"Krone"-Interview

Slipknot: “Wir sind wie ein Football-Team”

Musik
23.01.2016 17:00

Vor einem guten halben Jahr erschütterten sie mit ihren explosiven Metal-Hymnen das Nova Rock im beschaulichen Burgenland in seinen Grundfesten, in wenigen Tagen kommen die US-Maskenmänner Slipknot in die Wiener Stadthalle, um für harte Riffs und eine schweißtreibende Show zu sorgen. Wir haben uns im Vorfeld bei Sänger Corey Taylor um das werte Befinden erkundigt und einige interessante Antworten über die Bandzukunft, sein nächstes Buchprojekt und die Idioten dieser Welt erhalten.

(Bild: kmm)

"Krone": Corey, gerade eben haben Guns N' Roses bekanntgegeben, dass sie mit Slash und Axl Rose gemeinsam wieder auf die großen Bühnen der Welt zurückkehren - du hast erst vor wenigen Monaten gesagt, dass du sofort aufhörst zu touren, sollte das wirklich passieren. Was machst du denn jetzt?
Corey Taylor: (lacht) Ich würde die Leute dazu anhalten, das so als Scherz zu verstehen, wie ich es auch gemeint habe. Ich schwöre dir, die moderne Technologie ist der Tod des Humors. Es ist so albern, die Leute schreiben mich sogar auf Twitter an und beschimpfen mich deswegen - verdammte Idioten. Auch das meine ich nicht bierernst und wenn ich wo "Idiot" schreibe, werde ich wiederum dafür angegriffen. Mann, die Leute sollen endlich erwachsen werden und sich die Hosen selber anziehen.

"Krone": Dass du ein Mann der Ironie bist, ist kein großes Geheimnis. Auf deiner Facebook-Seite hast du einen bestimmte Neujahrsvorsatz gepostet: "Hör auf, so viel Scheiße zu labern", und dich damit selbst gemeint.
Taylor: Ich habe die schlechte Angewohnheit, sofort alles raus zu posaunen, was mir gerade in den Sinn kommt. Es fällt mir verdammt schwer, meine Meinungen für mich zu behalten. (lacht) Einerseits gibt es Leute, die halten das für einen Teil meines Charmes, andererseits sind eben viele der Meinung, ich würde zu viel Stumpfsinn verbreiten. Ehrlich gesagt haben wohl beide in gewisser Weise recht. Ich bin mir nicht sicher, ob ich komplett aufhöre, Mist zu verzapfen, aber ich werde mich definitiv stärker zurückhalten. Wie auch immer - die Leute machen es mir jedenfalls nicht leicht, das auch so durchzuziehen, denn auf dieser Welt rennen leider extrem viele Idioten herum. (lacht)

"Krone": Andererseits beschweren sich alle über die immergleichen PR-Sätze vieler Musiker, während du echt und greifbar bist.
Taylor: Das stimmt schon, aber gleichzeitig ist es in der heutigen Zeit verdammt schwierig geworden, ehrlich zu sein. Du kannst eigentlich gar nichts mehr sagen, ohne irgendjemanden zu beleidigen oder auf die Füße zu treten. Die Menschen sind so sensibel, das ist kaum zu fassen. Die Leute haben im Prinzip keine Ahnung, was es wirklich heißt, beleidigt zu werden. Wir leben heute in einer sehr seltsamen Welt. Glaub mir - für mich ist es wirklich schwierig, mich zurückzuhalten und selber mal ruhig zu bleiben. Es ist einfach verrückt, es gibt so viele Menschen, die kapieren keine Witze und können weder mit Kritik, noch mit irgendetwas anderem umgehen. Als jemand, der selbst sehr oft und stark kritisiert wird sage ich dir hier und jetzt, dass es bei weitem nicht so hart ist. Du musst halt auch mal dazu stehen, was du tust.

