"Krone"-Interview

A Life, A Song, A Cigarette: Liquido in leiwand

Musik
25.01.2016 11:28

Auf "All That Glitters Is Not Gold" zeigen sich die Wiener Indie-Folker A Life, A Song, A Cigarette nicht nur melancholisch und nachdenklich, sondern auch poppig und vielschichtig. Vom Ballast der Jugend befreit, sind die Wiener auf ihrem vierten Studioalbum in vielen Bereichen wie neu geboren. Wir haben uns mit der Band im Wiener Café Rüdigerhof unterhalten.

(Bild: kmm)

Mit dem Erwachsenwerden geht immer eine kräftige Portion Wehmut einher. Es ist nicht nur das schleichende Betreten eines völlig neuen Lebensabschnitts, sondern auch die Abnabelung von gängigen Verhaltensmustern, gefühlter Verantwortungslosigkeit und der Leichtigkeit des Seins. A Life, A Song, A Cigarette, der Wiener Combo, der nur mehr der Terminus "Bier" für eine perfekte österreichische Künstlerbiografie im Bandnamen fehlt, ist diese Veränderung auch gewahr geworden, schließlich gehört man längst nicht mehr zu den gehypten Indie-Folkern, die 2007 mit dem Debüt "Fresh Kills Landfill" sogar die internationale Alternative-Presse zum fröhlichen Jauchzen verleitete. Das Quintett blieb aber stets geerdet, sorgte sich weder um Vorschusslorbeeren, noch um himmelhohe Lobpreisungen, sondern drehte viel lieber beständig und stressfrei selbst am Rad der Karriere.

Neubeginn statt Ende
"Wichtig ist, dass man geistig dort ist, wo man sich gerade physisch befindet", erklärt Keyboarder und Cellist Lukas Lauermann im "Krone"-Interview die Wichtigkeit der Band. Wie alle seine Kollegen tanzt auch er gekonnt auf vielen musikalischen und beruflichen Parketts, was wohl ein Mitgrund dafür war, dass die Gerüchteküche nach dem letzten Album "Tideland" im Jahr 2012 ein Ende der Band voraussagte. Für die ALASAC-Mitglieder ist das nicht neu, aber immer noch überraschend: "Wir haben uns einmal an der Bar getrennt ohne zu sagen, wann genau wir uns wieder treffen würden. Das blieb einfach offen", erklärt Gitarrist Hannes Wirth. Sänger Stephan Stanzel präzisiert: "Es war tatsächlich nie das Ziel, ein ganzes Album aufzunehmen." Dass sie es schlussendlich doch gemacht haben, trotz aller Widrigkeiten, die das Musikbusiness in der Gegenwart so mit sich bringt, ist nicht nur ein Geschenk an die Fans, sondern an die gesamte heimische Popmusik-Szene.

In unregelmäßigen Abständen fanden sich die Musiker zusammen, um über 15 Monate hinweg an Songs zu schreiben. Drei Lieder seien in dieser Zeit entstanden, die restlichen acht dann innerhalb von zehn weiteren Monaten, als das neue Label Wohnzimmer Records die längst fällige Deadline in Aussicht stellte. Ein wesentlicher Bestandteil für das erfolgreiche Gelingen war ihr neuer Produzent Stefan Deisenberger, der schon Alben von Naked Lunch und Stanzels zweiter Band Nowhere Train klanglich veredelte. "Wenn man so will haben wir nach einer Führung gesucht und wollten uns endlich wieder auf einen Produzenten einlassen - bei ,Tideland' haben wir das noch selbst gemacht", erklärt Schlagzeuger Daniel Grailach, "wir merkten schnell, dass uns gefällt, was er mit unserem Material macht und er hat vor allem Stephans Stimme verändert und intensiviert - das sticht auf "All That Glitters Is Not Gold" gut heraus.

