"Krone"-Interview

Michelle: “Sich treu zu bleiben ist essenziell”

Musik
13.04.2016 11:38

Sie gehörte nie zu den Angepassten und Formbaren, sondern war seit jeher ein eigensinniger, aber lebender Fels in der Schlager-Brandnung. Nach vierjähriger Pause veröffentlicht Michelle nun ihr neues Album "Ich würd' es wieder tun" und ist auch als Jurorin bei "DSDS" groß im Gespräch. Wir haben uns mit der 44-jährigen Bardin zusammengesetzt, um über die veränderte Schlagerwelt, Ehrlichkeit im Business und die Veränderungen im Leben zu sprechen.

(Bild: kmm)

"Krone": Michelle, dein neues Album heißt "Ich würd' es wieder tun". Was würdest du denn selbst gerne wieder tun?
Michelle: Alles. Die Aussage des Titels steht dafür, dass egal was im Leben so passiert, man nichts bereuen sollte. Es hat alles einen Sinn und wenn man fällt, hat man vielleicht eine falsche Entscheidung getroffen, sollte man aber ruhig auch mal etwas liegenbleiben und später wieder aufstehen dürfen. Man sollte mit allem was man ist und mit allem, was das Leben so mit sich bringt, hinter sich selbst stehen.

"Krone": Die Gesellschaft will einem heute oft suggerieren, dass man sich nach falschen Entscheidungen in Demut üben und sich immer rechtfertigen sollte. Kämpfst du hier bewusst dagegen an?
Michelle: Ich kämpfe gegen gar nichts an, sondern vermittle nur die Botschaft, nach der ich lebe. Es macht das Leben einfach leichter, weil man zu sich selbst steht und zwischendurch auch mal etwas egoistischer denkt - und zwar nicht im negativen Sinne. Man sollte auch mal Dinge tun, von denen andere abraten würden, weil es nicht salonfähig ist. (lacht)

"Krone": Es gibt wenige Künstlerinnen, bei denen Hochs und Tiefs so nah beieinander waren. Einerseits an die zwei Millionen verkaufte Alben, ECHOS und Amadeus-Award, andererseits Schlaganfall, Depressionen, Selbstmordversuch. Wie sehr hat dich dieses Wechselspiel der Gefühl verändert?
Michelle: Ohne Schattenseiten keine Sonne - es ist sehr wichtig, dass man auch durch dunkle Zeiten gehen muss. Diese beiden Sachen gehören einfach zusammen. Fällt manchmal der Schatten auf einen, dann weiß man die Sonnenseiten im Leben einfach besser zu schätzen. Das Leben wäre zudem langweilig, wenn es perfekt wäre, man müsste für nichts kämpfen und sich für nichts einsetzen. Das Leben ist eine Herausforderung und man sollte immer sich selbst und andere Dinge hinterfragen, ob sie richtig oder falsch sind. Wenn man immer das Richtige tut, dann würde man sich selbst überschätzen und nie wissen, wo denn die eigenen Grenzen liegen.

"Krone": Im Gegensatz zur üblichen Schlagerwelt bist du jemand, der in diesem Genre nicht immer nur Perfektion suggeriert.
Michelle: Ich bin einfach so. Ich mache hier nichts bewusst, das ist einfach mein Selbst. Man weiß mittlerweile, was man von mir kriegt. Ich war die erste, die sich tätowieren ließ und die Motorrad fuhr. "Oh Gott, eine Mutter mit drei Kindern, die Schlager singt und Motorrad fährt" - früher konnte man damit noch locker anecken. Heute ist das total egal, es hat sich alles etwas gedreht und ich bin froh darüber. Man sieht dadurch, dass die Menschen einen auch so annehmen, wenn man so sein kann wie man ist. Man muss sich nicht mehr verstellen oder verändern, um etwas darzustellen. Das größte Geheimnis, um selbst glücklich zu sein, ist sich treu zu bleiben. Wenn man selbst nicht glücklich ist, kann man andere Menschen auch nicht glücklich machen.