"Krone": Kommen wir zu Slipknot - 2015 war ein sehr starkes Jahr für die Band, da ihr das ganze Jahr über die Welt betourt habt und euer wirklich starkes Album ".5: The Gray Chapter" vorstellen konntet. Würdest du das Jahr auch positiv bilanzieren?
Taylor: Absolut. Vor allem deshalb, weil wir nicht erwartet haben, dass es so gut läuft. Vor der Veröffentlichung des Albums verstarb bekanntlich unser Bassist Paul Gray und wir haben uns von Drummer Joey Jordison getrennt. Wenn man unter diesen Voraussetzungen ein Album veröffentlicht, dann erwartet man sich nicht allzu viel. Wir wollten einfach nur ein Album für uns machen und schauen, was damit passiert. Dass sich unsere Popularität fast verdoppelt hat, hat uns nicht nur überrascht, sondern schlichtweg umgeworfen. Wir konnten im Prinzip dort weitermachen, wo wir einst gestoppt haben und das ist nicht vielen Bands vergönnt. Wir haben ja nicht nur das Album rausgebracht, sondern auch mit unseren Lieblingsbands getourt und das "Knotfest" aus dem Boden gestampft, zudem zwei-, dreimal die Welt betourt - so groß wie nie zuvor. 2015 war total unerwartet, aber in dem Sinn natürlich sensationell.

"Krone": Wie hat es sich für euch angefühlt, das erste Mal so exzessiv und lange ohne Paul Gray zu touren?
Taylor: Es war natürlich hart, aber wir haben bereits davor ohne ihn getourt - nur nicht so lange und intensiv. Wir mussten wieder auf unsere Füße zurückkommen und uns daran erinnern, wer wir als Band und Personen sind. Als wir nach Paul also "Slipknot 2.0" reanimierten und das Album einspielten, war es so, als ob wir uns wieder neu kennenlernen würden - nicht nur die neuen Mitglieder, sondern auch uns alte Hasen. Das hat schon kurz gedauert, aber danach haben wir uns quasi wieder selber erlaubt, uns und unsere Arbeit zu genießen. Wir haben uns anfangs ein bisschen schuldig dafür gefühlt, aber wir wussten auch, dass Paul das schätzen würde. Schließlich hat niemand die Band so gemocht wie er. All das wäre auch in seinem Sinne gewesen. Wir sind auch nur Menschen, aber sobald wir auf den Bühnen waren, haben wir wieder entdeckt was es bedeutet, ein Bandmitglied von Slipknot zu sein.

"Krone": Am 26. Jänner kommt ihr glücklicherweise wieder in die Wiener Stadthalle, eure Show beim Nova Rock letztes Jahr war herausragend. Wie viel Fitness steckt denn hinter so einer explosiven Bühnenpräsenz? Immerhin seit ihr alle keine 20 mehr, sondern steckt teilweise tief in den 40ern.
Taylor: (lacht) Leicht war es ja ohnehin nie, aber heute ist es natürlich schwieriger. Ich bin vor kurzem 42 geworden und bei weitem nicht der älteste in der Band. Ich mache drei- bis viermal die Woche ein Workout, um physisch fit genug für die Bühne zu sein. Es ist so, als ob du in einem American-Football-Team spielen würdest. Das Gute an Slipknot war immer, dass wir stets wir selbst waren. Wir haben mit fortschreitendem Alter auch unsere Bühnenpräsenz darauf angepasst - aber das alles ohne Konzept, sondern auf total natürlichem Weg. Wir versuchen eben erst gar nicht die gleiche Show zu präsentieren, wie vor 15 Jahren. Das wäre weder uns, noch unseren Fans gegenüber sinn- und respektvoll. Wir liefern den Leuten noch immer einen absoluten Höllenritt, aber wir sind noch so dämlich zu glauben, dass wir dieselbe Show wie im Jahr 2000 liefern können.

"Krone": Vor der Bühne kriegt man jedenfalls wenig davon mit, da ihr immer noch wie eine Meute hungriger Wölfe von einem Eck ins andere hetzt.
Taylor: Dafür gehe ich auch ins Fitnesscenter, denn es ist nicht einmal annähernd so leicht wie früher, aber wenn man wenig Unterschiede bemerkt, dann machen wir es richtig. (lacht) Man muss es auch wollen und Spaß daran haben. Du siehst bei vielen Bands, dass sie keine große Lust mehr darauf haben, dass es ihnen an Herz und Seele dazu fehlt. Für uns ist die Liveshow immer noch das Größte - nichts bedeutet uns mehr.

