Exodus aus Idomeni

Tausende Migranten marschierten Richtung Norden

Ausland
14.03.2016 22:12

Nachdem die Balkanroute in der Vorwoche geschlossen wurde, haben am Montag Tausende Migranten das Flüchtlingscamp Idomeni an der griechisch-mazedonischen Grenze verlassen und sich zu Fuß auf den Weg nach Norden gemacht. Der Marsch der Migranten sei - mittels Flugblättern und Wegbeschreibungen - bereits längerfristig geplant und nicht spontan gewesen, erfuhr die "Krone" aus österreichischen Polizeikreisen. Zu einem erneuten Massenansturm kam es allerdings nicht.

Nach etwa acht Kilometern Fußmarsch durchquerten Tausende Menschen den Fluss Suva auf griechischer Seite, dessen anderes Ufer noch etwa 500 Meter von der mazedonischen Grenze entfernt ist. Augenzeugen berichteten gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters von rund 2000 Menschen. An dieser Stelle unweit der Ortschaft Chamilo gibt es dem Anschein nach keinen Grenzzaun mehr, berichtete die Nachrichtenagentur dpa. Gegen Abend überquerten wegen der zunehmenden Dunkelheit allerdings kaum noch Menschen die Flussenge.

700 Flüchtlinge von Armee gestoppt
Bei dem Versuch, den Fluss zu überqueren, sollen zuvor drei Afghanen - zwei Männer und eine Frau - ums Leben gekommen sein, berichteten lokale Medien. Die mazedonische Armee stoppte am Montag Hunderte Flüchtlinge, die die griechisch-mazedonische Grenze unerlaubt überquert hatten. Die Soldaten schritten in der Nähe von Gevgelija ein und nahmen die Personen fest. Die Gruppe von rund 700 Flüchtlingen werde abgeschoben, gab das Innenministerium am späten Nachmittag bekannt.

Auch Journalisten seien in Polizeigewahrsam genommen worden, berichtete ERT. Der Sender zeigte Bilder von Migranten und freiwilligen Helfern, die eine Menschenkette im Fluss gebildet hatten. Sie halfen so älteren Menschen und Frauen mit Kindern, den Grenzfluss zu überqueren.

Fußmarsch der Migranten mit Flugblättern geplant
Der Sprecher des UNO-Flüchtlingshochkommissariats UNHCR, Babar Baloch, sagte, dass es keine offiziellen Angaben gebe, wie viele Personen das Camp verlassen haben. "Vielleicht 300, 500 oder bis zu 1000", so Baloch. Das UNHCR habe versucht, über die Umsiedelungsprogramme der EU zu informieren und die Flüchtlinge zum Umzug aus der Zeltstadt in die umliegenden Flüchtlingslager zu bewegen - offenbar vergeblich. Augenzeugen sprachen am Montagnachmittag gegenüber Reuters von 2000 Menschen, die den Fluss überquert hätten. Wie viele Migranten das Lager Idomeni tatsächlich verlassen haben, lässt sich aber kaum schätzen.

Mittels Flugblättern und Wegbeschreibungen dürfte der Fußmarsch der Migranten bereits längerfristig geplant und nicht spontan gewesen sein, erfuhr die "Krone" aus österreichischen Polizeikreisen. Ein Flugblatt zeigt die Route vom Camp Richtung Mazedonien. In einer der "Krone" vorliegenden Übersetzung heißt es darin sinngemäß: "Wer seinen Weg Richtung Europa fortsetzt, kommt an einen doppelten Zaun, der vortäuschen soll, dass die Grenze geschlossen ist. Fünf Kilometer entfernt gibt es allerdings eine Stelle, wo kein Zaun mehr vorhanden ist und man nach Mazedonien kann."

"Vernichtet diesen Zettel, nachdem ihr ihn gelesen habt"
Weiters werden die Migranten darauf hingewiesen, dass diejenigen, die in Griechenland bleiben, in die Türkei zurückgeschickt werden. Zum Abschluss heißt es: "Vernichtet diesen Zettel, nachdem ihr ihn gelesen habt, damit er nicht in die Hände von Polizei, Militär oder Journalisten fällt." Auch Treffpunkte für gemeinsame Grenzübertritte sind angeführt, außerdem wird betont, dass es keine Busse oder Züge für den Transport nach Deutschland - das Ziel vieler Migranten - gibt: "Wer aber den ungesetzlichen Weg weiter nach Deutschland geht, der kann dort bleiben. Deutschland nimmt Flüchtlinge noch auf."

Am Samstag - fast eine Woche nach dem EU-Türkei-Flüchtlingsgipfel - hatten die griechischen Behörden erstmals offiziell in einem Flugblatt über die faktische Schließung der Balkanroute informiert, so UNHCR-Sprecher Baloch. Die Informationslage in Idomeni ist denkbar schlecht, es kursieren viele Gerüchte, die oftmals Menschenhändler für sich nutzen. Die nun aufgebrochenen Flüchtlinge stammen offenbar vorwiegend aus Syrien, dem Irak und Afghanistan.

"Verantwortlich sind jene, die falsche Erwartungen wecken"
Österreichs Innenministerin Johanna Mikl-Leitner stellte am Montagabend gegenüber der "Krone" klar: "Verantwortlich für diese dramatischen Szenen sind jene, die bei den Menschen im Camp Idomeni nach wie vor falsche Erwartungen wecken. Wer es gut mit den Menschen im Camp meint, sollte sie darin bestärken, die bereitgestellten warmen, festen Quartiere in Griechenland anzunehmen und sich versorgen zu lassen." Stattdessen werde vereinzelt nach wie vor signalisiert, man könne sich auf eigene Faust auf den Weg in sein Wunschzielland machen. "Das ist verantwortungslos und aufs Schärfste zu verurteilen. Dank und Anerkennung gilt der mazedonischen Regierung. Mazedonien hat bisher mehr zur Stabilität Europas beigetragen als so manches EU-Mitgliedsland", so die Ministerin.

Lager versinkt im Schlamm
Das Lager in Idomeni ist nach erneutem Dauerregen am Sonntag und in der Nacht auf Montag völlig verschlammt. Rund um Idomeni harren derzeit laut inoffiziellen Schätzungen etwa 12.000 Flüchtlinge aus, die dort gestrandet waren, nachdem die Balkanroute auf Betreiben Österreichs für sie komplett geschlossen wurde. Trotz mangelnder Unterkünfte und Versorgung wollten die Menschen zunächst nicht abreisen und hofften darauf, dass sich die Grenze zu Mazedonien doch noch öffnet. Viele bereitgestellte Busse, mit denen die Migranten zurück in die griechische Hauptstadt Athen reisen hätten können, blieben ungenutzt.

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