"Krone": Wolltest du früher bewusst anecken oder lag das einfach in deiner Natur?
Michelle: Ich bin einfach so wie ich bin. (lacht) So ist nun einmal das Leben und damit müssen die anderen auch klarkommen.

"Krone": Weil du Sonnen- und Schattenseiten angesprochen hast - wie stark unterscheidet sich die Michelle heute von der Michelle aus dem Jahr 2000?
Michelle: Man lernt viel von sich selbst und aus den eigenen Fehlern. Dafür sind sie auch sehr wichtig im Leben. Ich bin natürlich 16 Jahre älter und man reift mit dem Leben. Ich kann heute viel mehr locker lassen und viele Sachen entspannter sehen, weil ich noch stärker das tue, was ich möchte. Ich lasse mich immer weniger verstellen und provoziere auch mal gerne. Früher habe ich mich in gewissen Bereichen vielleicht etwas zurückgehalten - heute sage ich einfach geradeaus, was ich denke. (lacht)

"Krone": Das Album ist grundpositiv, wie auch schon die Single "Wir feiern das Leben" sagt. Bist du derzeit in einer so grundoptimistischen und fröhlichen Position?
Michelle: Ich bin grundsätzlich sehr optimistisch, weil ich ein starker Mensch bin. Das Album steht nicht dafür, dass wir feiern, sondern dass wir einmal alles hinter uns lassen und die Sorgen vergessen. Wir sollen das Leben wieder genießen. Im Moment haben wir eine sehr schwere Zeit und die Menschen vergessen manchmal, dass das Leben auch sehr gute Seiten hat. Es gibt mehr als Arbeit, Stress oder das Flüchtlingsdrama. Die Menschen sind angespannt und gereizt und haben vergessen zu leben. In dieser Zeit sollte mal jeder die Augen schließen und an sich denken können. Viele denken gar nicht mehr an ganz profane Dinge, wie die blühenden Blumen oder den Geruch der Erde im Frühling, weil sie in ihrem Leben und Dasein schon so gefrustet sind. Verändern kann man das aber nur selbst und das ist die Botschaft dieser Platte.

"Krone": Schlager und Pop vermischen sich immer stärker und das Ergebnis ist auch für junge Menschen interessant. Viele Künstler sagen aber, dass Schlagerstars wie du oder Helene Fischer in ihrer Position bei so vielen Fans auch klarer Stellung beziehen und auf gewisse gesellschaftsrelevante Themen eingehen sollten, sozusagen als Vorbildwirkung. Wie siehst du das?
Michelle: Das spricht auch mein Album so aus. Man muss aber auch ein gewisses Alter haben, damit einem die Menschen die Botschaft abnehmen. Auch wenn es nur darum geht, dass die Menschen einfach nur mal wieder die Augen öffnen und das Schöne sehen, an sich selbst glauben und den ganzen Scheiß da draußen hinter sich lassen. Das ist eine schöne Botschaft. Wir leben nur einmal und dieses Leben sollte man auch feiern.

"Krone": Der Song "So schön ist die Zeit" beginnt mit einem Scatman-Sample und auch sonst hast du sehr viel Dance und Electronic auf dein Album projiziert. Ist das dem Zeitgeist geschuldet?
Michelle: Wenn ich mir meine erste Single "Und heut' Nacht will ich tanzen" aus 1992 anhöre, ist das natürlich eine ganz andere Welt, aber in der Musik hat sich einfach viel bewegt und man muss mit der Zeit gehen. Wir haben auch die typischen Balladen drauf und alles ist sehr modern produziert. Es ist immer noch Michelle, nur eben 2016. Die Welt bewegt und dreht sich und man sollte in keinem Bereich seines Lebens einfach nur stehen bleiben.