"Krone": Könnt ihr mit Slipknot nach den letzten 17 Jahren eigentlich noch etwas erreichen? Habt ihr noch immer Ziele, denen ihr nachjagt?
Taylor: Ich denke schon. Bands wie Iron Maiden oder Mötley Crüe inspirieren mich sehr stark, weil sie immer Wege gefunden haben, sich live neu zu erfinden. Es braucht Zeit, Einsatz, Kreativität, Geld und den richtigen Willen. Wenn du etwas Spezielles schaffen willst, dann musst du zuerst zurückschauen und reflektieren, was du bereits gemacht hast. Du musst immer etwas finden, das aufregend ist und deine Liebe zu deinem Job verstärkt. Das ist für mich auch das Aufregende an Slipknot - wir haben in die Zukunft geschaut, darauf geachtet, was wir als nächstes machen können, die Band vorwärts bringen können. Eine wichtige Frage war immer: Was können wir machen, damit wir genauso aufgeregt sind wie die Fans? Man muss einfach immer kreativ sein und keine Angst haben, neue Territorien zu betreten. Wenn du danach suchst und dir das wichtig ist, dann wirst du auch Lösungen finden.

"Krone": Das bedeutet im Umkehrschluss, dass ihr auch neue Songs schreiben werdet?
Taylor: Absolut, das ist einer der Gründe, wa 16. Lebensjahr unverändert intensiv. Ich liebe den ganzen Prozess, das Suchen und Entdecken und auch das Präsentieren meiner Ideen. Das hält mich auch frisch und motiviert. Weder wir als Band, noch ich als Einzelkünstler wollen sich wiederholen. Für mich geht es immer um das Entdecken von Dingen, die mir noch unbekannt sind und diese dann passend umzusetzen.

"Krone": An den vereinzelten Gerüchten, dass sich Slipknot nach den angekündigten Shows 2016 auflösen werden, ist also nichts dran?
Taylor: Nein, definitiv nicht. Wir hören all diese Gerüchte und lachen darüber. Sobald wir uns aber ganz offen dazu äußern würden, würden wir unsere Credibility zerstören. Gerüchte sind Gerüchte - jeder hat sie und jeder will sie gerne teilen. Das ist einfach albern und wenn du zu viel Zeit und Energie darin verschwendest, kann das oft zu richtiggehenden Kämpfen führen. Wir können aber darüber lachen, weil wir offen darüber reden und uns in der Band auch sagen, wie wir uns fühlen, was gerade anliegt. Wir haben es bislang immer noch geschafft, einen gemeinsamen Nenner zu finden und gerade deshalb haben wir es nie zugelassen, dass Gerüchte in unser Gefüge eindringen und uns verletzen.

"Krone": Weil wir vorher schon angeregt über eure Frühzeit gesprochen haben - kann sich der 42-jährige Corey Taylor noch immer mit den Songs vom Debütalbum aus dem Jahr 1999 identifizieren? Ist das überhaupt noch möglich?
Taylor: Es ist eine seltsame Dynamik, dass ich mit 42 die Songs eines 25-Jährigen singe und sie sich noch immer frisch und relevant anfühlen. Natürlich habe ich nicht mehr dieselben Probleme wie früher, aber ich kann mich gut an mein eigenes Ich zurückerinnern und weiß noch genau, wer ich einst mental und emotional war. Insofern kann ich mich immer noch in Songs wie "Wait And Bleed" oder "Eyeless" hineinversetzen. Ich erinnere mich immer noch an den Schmerz von damals. Du kannst ihn über die Jahre verarbeiten, aber er wird niemals verschwinden. Die Texte haben für mich heute nicht mehr die gleiche Bedeutung wie damals, aber ich fühle mich ihnen noch immer nah, kann mich mit ihnen identifizieren. Mir ist auch bewusst, dass Millionen von Slipknot-Fans diese Songs hören wollen, also gehe ich so passioniert wie möglich an die Sache ran. Du magst vielleicht den einen oder anderen Song satt haben, aber in der Minute, in der du die Bühne betrittst, gehört der Song nicht mehr dir, sondern den Fans. Deine persönliche Präferenz hat dort oben nichts zu suchen. Niemand will die Nachrede haben, dass sich die Fans mehr von dir erwartet hätten. Du willst jeden Abend die verdammt beste Show deines Lebens abliefern.

