"Krone"-Interview

Jamie Lawson: “Ich bin nicht Ed Sheeran!”

Musik
25.02.2016 14:54

Mit "Wasn't Expecting That" erschuf der hierzulande bislang unbekannte Singer/Songwriter Jamie Lawson im Herbst letzten Jahres seine eigene kleine Legende, das dazugehörige Debütalbum, das nun auch physisch erscheint, sollte die Karriere des smarten und sympathischen Spätstarters weiter vorantreiben. Wir haben den 40-Jährigen bei Tee und Kaffee zum gemütlichen Plausch getroffen und tief in das Seelenleben des gar nicht so melancholischen Künstlers geblickt.

(Bild: kmm)

"Krone": Jamie, die BBC beschrieb dich unlängst als "Mann der geglückten Chancen" - wie stehst du zu dem Statement?
Jamie Lawson: Sagen die das? Dann stimmt es wohl. Ich habe 20 Jahre lang hart gearbeitet um nun meine Chance zu nützen, insofern ist das durchaus korrekt.

"Krone": Deine Hit-Single "Wasn't Expecting That" geht gerade weltweit durch die Decke, obwohl der Song bereits vier Jahre alt ist und früher schon in Irland sehr erfolgreich lief. Warum funktioniert das jetzt global?
Lawson: Das liegt natürlich an Ed Sheeran, da brauche ich mich gar nicht rauswinden. Er kannte den Song schon lange und wir haben zusammengespielt, bevor er berühmt wurde. Wenig später kannte ihn jeder und mich noch niemand, aber es war im Prinzip sein Verdienst, dass der Song überall gespielt wird. Glücklicherweise ist er auch ein Typ, der macht, was er sagt. (lacht) So einen verrückten Kerl habe ich sonst noch nie getroffen.

"Krone": Deine Geschichte mit Ed ist ja ein modernes Märchen der Musikindustrie. Der Song selbst beginnt sehr fröhlich, endet aber mit dem Tod, hat kein Happy End. Sehr schwere Kost - ist die in gewisser Weise autobiografisch?
Lawson: Nein, absolut nicht. Es ist autobiografisch in dem Sinn, dass ich Leute kenne, die so eine Geschichte tatsächlich erlebt haben. Das ist wohl auch ein Geheimnis dieses Songs, dass sich jeder durch sich selbst oder auch Bekannte und Freunde in irgendeiner Weise mit dem Song identifizieren kann. Der Inhalt ist direkt aus dem Leben gegriffen. Meine Intention war, ein gesamtes Leben in einen Drei-Minuten-Song zu verpacken, ich wollte ihn aber nicht traurig enden lassen. Er musste so enden, weil er sonst nicht komplett gewesen wäre. Ich kriege von Leuten die berührendsten, herzerwärmendsten Botschaften, wenn sie erzählen, dass die Geschichte genau so auf ihre Eltern oder Großeltern zutrifft. So etwas bringt mich zum Weinen, damit hatte ich nie gerechnet. Ich bin sehr stolz darauf, dass ich diese Nummer geschrieben habe.

"Krone": Es gibt aber auch Millionen von Menschen, die diesen Song von dir beweinen.
Lawson: Ich finde es einfach großartig, dass in einer Zeit, in der alles nur mehr schnell gehen muss und man von Informationen erschlagen wird, sich so etwas Simples wie dieser Song durchsetzen kann. Ich bin einfach nur überrascht, dass es ein Song von mir ist.

"Krone": Du warst der erste Künstler, den Ed Sheeran für sein eigenes Label Gingerbread Man Records unter Vertrag genommen hat. Ärgert es dich manchmal, dass du permanent mit ihm in Verbindung gebracht wirst?
Lawson: Es ärgert mich nicht, es ist nur immer noch neu für mich und etwas ungewohnt. Er ist nun einmal verantwortlich für meinen Aufschwung und natürlich wird er dann immer genannt, wenn ich zum Thema werde. Manchmal kommt das so rüber, als ob er für die Songs verantwortlich wäre, die ich schreibe, was natürlich nicht stimmt. Aber ich bin ihm natürlich dankbar, denn er gab mir die Möglichkeit, mich wirklich groß in der Welt vorzustellen. Die Leute hören auf ihn, und das kommt auch mir zugute. Ich bin selbstsicher genug, dass die Leute meine Songs auch mit mir in Verbindung bringen werden und das sieht er sicher nicht anders.

