Dekaden ab, "Fuck Police Brutality" oder "Turncoat" verfehlen ihre inhaltliche Wirkung nicht, aber erst der Top-Hit "Die For The Government" sorgt noch einmal für richtig exaltierte Stimmung im gut aufgewärmten Publikumsbereich. Dass die Pittsburgher zum Abschluss sogar das Drumkit in den Zuschauerraum befördern, um direkt inmitten der Fans zu rocken, bringt noch einmal extra Sympathiepunkte.

Einen wesentlich schwereren Stand hatten die schwedischen Vintage-Rocker Graveyard, die mit ihrer durchaus vergänglichen Auffassung von Hard Rock zwar eine amtliche Fanbase vorweisen können, auf der opulenten "Soul Stage" aber fast etwas fehlbesetzt wirkten. "Hisingen Blues" oder "The Siren" schaffen es trotzdem bravourös, sich in den Köpfen der Besucher festzufräsen und sorgten damit für einen Punktesieg gegen ihre darauffolgenden Landsmänner von Royal Republic, die zwar mit mehr Energie und Eingängigkeit, aber weniger Tiefgang und kompositorischer Ausgereiftheit an die Sache herangingen.

Bluesrock-Milch
Das erste große Highlight des zweiten Festivaltages war die US-Künstlerin Juliette Lewis, die mit ihren Licks vor wenigen Wochen bereits in der Wiener Arena begeisterte und auch auf der Donauinsel-Bühne eine gute Figur machte. In einem weiß-blauen Ganzkörperanzug gekleidet, polterte die Aktrice, die erst unlängst in der Serie "Secrets And Lies" für Furore sorgte, über die Bretter, um dem Publikum den Ursprung des Underground-Rock'n'Rolls näherzubringen. Songs wie "Sticky Honey" oder "Got Love To Kill" haben auch nach Jahren nichts von ihrer Wirkung verloren. Das CCR-Cover "Proud Mary" ist hingegen mehr bemüht als gelungen, dennoch präsentiert sich die ewig jung wirkende Mittvierzigerin als Zeremonienmeisterin mit dem Talent zur Dompteurin des Publikums. Den Bluesrock scheint das Multitalent mit der Muttermilch aufgesogen zu haben.

Die darauffolgende Show der britischen Indie-Rock-Institution The Subways kann man getrost als "gehobenen Durchschnitt" kategorisieren. "Rock & Roll Queen" nannte sich der treibende Single-Erfolg aus dem Jahr 2005, der sich zurecht einen Stammplatz in den gängigen Radios erspielte und noch heute unweigerlich zum Pogen und Kopfschütteln animiert. Der Rest des Materials passt hingegen exakt zu den Rahmenbedingungen der Band bei diesem Festival - irgendwo am Spätnachmittag, als gemütlicher Stimmungsaufheller vor den großen Namen kann man die kecke Charlotte Cooper und ihre Mitstreiter verorten. Viel mehr ist in dieser Karriere nicht mehr drinnen - dem Stammpublikum wird das aber ohnehin egal sein.

Rasante Demontage
Die schwedischen Rocker von Mando Diao haben ihre besten Zeiten längst hinter sich. Nach dem kommerziell als auch künstlerisch äußerst dürftigen Studioalbum "Aelita" folgte eine erschreckend schwache Tour, bei der sich das Kompositionsdoppel Björn Dixgård und Gustav Norén in weiße Togen wickelte und die einst so treue Rock-Fanbase mit experimentellem Gedudel schockierte. Beim Rock in Vienna begann die bunte Sause mit "White Wall", "Sweet Ride" oder "Lady" durchaus bekömmlich, das funkige 80er-Pop-Stück "Money" schockierte aber kurz darauf, bevor sich Dixgård (Sidekick Norén hat die Band im Vorjahr verlassen) und Co. in seelenloses Akustik-Geschrammel verirrten und mit dem Elvis Presley-Cover "It's Now Or Never" für den musikalischen Tiefpunkt des Tages sorgten. Dass Dixgård von Kollegen auf der Bühne als "Stimme einer Generation" bezeichnet wird ist so falsch wie peinlich - die unaufhaltsame Demontage einer einst großen Indie-Hoffnung schreitet mit rasanten Schritten voran.

Ganz anders verhält es sich kurz darauf auf der "Mind Stage" mit den schottischen Indie-Rockern Biffy Clyro, die nach einer langen Pause wieder frisch erstarkt wirken und neben ihren zahllosen Hits und Klassikern nicht nur eine ausgeklügelte Lichtshow, sondern auch bündelweise neue Songs des kommenden Albums "Ellipsis" im Gepäck haben. Der wie immer zentral im Rampenlicht stehende, mittlerweile noch schwerer tätowierte und mit langen Haaren verzierte Frontmann Simon Neil versteht es geschickt, die Leute mit seiner Mischung aus Können und Charisma auf seine Seite zu ziehen. "Black Chandelier" und "Stingin' Belle" dienen als musikalisch uneinnehmbare Festung, die darum herum platzierten Tracks erfrischen nach zwei eher dürftigen Vorstellungen erheblich. Das schottische Freundeskollektiv bleibt angenehm unangepasst und schwer einzuordnen und wird mitunter auch deshalb unaufhaltsam Richtung Festival-Headliner-Band voranschreiten. Hymnen für die Ewigkeit gib es zuhauf.

Theatralik und Exzentrik
Nach all der Vorbereitungsarbeit war es überpünktlich um 21.18 Uhr soweit - die Punk-Ikone Iggy Pop betrat die Bühne und bewies schon vom ersten Ton des Openers "No Fun" an, dass es nur einen König dieses Abends geben kann. Der mittlerweile 69-jährige James Osterberg pfefferte schon beim zweiten Song die schwarze Lederjacke ins Eck, und rockte mit seinem markanten und weltweit bekannten Oberkörper über die Bühne. Wobei die Bühne selbst kein Maßstab für Iggy's Bewegungsradius ist, denn die meiste Zeit verbrachte der dauerfluchende Kultstar im Fotograben oder liegend vor der Bühne, immer mit dem richtigen Hang zu Exzentrik und Theatralik.

Kurioserweise verpulverte Pop seine größten Hits bereits ganz u Beginn. Als "I Wanna Be Your Dog", "Passenger" und "Lust For Life" vorüber waren, waren noch keine 15 der etwa 100 Minuten vergangen. Eine echte Ikone fügt sich eben keinen besonderen Richtlinien, sondern zieht sein Programm knallhart durch. Naturgemäß waren die Songs, die er mit den legendären Stooges schrieb (u.a. "1969", "Search And Destroy") qualitativ über alle Zweifel erhaben, aber gerade die Tracks des brandneuen Albums "Post Pop Depression" wussten mit ihrer anerzogenen Selbstsicherheit zu überzeugen. Der ausschließlich aus diesen Nummern bestehende Zugabenblock passte sich damit perfekt in das herkömmliche Set ein und wusste die mittlerweile doch etwa 20.000 Anwesenden zu begeistern.

Abschluss mit Maiden
Was nach einer derartig kräftigen Portion Pop/Punk noch für Aufregung sorgen kann, das wird heute Abend zum Festivalabschluss beratschlagt. Den britischen Metal-Pionieren Iron Maiden ist es aber durchaus zuzutrauen, dass sie für ein furioses Finale mit audiovisuellen Gustostückerl sorgen können. Up The Irons, für das große Finish auf der Donauinsel.

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