"Chamäleon"

Das wunderbare Leben des David Bowie

Musik
11.01.2016 09:33

Er war der Großmeister der Vielfalt. So viele unterschiedliche Rollen wie David Bowie hat in der Welt der Musik bisher kein anderer gespielt. Keine Pose war ihm je zu exzentrisch, kein Kostüm zu verrückt, um die Aufmerksamkeit des Publikums zu erringen. Seine Wandlungsfähigkeit hat ihm den Spitznamen "Chamäleon" eingetragen. Auch die Rolle des gealterten Pop- und Rockstars gab Bowie mit höchster Perfektion.

(Bild: kmm)

Den inneren Kraftquell, der dafür sorgte, dass Bowie bei aller Wechselhaftigkeit immer noch Bowie blieb, hatte der Superstar einst aus Asien mitgebracht: Seit Jahren war der Mann, der zu den reichsten Künstlern Großbritanniens gehörte, aber meistens in New York lebte, aktiver Buddhist. Aus dieser humanen Grundüberzeugung heraus engagierte sich Bowie oft für die Wohltätigkeit. Wohl auch, weil er durch seine schöne, aus Somalia stammende Model-Frau Iman gelernt hat, wie viele Menschen dort und in etlichen anderen Ländern im Elend leben.

Veränderung zur Ruhe
"Alles hat sich verändert" - so lautete im Jahr 2000 Bowies gesungene Erkenntnis. Wenige Monate zuvor, im August, hatte Iman seine Tochter Alexandra zur Welt gebracht. Für Bowie Anlass genug, sich zurückzulehnen, über sich, seine Lieben und das Leben nachzudenken. Ein Ergebnis war das Album "Heathen" - ein wunderbares Comeback nach einer Zeit des Abtauchens, und ein ganz erstaunlicher Auftritt: nachdenkliche Texte, besonnene, fast spirituelle Rhythmen, ungeschminkt und ohne den glitzernden Firlefanz, der früher bei Bowie meist dazu gehörte.

Wo sind bloß die Zeiten geblieben, da Bowie auf der Bühne oft genug die Erotomanen-Show von Mick Jagger noch überbot, fragten sich viele beim "Heathen"-Hören. Wohin war "Major Tom" verschwunden, Bowies Alter ego aus der Rock-Science-Fiction-Phase? Und der außerirdisch-bisexuelle Typ Ziggy aus "The Rise And Fall Of Ziggy Stardust And The Spiders From Mars", der bleiche "Thin White Duke" oder auch Bowie im Frank-Sinatra-Stil? Drogen, insbesondere Heroin, waren Zutaten einer langen Phase der Exzentrik in Bowies Leben und Schaffen. Sie brachten ihn dem Abgrund nahe, zugleich aber wurde sein ungeheurer Kultstatus als "Chamäleon" der Rockszene begründet und gefestigt.

Karrierehighlight Berlin
Schließlich lag in der zweiten Hälfte der 70er-Jahre Berlin am Wegesrand des umtriebigen Briten. Die Atmosphäre in der eingemauerten und ebenso spannenden wie entspannenden Frontmetropole half ihm, die Geißel Heroin zu besiegen. Hier entstand "Heroes", das Album, das manche für sein bestes halten. Die Drogenerfahrung sang er sich damit aus dem Leib. Und der Titelsong ging ein in den Soundtrack zu "Christiane F. - Wir Kinder vom Bahnhof Zoo."

Was in den 80ern kam, war quasi Filterpop, befreit vom Düsteren der Drogenphase, geradeaus, aber ebenfalls ungemein professionell. Kommerziell war diese Zeit erfolgreicher als alles, was Bowie davor versuchte, mit Welthits wie "Let's Dance" und "China Girl". Dennoch blieb er sich treu. Er bot eingängigen und doch zugleich so anspruchsvollen Pop, dass er weiterhin zur Avantgarde gerechnet wurde.

Liebeserklärung an die neue Heimat
Schließlich gelang Bowie 2003 mit "Reality" ein weiterer Späterfolg, wenn auch ein eher verhaltener, nicht so bejubelt wie sein Comeback mit "Heathen". "Reality" geriet zur Liebeserklärung an New York, aber ohne die Überschwänglichkeit, die Erstbesucher des "Big Apple" oft erfasst. Realitätsnah eben.

Der Warnschuss kam in Form einer Herzattacke. In Hamburg musste Bowie 2004 wegen einer Gefäßverstopfung operiert werden. Schon bald darauf war er wieder auf den Beinen und Bühnen. Nicht zuletzt, um im Februar 2006 den Ehren-Grammy für sein musikalisches Lebenswerk entgegenzunehmen.

Später Triumph
Um Bowie, der nicht nur das Touren beendete, sondern die vergangenen zehn Jahre auch keine Interviews mehr gab, wurde es nach der Herz-OP ruhig in der Öffentlichkeit. Seltene Gastauftritte mit Pink-Floyd-Legende David Gilmour oder den kanadischen Indie-Stars Arcade Fire und diverse Sprecherrollen in animierten Filmen hielten ihn kreativ, bis er am 8. Jänner 2013, genau an seinem 66. Geburtstag, mit der Single "Where Are We Now" überraschte, der exakt zwei Monate später das Studioalbum "The Next Day" folgte. Das Spätwerk zählte zu seinen größten Erfolgen überhaupt und setzte sich in insgesamt 40 Ländern an die Spitze der Charts.

Risse bekam seine Legende nicht einmal nach Veröffentlichung des Buches "Bowie: The Biography" im Jahr 2014, wo von rauschenden Sex-Festen und Orgien mit seiner Ex-Frau Angie Bowie und Rolling-Stones-Sänger Mick Jagger in der Londoner Oakley Street berichtet wurde. Eifersucht war dem wandelbaren Künstler stets fremd - laut seinem damaligen Assistenten Tony Zanetta ging es Bowie hauptsächlich darum, vergöttert zu werden.

Friedliches Ende
Vergöttert wurde Bowie zeit seines Lebens von seinen vielen Fans - mit "Blackstar" veröffentlichte er nur zwei Tage vor seinem Krebstod am 10. Jänner dieses Jahres sein vielleicht bestes, in jedem Fall aber spannendstes Werk seit den starken Alben Anfang/Mitte der 80er-Jahre. Texte und auch Videos zu den neuen Songs vermitteln nun nachbetrachtet eine bedrohliche, fast schon prophetische Atmosphäre des unvermeidlichen Endes. Glücklicherweise war es dem großen Künstler vergönnt, friedlich im Beisein seiner Familie zu versterben. Ein versöhnliches Ende für einen Musiker, auf den sich alle einigen konnten.

Video: David Bowie singt mit Queen und Annie Lennox "Under Pressure"

Lesen Sie auch:

Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.



Kostenlose Spiele