"Krone": Habt ihr auch eine Kooperation geplant? Ein gemeinsames Album oder etwas in der Art?
Lawson: Ich hoffe schon, mir würde das gefallen. Ich weiß natürlich nicht, ob Zeit dafür ist, denn Ed ist die ganze Zeit unterwegs und will wohl auch mal seine Ruhe haben. Ich toure jetzt sicher noch ein Jahr mit diesem Album, aber es würde mir gefallen.

"Krone": Das aktuelle Album nennt sich einfach "Jamie Lawson" - willst du damit etwas Bestimmtes ausdrücken, dass du keinen anderen Titel gewählt hast?
Lawson: Einerseits soll das mein Selbstvertrauen in meine Gegenwart ausdrücken, andererseits einfach nur meine Faulheit. (lacht) Ich habe mir vier oder fünf Titel überlegt, aber mir hat nichts wirklich gefallen. Das Album musste fertig werden, ich hatte viel zu viel zu tun und konnte mich nicht auch noch darauf konzentrieren. Natalie Merchant und Ryan Adams haben ihre Alben auch nach sich selbst benannt. Ich dachte mir dann auch "Fuck It", ich mache es ihnen nach, das ist am einfachsten. (lacht)

"Krone": Du hast selbst gesagt, dass man gar nicht weniger Rock'n'Roll kriegen kann, als auf diesem Album. Magst du Rock'n'Roll etwa nicht?
Lawson: Darum geht es nicht wirklich, es geht da vielmehr um den Lifestyle in meinem Job, der mich absolut nicht interessiert. Ich sitze hier gerade mit dir und trinke Tee mit Honig, ich scheiß auf das Partyleben. Der schönste Part des Tages ist der, wenn ich auf der Bühne stehe und vor Leuten singe. Ich habe viele Bands kennengelernt, bei denen das Highlight die Sauferei nach den Auftritten ist, ich finde, das ist der grundfalsche Ansatz, da geht etwas total falsch. Ich bin jedenfalls kein Partytiger, ziemlich ruhig.

"Krone": Gibt es eigentlich einen roten Faden, der sich durch das Album zieht? Einen bestimmten Zusammenhang zwischen den einzelnen Songs?
Lawson: Hoffnung - wenn du mit "Wasn't Expecting That" beginnst, denkst du vielleicht nicht daran, aber der Inhalt des Songs dreht sich auch darum, dass die Protagonisten im Song das beste Leben hatten, dass du dir vorstellen kannst. Quasi das Ideal einer Beziehung. Jeder einzelne Schritt dieser Lovestory war ein Schritt nach vorne für das Paar. Sie haben nie gestritten, hatten drei wundervolle Kinder - ich habe den Song immer als fröhlich empfunden, trotz des tragischen Endes. Die anderen Songs auf dem Album vermitteln viel Hoffnung. Es geht auch darum, sich etwas zuzutrauen, den inneren Schweinehund zu besiegen und die Chancen, die einem das Leben bereitlegt, zu ergreifen.

"Krone": Hat das Album selbst ein Happy End?
Lawson: Ich weiß nicht so recht. Ich will einfach nur, dass dich dieses Album umarmt, wenn du das gerade gerne hättest - das war mein Ziel damit. (lacht) So schnulzig sich das auch anhört.

"Krone": Du hast auch die derzeit populärste Boyband des Planeten, One Direction, eine ganze Tour lang begleitet. Das passt eigentlich überhaupt nicht zusammen.
Lawson: Nicht oder? Sehe ich ähnlich, da stimme ich dir zu. Ich war anfangs sehr unsicher deshalb, habe aber aus zwei Gründen zugesagt. Einerseits konnte ich damit wirklich ein großes Publikum erreichen, das ich sonst wohl nicht treffen würde. Andererseits waren One Direction eine große Nummer auf Radio One und dort wollten wir mit "Wasn't Expecting That" hin. Am Ende klappte das mit dem Radio und dem Publikum. Die Leute dort waren so jung, dass sie mit ihren Eltern kamen, also hatten wir zwei Schichten von Besuchern, die mich erstmals hörten. Die Kids, die sich die Seele aus dem Leib schrien und die wesentlich ruhigeren Erwachsenen, die aber die Songs mochten. Am Ende funktionierte es auch bei den Kids, ich bekam nicht einen negativen Kommentar während der gesamten Tour. Mir wurde empfohlen mit einem One-Direction-Cover einzusteigen, was ich anfangs ziemlich seltsam fand. Ich tat es trotzdem und es war die goldrichtige Entscheidung. Es hat mir geholfen, die "Directioner" auf meine Seite zu ziehen und den Jungs, ihren Song in einer Akustikversion zu hören. Nach diesem Song wurden meine Songs mit offenen Armen empfangen und wenn am Ende 12.000 Leute mit dir mitsingen, dann ist das einfach unbeschreiblich.