"Krone": Deine Passion erstreckt sich nicht nur über die Musik, sondern geht weiter bis hin zum Schreiben und Schauspielern. Was ist in diesen Bereichen bei dir künftig geplant?
Taylor: Das Coole an der Sache ist, dass ich derzeit in einer Position bin, wo diese tollen Sachen auf mich zukommen und ich nicht aktiv danach suchen muss. Ich finde diesen Weg sehr geschickt, denn würde ich mich selbst zu stark nach den anderen Möglichkeiten erstrecken, dann wäre ich etwas abgekapselter von der Musik. Ich bin in erster Linie Sänger, Musiker, Songwriter und Entertainer - das würde ich vielleicht etwas schleifen lassen, wäre ich selbst so aktiv hinter den anderen Sachen her. Ich hatte Riesenspaß dabei, den Horrorfilm "Fear Clinic" zu drehen und habe auch eine Rolle im kommenden Film von Clown (Slipknot-Mitglied - Anm.) - das habe ich tatsächlich genossen. Sollten wieder Rollen meines Weges kommen, bin ich absolut offen dafür, aber ich werde sie nicht proaktiv suchen. Ich bezeichne mich auch nicht als Schauspieler, sondern als jemanden, der dort hin und wieder mitspielt.

"Krone": Wenn wir zum Schreiben kommen - was soll denn nach deinem aktuellen Buch "You're Making Me Hate You" noch kommen? Im Prinzip ist das das Ende aller Buchtitel.
Taylor: (lacht) Da hast du Recht. Die Leute wollen wohl eine Fortsetzung davon lesen, ich selbst könnte eine ganze "You're Making Me Hate You"-Bücher schreiben, weil ich ein Typ bin, dem einfach viel gegen den Strich geht. Wenn ich also Lust dazu haben, habe ich diese Thematiken auch weiterhin in der Hinterhand. Ich habe eine Idee für ein Buch namens "America 51". Dort soll einfach alles Verrückte und Abgedrehte meines Heimatlandes überprüft werden. Ich versuche gerade noch, diese Ideen zu einer stringenten Story herunterzubrechen, denn jedes Buch braucht ein überbordendes Thema. Da die USA aber so viele verschiedene Sachen für so viele verschiedene Menschen repräsentiert, ist es nicht so einfach, eine Linie zu finden. Jeder sieht dieses Land anders und es gibt so viele verschiedene Arten, Amerikaner zu sein. Was mache ich also? Versuche ich mich in dem Stoff festzubeißen und Amerika kritisch zu beäugen, oder versuche ich die wärmeren, netten Gefühle meinem Land gegenüber offenzulegen? Ich könnte auch über die tollen Sachen schreiben, über die niemand spricht. Wie auch immer - es wird jedenfalls mein nächstes Buchprojekt sein.

"Krone": Weil du von den vielen Dingen sprichst, die dich verärgern. Euer letztes Album wurde unlängst für die kommenden Grammys nominiert als "bestes Rock-Album" - neben Künstlern wie James Bay oder Death Cab For Cutie. Verärgern dich solche Entscheidungen?
Taylor: Ich finde es eher amüsant. Ich glaube einfach nicht, dass die verstehen, was Rock ist und ich weiß mit Sicherheit, dass sie dort keine Ahnung von Heavy Metal haben. Eine Grammy-Nominierung ist etwas, über das ich mich wirklich freuen sollte - 2005 haben wir für den Song "Before I Forget" sogar schon einen gewonnen. Das war für die beste "Metal Performance". Ich denke aber, ich würde mich mehr über diese Nominierung freuen, wenn mehr Metal-Bands in mehr als nur zwei Kategorien geschätzt und ausgezeichnet werden würden. Ich finde es einfach ironisch, dass es das "beste Rock-Album" noch gibt, während man die "Metal- und Rock-Performances" längst zusammengelegt hat. Während es für Rock- und Metalbands also nur mehr zwei Möglichkeiten gibt, werden Pop- oder Hip-Hop-Acts in allen möglichen Bereichen, quer durch alle Genres, nominiert. Wie kannst du dann also als solcher Künstler ohne Grammy nach Hause gehen? Wir hingegen wurden von Anfang an von den hohen Business-Tieren in bestimmte Genres eingeteilt, marginalisiert. Die Grammys sind einfach nur ein Popularitätscontest, insofern ist es eine nette Auszeichnung, aber ich brauche sie nicht, um zu wissen, dass Millionen von Fans auf der ganzen Welt unsere Arbeit und Songs lieben, respektieren und wertschätzen. Ein Grammy ändert daran einfach gar nichts. Sie sollen ruhig ihre kleine "Prom-Queen-Verleihung" machen - ob wir aber gewinnen oder nicht, ist mir völlig egal.

Slipknot werden mit den 80er-Hardcore/Thrash-Legenden Suicidal Tendencies am 26. Jänner die Wiener Stadthalle zum Beben bringen. Karten gibt es noch unter 01/588 85-100 oder im "Krone"-Ticketshop.

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