Stadthalle live

Mariah Carey: Immer mit dem Blick zurück

Musik
20.04.2016 01:33

Nur 3.500 Fans kamen Dienstagabend in die Wiener Stadthalle, um die Pop-Legende Mariah Carey live zu sehen. 13 Jahre nach ihrem letzten Wien-Auftritt zeigte sich die 46-jährige Diva optisch verjüngt und stimmlich geübt - die zappeligen Showeinlagen und das Übermaß an Nostalgie trübten den Abend aber dennoch.

(Bild: kmm)

Anfangs schien sich jedes Klischee zu bewahrheiten. Um 21 Uhr hätte Mariah Carey die Bühne betreten sollen, eine knappe halbe Stunde später erst war es tatsächlich so weit. Mimi achtet bekanntlich nicht auf Profanes wie Zeit. Der Grund dafür war aber keine plötzliche Diven-Epilepsie im Backstage-Bereich, sondern schlichtweg schlechtes Flugtiming, denn ihr Privatjet landete erst kurz vor Showbeginn in Wien. Durchatmen bei den Anwesenden, die so zahlreich nicht erschienen sind. Obwohl die US-Amerikanerin mit 18 Nummer-eins-Hits die erfolgreichste US-Künstlerin aller Zeiten ist, lockte sie nur 3.500 Fans in die fast rundum abgedeckte Wiener Stadthalle.

Leere Hallen
Die großen Zeiten der 46-Jährigen sind vorbei und Europa hat sie zeit ihres Lebens sträflich vernachlässigt. Sieht man von einer Privataudienz beim Waffen-Zampano Glock in Kärnten und ihrem "Top Of The Montains"-Auftritt im Skiparadies Ischgl ab, war Carey ganze 13 Jahre lang nicht mehr bei uns zu sehen. 13 Jahre, in denen noch zwei gute, ein mäßiges und ein wirklich schwaches Studioalbum folgten. Die hagere Kulisse ist wohl auch die Konsequenz aus der Ignoranz dem Alten Kontinent gegenüber, denn Wien ist kein Einzelfall. Fast alle Europa-Konzerte der vielleicht letzten echten Diva des Pop-Business konnten wenig zufriedenstellende Zahlen verbuchen.

Zu deftigen Beats des Hits "Fantasy", der im "Def Club Mix" vorgetragen wird, lässt sich Carey zu Showbeginn von vier muskulösen Männern auf einer Chaiselongue auf die Bühne tragen. Vom großen Bombast ihrer jüngeren Konkurrentinnen á la Lady Gaga oder Katy Perry ist wenig zu sehen. Fünf kleiner gehaltene Videowalls sind das einzig nennenswerte Gimmick, auf visuelle Wunderwelten oder aufregendes Brimborium verzichtet Carey, um ganz in ihrer Welt voller Glamour und Glitter aufzugehen. Bereits bei "Emotions", dem ersten Highlight des Abends, lässt sie sich einer Göttin gleich die Bühnenstufen runtertragen und beweist eindrucksvoll, dass sie stimmlich voll auf der Höhe ist. Auch wenn die seligen 90er-Jahre, zweifellos das erfolgreichste und eigentlich auch einzig erfolgreiche Jahrzehnt der Sängerin, ihren Schatten über die Show werfen, zieht die sichtlich erschlankte Künstlerin alle Register ihres Könnens.

Nostalgisches Programm
Besonders beeindruckend klingt das vor allem dann, wenn sie die Höhen mit besonderer Intensität vorträgt. So sind es die langsamen, gediegeneren Songs, die eine besondere Euphorie im ohnehin enthusiasmierten Publikum entfachen. "Hero", "We Belong Together", das im Zugabenteil zelebrierte "Without You" und - als besonderer Höhepunkt des Abends - die legendäre Erfolgssingle "When You Believe" mit Whitney Houston, dem großen Idol von Carey, das hier per Videowall eingeblendet wird und seine gewünschte Wirkung voll entfachen kann. Die in fünf Teile aufgesplittete Videowall zeigt dabei niemals die gegenwärtige Carey, sondern begnügt sich mit nostalgischen Vergangenheitseinspielungen. Zeit ist eben doch wichtig, auch wenn es nur vergangene ist. Das zeigt sich auch daran, dass sie zum Glück völlig auf Songs ihres letzten Studioalbums "Me. I Am Mariah… The Elusive Chanteuse" verzichtet.

Im Gegensatz zur stimmlichen Glanzperformance sorgt der nervös choreografierte Showblock für beständiges Unbehagen. Die nervigen Breakdance-Einlagen der Tänzer sind ebenso enervierend wie die detaillierte Bandvorstellung. Natürlich muss die Zeit zwischen den insgesamt vier Kleidungswechsel von Carey überbrückt werden, doch die auf zwanghaft hip getrimmte Bühnenperformance steht diametral zu den sanft vorgetragenen Liedern, die den Mensch und die Kunstfigur Carey möglichst echt und lebensnah wiederspiegeln. Manchmal überkommt einen das Gefühl, die Diva wolle auf Biegen und Brechen mit den jungen Kolleginnen mithalten, scheitert dabei aber kläglich.

Relikt der alten Tage
So ist vor allem der Mittelteil des Konzerts eine mühsame Angelegenheit. Mitunter auch deshalb, weil Carey Top-Songs wie "Obsessed" oder "Shake It Off" mit seltenen Nummern wie "Loverboy" in einen zappeligen Mash-Up verwandelt, der zwar viele Songs in kurzer Zeit abzuhandeln weiß, das Feeling des ansonsten so angenehm balladesken Abends aber total zerstört. So ist das Wien-Comeback der großen Entertainerin ein zwiespältiges, das außerhalb der Carey-Die-Hard-Fanfraktion eher fragende Gesichter zurücklässt. Die Unvereinbarkeit zwischen Künstlerin und Publikum ist trotz standardisierter Liebesbekundungen und begeistertem Winken nicht gefühlt, sondern real. Als letzte Diva des Showbusiness steht ihr diese selbst erbaute Mauer zu, doch im vollgefüllten Haifischbecken der weiblichen Popstars wirkt Carey etwas verloren. The Times They Are A Changin'…

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