"Krone": Du wurdest in Plymouth geboren, bist dort aufgewachsen und hattest dein ganzes Leben lang nur einen normalen Job - als du später in Dublin in einem Plattenladen gearbeitet hast. Du bist nun 40 - hast du wirklich immer durch die Musik überlebt?
einzige Grund, warum ich in Dublin überhaupt in dem Plattenladen gearbeitet habe, war der, dass ich mich nicht durchschmarotzen wollte. Wenn ich in ein anderes Land gehe, dann will ich dort auch arbeiten und meinen Beitrag leisten. Der Job war aber cool, das war tatsächlich ein Leben wie im Film "High Fidelity". (lacht) Wir hatten damals die Erlaubnis, aufzulegen was wir wollen und ich habe einen Singer/Songwriter auf den Plattenteller gelegt. Ein Gast war ganz erzürnt und gemeint, so etwas würde hier normalerweise nicht gespielt werden, aber das war mir egal, ich hatte ja die Vollmacht dafür. (lacht) Du siehst - es war wirklich so wie in "High Fidelity". Ich war etwa ein Jahr dort, hatte in dieser Zeit aber keine Auftritte als Musiker, was ja mein eigentlicher Plan war. Deshalb bin ich in Dublin gelandet, aber der Job hatte mir zu viel Zeit weggenommen. Ich will diese Zeit aber nicht missen, sie war fantastisch.

"Krone": Wo sind eigentlich die Unterschiede, wenn du mit One Direction vor mehr als 10.000 Leuten spielst und sonst in irischen Pubs oft vor 20-30 Trunkenbolden?
Lawson: Da gibt es gar keinen großen. Es geht darum, dass man ein Album macht, auf das man stolz ist. Passiert das, dann ist der Erfolg zweitrangig, weil man ja selbst im Reinen damit ist. Die Performance ist sowieso immer dieselbe, egal vor wem und wie vielen Leuten. Es sind ja immer noch dieselben Songs. Wichtig sind auch Interaktion und Kommunikation mit dem Publikum, das mache ich extrem gerne. Ich bin im Prinzip nie nervös, das war ich auch nie. Bei den kleineren Shows sogar noch eher, weil alles intimer ist und du wirklich jedem ansiehst, ob ihm das jetzt gerade gefällt, was du spielst, oder eben nicht. Nervosität verspüre ich am ehesten, wenn ich etwas für das Fernsehen machen muss, in Shows auftrete, aber auch das ist toll, weil man selbst reift und viel lernt.

"Krone": In der Dankesliste deines Albums kommen deine Brüder, deine Mutter und deine Freundin Catherine an erster Stelle. Wie wichtig war die Familie für deinen bisherigen Karriereverlauf?
Lawson: Meine Familie war immer großartig. Meine Eltern haben mir niemals gesagt, ich müsse mir einen herkömmlichen Job suchen, was ja eigentlich den meisten Musikern irgendwann passiert. Das war bei uns nie ein Thema, nicht einmal. Deshalb habe ich mir auch nie Gedanken darüber gemacht und bin immer meiner Intention gefolgt. Die Leute um mich herum hatten immer Vertrauen und ich selbst nie Zweifel. Sagen wir so - ich hatte keine Zweifel in meine Fähigkeiten, nur war ich nicht sicher, ob mir der Durchbruch gelingen würde. Das sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Etwas Glück braucht man eben und ein Backup ist extrem wichtig.

"Krone": Deine Freundin hatte über die Jahre auch niemals Zweifel, du hattest niemals einen Plan B?
Lawson: Nein, hatte sie nie und hatte ich nicht. Ich habe einen Plan B sogar bewusst vermieden, damit ich total fokussiert bin. Ich finde auch, dass es jetzt noch zu früh ist zu sagen, ich hätte es geschafft, da fehlt wohl noch etwas dazu. Natürlich bin ich jetzt in einer besseren Position, aber durch bin ich noch lange nicht.

"Krone": Hattest du sonst irgendwelche anderen Interessen neben der Musik?
Lawson: Eine Zeit lang wollte ich Kunstlehrer werden. Das lag wohl auch daran, dass ich das Fach in der Schule mochte und noch lieber meinen damaligen Lehrer. Ich war immer jemand, der kreativ sein musste. Zuerst war die Kunst, dann die Fotografie, am Ende die Musik. Dort blieb ich dann hängen.

