"Perle Afrikas"

Mosambik: Luxushotel als Stadt der Ärmsten

Ausland
08.04.2016 06:24

Wer hier eincheckt, hat niemals Urlaub: Aufstieg und Fall der "Perle Afrikas" von einer Luxusherberge der Kolonialzeit zum Massen-Ghetto für Tausende Menschen. Die "Krone" begab sich in Mosambik auf Spurensuche.

Der Blick von der Dachterrasse des Grand Hotel in Beira offenbart ein Panorama wie im Ferienkatalog. Der Ozean zeigt an der Küste von Mosambik sein schönstes Türkis, peitscht die Wellen an den Palmenstrand. Karibik-Feeling. Hier standen sie in den Sechzigern, die portugiesischen Kolonialherren mit ihren Sonnenhüten. Das Champagnerglas in der einen Hand, die Zigarre in der anderen.

Doch die Gäste sind dahin und von Traumurlaub ist schon lange keine Rede mehr, eher von Albtraum. Denn das Antlitz der "Perle Afrikas" hat sich in eine Fratze verwandelt. Für 2000 Menschen ist der Koloss letzte Zuflucht - ein vierstöckiger Slum ohne Strom und Wasser.

Endzeitstimmung wie im Katastrophenfilm
Carlos Nore sieht das etwas optimistischer. Er hat in der Ruine eine offizielle Funktion. Und das heißt etwas, in dieser Stadt ohne Gesetz. "386 Familien leben hier, dafür ist es eigentlich friedlich", meint der junge Mann und beginnt die Hotelführung der anderen Art vor dem Eingang.

Im früheren Park kauert ein Bub auf dem Lehmboden, versucht einem Schutthaufen Spielzeug abzugewinnen. Ziegen haben ein Autowrack in Beschlag genommen. In einer Baracke brät eine Frau Trockenfische, bietet sie zum Kauf an. Rauchschwaden ziehen über den Pool, dessen Boden mittlerweile von einer braunen Giftbrühe überzogen ist. Das Atmen fällt schwer. Endzeitstimmung.

"Jesus loves you" steht als Graffiti an der Wand
In der Rezeptionshalle herrscht indes Hochbetrieb. Mädchen mit Kübeln auf dem Kopf gehen Richtung ehemaliges Restaurant, das nun als Kirche dient. "Jesus loves you" steht als Graffiti an der Wand. Über die Steintreppe geht es in den ersten Stock. In der Vorwoche sei wieder ein Kind in den Tod gestürzt, erzählt Carlos beiläufig und deutet auf den dunklen Schacht, wo früher einmal ein Aufzug war. Gleichsam als Vorzeigeraum führt er in eine frühere Suite. Hier haust jetzt Bless Ngonhama. Der 28-Jährige unterrichtet im hauseigenen Kindergarten und hat deshalb ein größeres Zimmer. Abgesehen davon, dass wie überall die Leitungen aus der Wand gerissen sind, hat der Raum ein großes Manko: Der Abfluss ist verstopft. Seit 1987.

Eröffnet wurde das Grand Hotel 1955 als Art-Déco-Palast des Kolonialregimes. Reich und Schön feierte im Ballsaal, weiße Siedler verbrachten hier den Sommer. Doch das Projekt war zum Scheitern verurteilt: Zu größenwahnsinnig war es angelegt, zu teuer die Preise. Als Mosambik 1975 unabhängig wurde, machten es die Revolutionäre zum Hauptquartier. Während des folgenden Bürgerkriegs wurde der Protzpalast zur Festung. Als die Soldaten abzogen, zogen die ersten Besetzer ein: Flüchtlinge, Landarbeiter, Obdachlose. "Nur Kriminelle gab es nie", so Carlos. Schließlich gebe es ja nichts zu holen.

Die Hoffnung stirbt zuletzt
Doch selbst über dem düsteren Grand-Hotel zeigt sich so etwas wie ein Silberstreif am Horizont. Die Stadtregierung will das Problem endlich in die Hand nehmen, die Menschen umsiedeln. Auch wenn das niemand so recht glauben kann. Und dann gibt es noch die lachenden Kinder, die in einer Holzkiste um die Wette strahlen. Oder das kleine Mädchen aus der dritten Etage, das seine Eltern Hope getauft haben. Hope heißt übersetzt Hoffnung - und die stirbt zuletzt im sechstärmsten Land der Welt.

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