"Keine Krankheit"

Diese Gemeinsamkeiten haben junge Terroristen

Österreich
30.04.2016 07:45

"Terrorismus ist keine psychische Erkrankung" - das betonten führende Psychiater am Donnerstag bei einer Pressekonferenz in Wien. Dennoch haben radikalisierte Personen zumeist viele Gemeinsamkeiten. Bei den Jugendlichen, die in Österreich wegen Terrorismus angeklagt wurden, handle es sich demnach um sozial benachteiligte, ausgegrenzte Personen, die eher im Rahmen einer Entwicklungsstörung von Verführern missbraucht worden sind.

"Es gibt keine Krankheit, die zu Terrorismus führt. Terroristen sind nicht krank, sie sind zumeist gesund und sogar sehr gesund", erklärte der Wiener Sozialpsychiater Johannes Wancata. Es handle sich daher nicht um Krankheit, sondern um Verhaltensweisen.

"Terrorismus ist Form von psychologischer Kriegsführung"
Umgekehrt könne man an der Reaktion von Politik und Öffentlichkeit auf den Terrorismus den Zustand der Gesellschaft ablesen - auch den Erfolg, den solche Gewaltakte haben. "Terrorismus ist eine Form der psychologischen Kriegsführung", betonte Wancata. Terrorakte zielten über das Leid der direkt Betroffenen hinaus und seien geplant, um die gesamte Gesellschaft zu treffen.

Der Sozialpsychiater warnte vor falschen Reaktionen auf die Terrorgefahr: "Wenn wir uns auseinanderdividieren lassen, hat der Terrorismus das erreicht, was er wollte. Wenn wir Reisefreiheit, Pressefreiheit und die Grundrechte eingeschränkt haben, haben die Terroristen Erfolg gehabt."

Diese vier Typen sind für Radikalismus anfällig
Die Linzer Gerichtsmedizinerin Adelheid Kastner sprach sogar von einer "Radikalisierung der Mehrheitsbevölkerung" als Konsequenz überzogener Terror- und Migrationsängste. Kastner definierte vier Typen von Personen, die für Rechtsradikalismus wie für Radikalismus insgesamt anfällig seien: "Da sind erstens gewaltbereite Menschen, die 'etwas erleben' wollen, Personen auf der Suche nach einer Idee, die sie ausleben können. Dann ist da die Gruppe der Mitläufer, die sich unreflektiert der Position eines Leithammels anschließen. (...) Relativ klein ist jene Gruppe, die wirklich eine Idee transportieren will. Und dann sind da die psychisch Kranken im engeren Sinn. Sie meinen, alle Menschen denken so wie sie."

Die Frage sei daher, wie man potenziell von Radikalisierung gefährdete Kinder und Jugendliche frühzeitig finden und ihnen helfen könnte. Die Wiener Expertin Gabriele Wörgötter führte an, dass vor allem in der Schule Auffälligkeiten bemerkt werden sollten. Dazu gehörten auch Schulabsenzen und sozialer Rückzug.

Keine Krankheit, aber Bindungsstörung und fehlende Vaterfigur
Denn, so wie eine Untersuchung der Expertin zeigte, seien die Gemeinsamkeiten in der Lebensgeschichte der Jugendlichen, die zum Teil für den IS nach Syrien gegangen, zum Teil nach Österreich zurückgekehrt waren und zum Teil auch in Österreich verdächtigt worden waren, Anschläge zu beabsichtigen, frappant gewesen: "Keiner der Jugendlichen hatte eine psychiatrische Erkrankung. Alle hatten eine frühe Bindungsstörung. Bei allen fehlte die Vaterfigur. Alle Jugendlichen waren vor ihrem 'Anschluss' an den IS sozial isoliert und aus ihrer Peer Group (Gleichaltrige; Anm.) ausgegrenzt." Zerbrochene Familien, Isolation etc. seien markante Hintergrundbedingungen gewesen.

Das ergänzte sich offenbar mit Orientierungslosigkeit und schuf ein Vakuum, in dem die Jugendlichen für radikale Ideen - wahrscheinlich im Grunde jedweder Form - anfällig wurden. "Alle hatten ein Gefühl der Heimatlosigkeit. Alle hatten vor ihrer Radikalisierung kein islamisches Denken. Keiner hatte eine spezifische Kenntnis des Islam", erklärte Wörgötter.

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