Interview

Der rote Willi und Salzburgs Milliarden-Affäre

Salzburg
10.01.2016 10:57

Von seinem Ithuba-Büro im 1. Wiener Gemeindebezirk aus kontrolliert der Wahl-Salzburger und Investment-Experte 80 bis 100 Milliarden € seiner Kunden, die über seine Rechner laufen. Derzeit versucht der "rote Willi" - der Spitznamen wurde ihm auch wegen seiner früheren Haarpracht verpasst - bei der Hypo in Kärnten zu retten, was noch zu retten ist. Drei Jahre ist es her, als der Skandal in Salzburg das Land aus den Fugen riss, Hemetsberger wurde geholt, baute 1,8 Milliarden aus dem "Schattenportfolio" ab und kassierte 9 Millionen Euro. Am Ende blieben 97 Millionen Plus übrig. War es also gar nicht ein Finanzskandal?

"Krone": Wenn ich Ihnen die Frage stelle, ob es ein Finanz- oder nur ein Organisationsskandal war, wie ist die Antwort?
Hemetsberger: Es war vor allem ein Organisationsproblem, aber der Finanzskandal war natürlich da. In einem öffentlichen Haushalt darf es keine Spekulationen geben, vor allem wenn man Schulden hat. Man hat auch viel zu wenig gewusst, was da eigentlich passiert: Und die Dame, die das gemanagt hat, der hat man blind vertraut und nicht nachgeschaut.

"Krone": Wann kam der Hilferuf?
Hemetsberger: Anfang Dezember 2012, ich war in Salzburg, um die ersten Daten zu checken, dann ging es intensiv über Weihnachten los. Wir haben versucht das Portfolio zu erheben, was nicht leicht war, weil die Unterlagen fast alle von der Korruptionsstaatsanwaltschaft abgeholt worden waren. Das war eine komplizierte Sache, in der Regel laufen 80 bis 100 Milliarden Euro über unsere Portfolio-Rechner, aber das in Salzburg war anders: Da haben wir in den ersten Durchläufen 24 Stunden ohne Pause durchgerechnet. Es war anspruchsvoll, würde ich heute sagen.

"Sind überraschend mit leichtem Plus heraus gekommen"
"Krone": Der erste Bericht fiel besser aus, als gedacht?
Hemetsberger: Für das was an Informationen da war, konnten wir den ersten Bericht im Jänner 2013 liefern und wir sind überraschend mit einem leichten Plus heraus gekommen. Normal, wenn wir anrücken, dann ist das Schuldenloch meistens schon sehr tief. Ich habe meine Leute noch einmal zwei Nächte durchrechnen lassen, aber das Ergebnis war positiv. Die Vermögenswerte waren leicht über den Verbindlichkeiten. Wie das früher war und ob Eigenkapital beteiligt war, kann ich aber nicht sagen.

"Krone": Haben Sie damals die Vermögenswerte des Wohnbaufonds mitgerechnet, die betragen mittlerweile 2,5 Milliarden? Stellt sich das Land also finanziell schlechter dar, als es ihm eigentlich geht?
Hemetsberger: Wir haben das Finanzportfolio, die Verbindlichkeiten und die Derivate, die ja zusätzliche spekulative Positionen waren, gerechnet. Die Veranlagungen aus dem Wohnbaufonds waren mit drinnen. Die aushaftenden Wohnbaudarlehen nicht - geht auch nicht, denn wenn die öffentlichen Haushalte eine normale Buchhaltung hätten, dann wären die Wohnbaudarlehen ein Nullsummenspiel. Denn da habe ich 2,5 Milliarden ,outstanding’ und 2,5 Milliarden Schulden dagegen. Aber in kameralistischen Haushalten und wegen den Maastricht-Strukturen kann man das so nicht rechnen. Man muss die Wohnbaudarlehen wie eine normale Ausgabe behandeln und die Schulden gegenrechnen. Aber so gesehen, steht das Land sicher besser da, als es rein aus der Schuldenstatistik ablesbar ist. Mit der Doppik (doppelte Buchführung), und da ist Salzburg nun Vorreiter, wird man sicher mehr Bilanzwahrheit haben.

"Krone": Als erstes haben Sie die Bundesfinanzierungs-Swaps aufgelöst, obwohl die die Zinsen nach unten gedrückt haben, was hat es gebracht?
Hemetsberger: Der Erlös der Swaps war zwischen 170 und 190 Millionen Euro und die sind zur Schuldentilgung verwendet worden. Damit haben wir den Schuldenstand und die Zinslast auf einmal gesenkt. Es lagen ja unter anderem 250 Millionen Schweizer Franken Schulden vor, die heute anders ausschauen würden. Was wir sofort im Februar 2013 abgebaut haben, sind die Fremdwährungen wie türkische Lira, Rubel und Real. Das Portfolio war ganz stark auf die ,emerging markets’ ausgerichtet und auf fallende Zinsen, die damals bei rund 1,25 % waren. Jetzt sind sie bei 1 Prozent. Bei den ,emerging markets’ hat es wenig später ordentlich gekracht: Das sieht man vor allem bei den 550 Millionen türkische Lira, die aufgenommen wurden und die heute 30 bis 35 Prozent weniger wert wären. Das war auch die komplexeste Geschichte, zum Teil hoch strukturiert, speziell gemacht mit Optionen auf die Steilheit der Zinskurve auf fünf oder zehn Jahre. Wenn man auf so ein riskantes Geschäft schon im Vorfeld eine Meinung hat, das hat sogar uns sehr überrascht.

"Krone": Wer hat Frau Rathgeber dieses Konstrukt verkauft?
Hemetsberger: Im Grunde die gesamte Bankenstraße in London.

"Krone": Haben Sie damals beim Auflösen steigende Zinsen befürchtet, weil alles so schnell gehen musste?
Hemetsberger: Die Annahme war nicht auf steigende Zinsen zu setzen, wenn die bei einem Prozent liegen, wo sollen sie noch hinfallen? So wie das Portfolio da stand, hätten wir bei einem Prozent Unterschied 150 Millionen verloren oder 150 Millionen gewonnen. Dann hätte es geheißen, ihr spekuliert ja schon wieder. Wir wussten ja nicht, was sich die nächsten Jahre bei den Zinsen tut. Aber was war wahrscheinlicher, sollen wir weiter spekulieren und hoffen, dass wir noch zehn oder 20 Millionen herausholen oder wir sagen, das ist kein Spekulationsportfolio und wir sperren das zu. Wir wollten das Portfolio so neutral wie möglich stellen, das war auch unser Auftrag. Wir hatten etwa auch Yen gegen südafrikanische Rand mit einer ,outperformance Option’ an einer Anleihe angehängt, also wirklich ausgefranst...

"Krone": Wie hätte Frau Rathgeber reagieren müssen, wenn alles nicht aufgeflogen wäre?
Hemetsberger: Verkaufen, radikal verkaufen. Ich kenne die Frau Rathgeber aber nicht. Das Land hat uns nahe gelegt, wegen der Rechtsverfahren nicht mit ihr zu sprechen.

"Krone": Was lernen wir aus der ganzen Geschichte?
Hemetsberger: Wenn man schon Schulden hat, sollte man schauen, dass man Schulden abbaut und sie nicht in Veranlagungen steckt, um die Schulden zu vermindern. Das ist einfach nur aufdoppeln. Salzburg war so gesehen eine Lehre für alle.

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