"Krone": Du hast mit Peter Plate, Alex Christensen und noch vielen anderen sehr viele bekannte Songschreiber und Produzenten auf dem Album versammelt. Wie war da die Arbeitsaufteilung? Wie kann man sich das vorstellen?
Michelle: Wir hatten 500-700 Songs, die wir anfangs sammelten und da waren nur sehr wenige Produzenten dabei, die den Nerv getroffen haben. Es wurde dann noch viel an Musik oder Texten gefeilt, denn es war mir wichtig, dass ich erkennbar bin. Es wurde auch stark an Wörtern gedreht, weil es einfach welche gibt, die ich niemals sagen würde. Mit viel Schweiß, Blut und Diskussionen entsteht dann ein Endprodukt.

"Krone": Du eckst mit deinen Texten auch gerne an. Gibt es eine Grenze, die du nicht übertreten würdest?
Michelle: Das sagt dann eher die Plattenfirma. (lacht) Wir sprechen schon sehr viele Themen an, aber die Sprache müssen die Leute verstehen. Man muss sich immer eine gewisse Klasse bewahren und sollte nicht unter die Gürtellinie gehen. Wenn man einen Song schreibt wie "Steh dazu", der an schwule und lesbische Menschen gerichtet ist, muss man auch eine Sprache finden, die passt. Man muss eindeutig zweideutig bleiben, um alle zu treffen. Es soll ja keine Nummer sein, wo die "normal tickenden" sich aufregen würden, dass es ein "Schwulensong" sei. Die Nummern müssen in einer eindeutigen Sprache relativ neutral bleiben.

"Krone": Schlagerfans werden großteils ge die Texte schreibt?
Michelle: Das hoffe ich nicht. Das machen vielleicht andere, aber es wäre eine falsche Arbeit. Meine Sprache ist vielleicht etwas ruppiger, aber für die Musik ist es schon okay so. (lacht)

"Krone": Als Jurorin von "DSDS" hast du mittlerweile auch ein zweites großes Standbein im Showbusiness. Wie bist du dazu gekommen und was hat dich daran gereizt?
Michelle: Ich wurde schon vor drei Jahren angefragt und dann jedes Mal wieder, aber der Terminplan war einfach immer zu voll. Dieses Jahr hat es geklappt und ich wollte es unbedingt machen. Ich mag das Konzept und bin selbst großer Fan von Dieter Bohlen. Er nimmt sich kein Blatt vor den Mund und sagt, was er denkt, das finde ich sehr gut. Ich finde es auch gut, dass man Künstler wachsen lassen kann, die sich dann eine eigene Karriere aufbauen müssen. Man lernt viele Menschen und unterschiedlichste Charaktere kennen und kann hinter Facetten schauen.

"Krone": Kannst du da in deiner Position auch noch etwas dazulernen?
Michelle: Ich bin grundsätzlich kein Mensch, der irgendwas dazulernt. (lacht) Ich kann - mit Ausnahme von Dieter - sehr schlecht etwas von jemandem annehmen. Das kommt wohl auch daher, dass ich mit 14 auf der Straße lebte und sehr früh lernte, nur mir selbst zu vertrauen. Ich mache die Fehler und bade sie auch aus. Ich bin mein eigener Lenker und deshalb höre ich eigentlich nur auf mich.

"Krone": Ihr seid die unterschiedlichsten Juroren aus den unterschiedlichsten musikalischen Genres. Versteht man sich da gleich auf Anhieb? Rennt auch backstage gleich der Schmäh?
Michelle: Im Endeffekt machen wir alle Musik, das ist schon mal die Hauptsache für das Verständnis. Schwieriger ist es dann, wenn man die Menschen kennenlernt und mit ihnen nicht auskommt, was bei uns gottseidank nicht der Fall ist. Wir sind sehr harmonisch, das wirkt schon fast langweilig, aber am Ende sind wir uns fast immer einig. Bei einer anderen Show sind sich Marianne Rosenberg und DJ Antoine auch öffentlich teilweise richtig bösartig angegangen, aber wenn die Charaktere gut zusammenpassen ist das wunderbar - so wie bei uns.

