Gefahr für Standort

Das sind die Folgen der Lehrlingsmisere

Wirtschaft
05.03.2016 09:02

Lange Jahre war Österreich zu Recht stolz auf sein Lehrausbildungssystem, denn die Firmen profitierten von qualifizierten Fachkräften, und zugleich war die Jugendarbeitslosigkeit niedrig. Das Konzept, dass junge Leute die Praxis im Betrieb und die Theorie in der Berufsschule lernen, gibt es so nur bei uns, in Deutschland und in der Schweiz. Viele andere Länder mit hoher Jugendarbeitslosigkeit schickten eigene Beauftragte, um sich von unserem Erfolgsmodell etwas abzuschauen. Doch in den vergangenen Jahren hat sich einiges geändert: Wir sind in eine Lehrlingsmisere geschlittert!

Von 2008 bis 2015 sank die Zahl der Lehrstellen in heimischen Betrieben von 128.233 auf 100.635 (siehe Grafik) - ein Minus von 27.598 Stellen. Ein Plus gab es nur bei den Plätzen in der gänzlich öffentlich finanzierten "überbetrieblichen Lehrausbildung" in diversesten Schulungszentren.

Johannes Kopf, Chef des Arbeitsmarktservice, analysiert die Ursachen für die Lehrlingserosion: "Ein Grund ist die demografische Entwicklung. Das heißt, es gibt wegen geburtenschwacher Jahrgänge weniger 15-Jährige als früher." Tatsächlich sank die Zahl der 15-Jährigen seit 2008 um 14 Prozent. Aber die Lehrlingszahl in Betrieben ging viel stärker, nämlich um 21,5 Prozent, zurück.

Kopf weiter: "Das liegt auch daran, dass wir 2008 die Wirtschaftskrise hatten und viele Firmen seitdem ihre Ausbildung zurückfahren. Ihr Argument: 'Wir können schlecht Jobs kürzen und gleichzeitig mehr Lehrlinge nehmen.'"

Nicht genug geeignete Jugendliche
Trotzdem klagen viele Unternehmen, keine geeigneten Jugendlichen für die Lehre zu finden. Kopf: "Wegen der Technisierung vieler Berufe bräuchten sie besser qualifizierte, lernfähige junge Leute. Diese bleiben aber öfter in AHS, HAK oder HTL, statt eine Berufsausbildung zu machen. Die, die sich heute für eine Lehre interessieren, sind also tendenziell schwächer als früher, während die Anforderungen eigentlich viel höher wären."

Doch diese Entwicklung "ist schlecht für die Betriebe und für uns alle". Über kurz oder lang werden den Unternehmen die für Produktion, Innovation und Wachstum notwendigen Fachkräfte fehlen. "Es kommt eine ernste Gefahr für den Wirtschaftsstandort Österreich auf uns zu", so Kopf.

Arbeitsmarktexperte sieht den Staat gefordert
Daher muss auf allen Ebenen gegengesteuert werden. Der Arbeitsmarktexperte spricht sich für bessere staatliche Förderungen aus. Es sei aber auch wichtig, dass die Politik wieder stärker auf bewusstseinsbildende Maßnahmen bei den Firmen setzt und die Werbetrommel für die Lehre rührt. Schließlich gehöre das Schulsystem reformiert, damit Jugendliche wieder besser ausgebildet sind.

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