"Krone": Gab es einen bestimmten, zündenden Moment, in dem du wusstest, die Musik ist das richtige für dich?
Lawson: Nicht so wirklich. Ich bin damals nach London gezogen, um die Musik zu erfassen. Ich war damals im Kunstcollege und ziemlich schlecht drauf und mein Lehrer fragte mich: "Was willst du denn machen?" Ich antwortete mit: "Ich will singen", und er meinte, dann nur, dann soll ich es eben tun. Das klang so, als ob es auf der ganzen Welt nichts Einfacheres geben würde. Anfangs war ich unsicher, aber zwei Wochen später brach ich die Ausbildung ab und konzentrierte mich auf die Musik in London.

"Krone": Hat es dich zwischenzeitlich deprimiert, dass du über die Jahre gar so viel Geduld für deine Karriere aufbringen musstest?
Lawson: Gute Frage, deprimiert war ich wohl nicht, das ist zu hart ausgedrückt. Ich hatte immer genug Menschen um mich, die mir zusprachen und mich unterstützten. Nach dem zweiten Album hatten wir eine geplante Show im Radio, aus der dann nichts wurde. Das war zwar sehr enttäuschend, aber nicht zwingend deprimierend. Vor zwei Jahren war ich am tiefsten Punkt angelangt. Ich habe damals auf einer Hochzeitsmesse gespielt, um einen Job als Hochzeitssänger zu ergattern. Das war wirklich etwas, was mir vorher nie in den Sinn kam, weiter runter ging es für mich glücklicherweise nicht. Ich glaube einen Gig hatte man mir damals zugesagt und den habe ich gecancelt, weil Ed Sheeran im Wembley spielte und ich mir lieber das angesehen habe. (lacht)

"Krone": Die nächsten Jahre hat sich deine Karriere fundamental verändert. Wie hast du dich über die Zeit verändert?
Lawson: Ich bin heute wesentlich müder, weil ich viel weniger schlafe. (lacht) Davon abgesehen bin ich wohl ziemlich derselbe geblieben. Wenn es um die Arbeit geht und etwas zu erledigen ist, dann reiß ich mich auch an schlechten Tagen zusammen und ziehe es durch. Ich nehme alle möglichen Chancen wahr und drehe nichts ab, was ich später bereuen könnte. Früher war ich vielleicht eher noch so der Prokrastinierer, der alles verschoben hat, das hat sich wirklich radikal geändert. Das funktioniert auch, bis auf die Buchhaltung. Die schiebe ich immer so weit hinaus wie nur irgendwie möglich, denn ein Büro finde ich langweiliger als alles andere. (lacht) Aber gut - es ist nicht alles Glamour, auch da muss man durch.

"Krone": Singer/Songwriter sind bekannt dafür, sich jeden Tag Songs oder Songfragmente einfallen zu lassen. Wie sieht das bei dir aus?
Lawson: Derzeit passiert gar nichts. Ich bin ja damit beschäftigt, zu reisen, zu touren und ohne Unterlass Interviews zu geben. Ich denke mal Anfang 2017 kann man mit dem nächsten Album rechnen.

"Krone": Somit musst du jetzt ohnehin einmal ordentlich touren.
Lawson: Exakt, das geht im Prinzip das ganze Jahr so weiter. In Großbritannien, Resteuropa, Australien, sechs Wochen mit Joy Vance in den USA und einige dieser Länder sogar zwei- oder dreimal. Du siehst also - es wird nicht langweilig. (lacht) Irgendwann dazwischen werde ich auch ein paar Songs schreiben, um ein Album aufnehmen zu können.

"Krone": Hast du bestimmte Wünsche oder Ziele für die nähere Zukunft?
Lawson: Das ist verrückt. Mein großer Traum war immer ein Nummer-eins-Album, das ist mittlerweile erledigt. Außerdem wollte ich immer mal in Shepherd's Bush Empire in London spielen und das haben wir mittlerweile ausverkauft. Auch das ist somit abgehakt - welche Träume bleiben da? (lacht)

"Krone": Vielleicht mit Inspirationsquellen oder musikalischen Helden von dir zusammenzuspielen?
Lawson: Exakt, daran denke ich in diesem Fall auch als erstes. Ich würde sehr gerne etwas mit Elbow machen, auch Paolo Nutini wäre großartig. Ich habe ihn schon mehrmals getroffen, vielleicht sollte ich mich einfach mal zusammennehmen und ihn einfach fragen. Er ist ein toller Kerl, das wäre wirklich fein. Ich habe derzeit recht alternative Träume, aber die sind mir am wichtigsten.

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