"Krone": Da käme man natürlich auf die Idee, dass es zu Kooperationen kommen könnte. Etwas Vanessa Mai auf der nächsten Michelle-CD oder du auf dem nächsten Scooter-Album.
Michelle: Das ist wiederum Musik und ich glaube das eher nicht. Es macht jeder sein Ding in seinem Genre und man muss nicht unbedingt alles miteinander verbinden. In der Jury sind wir ein Team und da geht es nicht um mein Album oder das neue von H.P. Baxxter, sondern um uns als Gesamtes, die ein Urteil fällen, das im Namen aller ist. Das eigene Ego und die eigene Musik werden da hintangestellt.

"Krone": Mittlerweile stoßen auch schon deine Kinder die Tür in die Musikwelt ein - deine 15-jährige Tochter Marie trat mit dir letztes Jahr bei "150 Jahre Schlager - Das große Fest zum Jubiläum" auf. Heißt du das gut oder stehst du dem eher sorgenvoll gegenüber?
Michelle: Ich bin nie voller Sorgen, denn auch die Kinder sollen machen, was das Herz sagt. Marie ist ein Mädchen, das Papa und Mama in diesem Job hat und wir sind natürlich für sie da. In diesem Genre kann ihr jedenfalls nicht viel passieren. Wenn ihr Herz dabei ist und sie das unbedingt möchten, dann soll sie auch die Chance dazu haben. Sie muss ohnehin ihre eigenen Erfahrungen machen. Ob es klappt oder nicht, das ist eine andere Sache. Die Kleine will immer noch Tierärztin werden und die Große will auf die Theaterbühne. Ich mache ja auch immer das, was mein Herz mir sagt, weil es erst einmal richtig ist.

"Krone": Dein Weg führt dich im Februar 2017 für drei Konzerte nach Österreich. Kann man sich schon ungefähr ausmalen, was es hier zu erwarten gibt?
Michelle: Noch nicht, wir sind mitten in den Vorbereitungen und ich bin in Deutschland vorher noch auf einer anderen Tour. Das Fass für die kommende Tour ist noch lange nicht voll und wir können derzeit noch nicht darüber sprechen.

"Krone": Du bist ein oft und gern gesehener Gast in Österreich samt Amadeus-Auszeichnung. Blieb dir etwas besonders Schönes von hier in Erinnerung?
Michelle: Das Publikum ist in Wien außerordentlich ganz toll. In Deutschland kann man ein derart offenes Publikum maximal mit Berlin vergleichen. Das ist jedes Mal eine Riesenfreude.

"Krone": Gibt es etwas, auf das du dich besonders freust, wenn du in Österreich bist?
Michelle: Ich würde furchtbar gerne mal das Hundertwasserhaus besuchen, aber leider fehlt mir dazu immer die Zeit. Ich will jedes Mal dahin, aber es ging sich einfach noch nie aus. (lacht)

"Krone": Nach fast 25 Jahren in der Schlagerbranche: Was blieb dir besonders gut in Erinnerung und wovor würdest du dringend abraten?
Michelle: Ich würde auf jeden Fall abraten von zu viel Meinung anderer. Im Kern sollte man immer selbst fühlen, ob etwas richtig oder falsch ist. Wenn jemand neu in die Branche kommt und noch nicht viel weiß ist es ganz wichtig, dass er Menschen hat, denen er vertraut und das man gemeinsam wächst. Man muss sich immer treu bleiben, echt sein und alles vertreten können. Das ist das Um und Auf. Man darf nicht als Kunstfigur auf der Bühne stehen.

Alle Infos und Tickets für die Konzerte am 9. Februar im VAZ St. Pölten, am 12. Februar im Wiener Konzerthaus und am 13. Februar in der Grazer List-Halle finden Sie auf der Homepage von Michelle.

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