Walter Steidl:

“Ich warnte den Kanzler vor den Pfiffen am 1. Mai”

Salzburg
10.05.2016 21:33

"Höret die Signale!" ist nicht nur ein Satz aus dem Kampflied der "Internationale" sondern das Credo von Walter Steidl (58), Chef der Salzburger SPÖ. Wenn die Menschen am 16. eines Monats angesichts der teuren Mieten, der ständig steigenden Öffi-Tarife, der Lawine von Abgaben und Gebühren nicht wüssten, wie sie ihr Leben bis zum 31. finanzieren können, wenn die Frau Verkäuferin sei und der Mann bei der Post und es sich dennoch kaum ausgehe, so stimme in diesem Land etwas nicht.

Walter Steidl ist in der Gewerkschaft aktiv, seit er 15 ist. Auf charismatische Aussagen legt er wenig Wert, Machtworte sind nicht seins, Karrieren auch nicht: 1994 wäre er in den Landtag gekommen, verzichtete aber für eine Frau. Die Szene wird in den Geschichtsbüchern der Salzburger Sozialdemokratie verzeichnet werden: Walter Steidl steigt auf dem politischen Hauptplatz der Republik aus einem Taxi. Er ist mitsamt den sozialdemokratischen Mitgliedern der Bundesregierung und den Länderchefs der Partei zum Mittagessen bei Heinz Fischer geladen. Da sieht er Werner Faymann in einem Pulk von Sicherheitsleuten über den Ballhausplatz gehen. Er fragt, was passiert sei und erfährt es von zahlreichen Journalisten: Aus und vorbei. Mikrofone und Kameras umzingeln blitzartig den Mann, dessen Name in Wien bisher kaum jemand kannte: Walter Steidl muss Auskunft geben, was sich da in den vergangenen Wochen zusammen gebraut hat. Der Salzburger Parteichef, Brille, blauer Anzug, bunte Krawatte, freundlich blickend, aber nicht kumpelhaft lachend, sachorientiert sagt man heutzutage, ist der Anführer des personellen Umsturzes in der Partei.

Am Tag danach: Zu viele Barrieren aufgebaut
Am Tag danach berichtet er uns über die dramatischen Vorgänge, steckt aber zu Beginn seine Ansichten wie Wegmarkierungen ab: "Ein Stück des Weges", wie es einst Sonnenkönig Bruno Kreisky formulierte "mit der SPÖ zu gehen" würden heute immer weniger tun. Die Partei habe sich zu viele Barrieren aufgebaut: "Unser Nachbar, unser Kollege ist kein Feind, nur weil er etwas Anderes wählt." Zu viele Parteien und Bewegungen habe man ausgeschlossen, die Jugend, der das Recht der Revolution und der Aufmüpfigkeit zustehe, besonders. "Servus Werner!" Das entscheidende Telefonat mit dem Kanzler habe genau drei Tage nach der für die Partei verheerenden Bundespräsidenten-Wahl stattgefunden, am 27. April. In 45 Minuten übermittelte Walter Steidl all seine Bedenken, dass die Politik der Regierung für das Volk "entrückt" sei. Dass sein "Asyl-Papier" viel zu spät oben angekommen sei.

Das Steidl-Papier: Lückenlose Kontrollen
Er hatte es im Mai 2015 verfasst und vielen zur Verfügung gestellt, natürlich auch dem Kanzler. Überlegungen jenseits aller ideologischen Lager, wie Steidl es formuliert, wenn er von den Wertkonservativen und den Linksdemokraten spricht: Lückenlose Grenzkontrollen! Verhaltensregeln! Verpflichtende Deutsch-Kurse! Der Aufbau der Zelte vor der Polizeidirektion an der Alpenstraße hatte ihn zum Verfassen der Vorschläge bewogen. Er warnte davor: Mit Grausen werde sich die Bevölkerung vor Rot und Schwarz abwenden.

Das Schicksal nahm seinen Lauf
Der Gewerkschafter spürte das Grollen in der Bewegung, das Zittern der Erde in den Sektionen und er warnte Werner Faymann eindringlich: Beim Mai-Aufmarsch vor dem Wiener Rathaus, da werde nicht nur Jubel zu hören sein. Nicht nur Steidl hatte das Beben richtig vorhergesagt. Die moderne Kommunikationstechnologie beschleunigt nicht nur den Alltag, sondern auch die politischen Entscheidungen: Steidl tauschte sich ständig mit den SP-Chefs in Vorarlberg, Kärnten, der Steiermark und Niederösterreich aus. Die Überlegung: Dem Kanzler und Parteichef klar zu machen, dass er erkenne, dass er bei Wahlen keinen Erfolg mehr haben werde. Am Freitag erschien das große Interview mit Walter Steidl in der "Salzburg-Krone", am Samstag reiste er per Bahn ins neue "Schani"-Hotel beim Wiener Hauptbahnhof.

Steidl zog in Wien die entscheidenden Fäden
Hier trafen einander die fünf "um die Zukunft der Partei besorgten Landeschefs." Begeisterung müsse wieder her, das sei ja die Lebensader der Partei, Verständnis für die Sorgen der Menschen. Telefonate mit Gewerkschaftern folgten. Dann am Montag die legendäre Taxi-Fahrt ins Machtzentrum der Republik: Das Essen in der Präsidentschaftskanzlei (Frittatensuppe, Tafelspitz) fand schon ohne Faymann und Kanzleramtsminister Ostermayer statt. Eine Stunde diskutierte die rote Spitze mit Heinz Fischer.

Selbst nicht in den Mittelpunkt stellen
Klare Präferenzen für den ÖBB-Manager Christian Kern klingen durch, wenn Walter Steidl das Profil eines zukünftigen Kanzlers und Parteichefs umschreibt. Sich selbst will er nicht in den Mittelpunkt stellen, sein Platz bleibe in Salzburg. Da kämpfe er weiter um die Arbeitsplätze, auch in den großen Handelszentren. "Wer im Alter noch aufrecht gehen will, muss in der Jugend damit beginnen." Motto eines Pinzgauers. Ein Menschenschlag, "grundsätzlich weltoffen, heimatverbunden, ehrlich, steht zu seiner Meinung."

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