Provider in Angst

49 Cent pro Gigabyte: Ungarn plant Internetsteuer

Web
23.10.2014 15:56
Um Ungarns leere Staatskassen zu sanieren, will die Partei von Ministerpräsident Viktor Orban jetzt die Internetprovider zur Kasse bitten. Geht es nach einem neuen Gesetzesentwurf, der dem Budapester Parlament vorgelegt wurde, soll der Internetverkehr künftig mit rund 49 Cent pro Gigabyte besteuert werden. Jetzt bangen die Internetnutzer, dass die Provider die entstehenden Kosten an sie weitergeben könnten.

Nur Stunden, nachdem die Pläne der Regierung bekannt wurden, haben sich einem "Reuters"-Bericht zufolge rund 100.000 ungarische Internetnutzer in einer Facebook-Gruppe zusammengeschlossen, um sich gegen die Pläne der Regierung zu wehren. Sie befürchten, dass die Provider die horrenden Kosten, die durch die Internetsteuer entstehen würden, auf die Kunden abwälzen könnten und die von der Regierung als Soundersteuer zur Sanierung des Budgets erdachte Internetabgabe letztlich zu einer neuen Massensteuer würde.

Sondersteuern sollen Ungarns Haushalt sanieren
Ungarn hat in den vergangenen Jahren verschiedene Sondersteuern eingeführt, um seine klammen Finanzen zu sanieren. Das Bankenwesen wurde ebenso mit höheren Abgaben bedacht wie der Einzelhandel und die Energiebranche. Internationale Investoren schreckt das ab, die heimische Wirtschaft wird schwer belastet. Die Einnahmen aus den bisherigen Sondersteuern scheinen allerdings immer noch nicht zu reichen, um die Staatsfinanzen in den Griff zu bekommen, weshalb nun die Internetsteuer her soll.

Wirtschaftsminister Mihaly Varga nahm den Gesetzesentwurf in Schutz. Er argumentiert, neue Kommunikationstechnologien hätten die Art der Nutzung von Telekom-Infrastruktur in den vergangenen Jahren verändert, weshalb man nun auch die Besteuerung anpassen müsse. Sein Ministerium erwartet jährliche Einnahmen von mindestens 20 Milliarden Forint durch die neue Steuer. Das wären umgerechnet rund 65 Millionen Euro.

Beobachter erwarten Mega-Kosten durch WWW-Steuer
Beobachter halten die Schätzung des Ministeriums für zu niedrig gegriffen. Betrachtet man die 2013 in Ungarn übertragenen Datenmengen, würde die Steuer weit mehr Geld einbringen. 1,15 Milliarden Gigabyte wurden 2013 über fixe Leitungen, 18 Millionen Gigabyte mobil übertragen. Das ergäbe bei einer Besteuerung von 49 Cent pro Gigabyte Einnahmen von 175 Milliarden Forint (rund 569 Millionen Euro), rechnet die Wirtschaftsberatungsfirma eNet vor. Nicht berücksichtigt ist dabei eine mögliche Deckelung der Steuer.

Bei Ungarns Providern macht sich angesichts der Pläne der Regierung nun Angst breit. Der Branchenverband der IT-, Telekommunikations- und Elektronikunternehmen Ungarns warnt: "Die wirklichen Verlierer der Internetsteuer sind nicht die Internetunternehmen, sondern ihre Kunden und Nutzer - und alle Ungarn, die nun die Services, die sie verwendet haben, zu weit höheren Preisen oder im Extremfall gar nicht mehr nutzen können."

Balazs Nemes, einer der Initiatoren der Facebook-Gruppe gegen die Internetsteuer, formuliert es noch drastischer: "In höher entwickelten Ländern wird Breitbandinternet als Teil der Menschenrechte betrachtet. Nur die finstersten Diktaturen wollen das Internet entweder finanziell oder mit bloßer Macht kontrollieren."

Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.



Kostenlose Spiele