Dur dank Moll
Im Albumtitel schwingt ähnlich viel Melancholie mit, wie in den einzelnen Kompositionen. Den Vorwurf, eine akustische Trauerweide zu sein, wollen ALASAC aber keinesfalls auf sich sitzen lassen. "Ohne Empathie lässt sich eben keine Musik machen", erläutert Grailach, "wir wollen jetzt nicht nach Weltschmerz klingen, aber man erlebt derzeit vieles, das arg ist. Nur steigen wir da nicht drüber, sondern befassen uns damit. Der Moll-Akkord ist da, damit der Dur-Akkord seine Berechtigung hat." Der Kärntner Schlagzeuger zieht gerne eine Einschätzung über Helmut Qualtinger als Vergleich heran: "Melancholisch war er vielleicht, aber bis zu einem gewissen Grad muss jeder denkende Mensch melancholisch sein". Oder um den urösterreichischen Humor zu bedienen: Wenn das Glas halbleer ist, dann wird einfach ein neues bestellt.

Doch Grund Trübsal zu blasen hätte das Quintett ohnehin nicht, gelang mit "Blindhearted" nicht nur der vielleicht eingängigste und poppigste Song der Bandgeschichte, sondern damit einhergehend auch eine Dauerrotation auf FM4. Die markante, von Lauermann innerhalb von nur zehn Minuten komponierte, Klavier-Melodie fräst sich dabei so unnachgiebig ins Hirn, dass man selbst den Ö3-Programmentscheidern die Integrierung dieser Nummer zutrauen würde. Wirth vermutet, woran es scheitern könnte: "Bis zum ersten Wumms im Song würde das sicher funktionieren. Dann wohl nicht mehr. Eigentlich klingt die Nummer wie Liquido, nur in leiwand", fügt er lachend hinzu. Das Erwachsenwerden, der Reifeprozess - all diese Themen findet man auch in diesem Erfolgssong, in dem Stanzel und Knobloch quasi gleichermaßen ihre Erfahrungen zu den Themen Beziehungen, Verlust und Ängste darlegten. "Das nennt man wohl empathisches Musizieren", fügt Knobloch an, "wir haben uns wohl gegenseitig befruchtet."

Sehnsuchtsbefriedigung
Auch rund um die Erfolgsnummer lassen sich viele interessante Kurzkapitel finden, die, dem Wunsch der Band gemäß, am besten zur Eigeninterpretation animieren sollten. "Simmering (Part II)" ist eine geografisch unbegrenzte Ode an das Loslassen und Wiederzurückfinden des sicheren Heimathafens, "Poisoned By The News" prangert die inflationäre und auch reißerische Medienberichterstattung an und das fast schon countryeske Abschlussstück "Intercity 69" erweist sich als Hymne der Entspannung. All das wird getragen von zarten Gitarren, großen Melodiebögen und intensivem Gesang. "Die Zugfahrt ist für mich eine gewisse Sehnsuchtsbefriedigung", beschreibt Stanzel "Intercity 69", "die Landschaft vorbeiziehen sehen und Zeit für sich selbst zu finden ist einfach extrem entspannend. Im Song kommen natürlich Orte vor, die mir ans Herz gewachsen sind. Hamburg etwa ist meine deutsche Lieblingsstadt, Belgrad mögen wir auch und zudem bin ich großer Griechenland-Fan. Jedenfalls ist die Chance größer, dass ich mir mal ein Bauernhaus auf einer griechischen Insel kaufe, als dass ich nach Niederösterreich ziehe." Das wäre dann wohl der nächste Lebensabschnitt der gereiften Combo, die sich trotzdem mit spitzbübischer Lockerheit durch die Kompositionen pflügt. Potenzielle Hit-Single hin oder her.

Life zu sehen sind A Life, A Song, A Cigarette am 12. Februar im St. Pöltner Vinzenz Pauli, am 25. Februar in der Cinezone Krems, am 4. März in der Red Box Möding und am 11. März bei ihrer offiziellen Release-Show im Wiener Theater Akzent.

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