Kommandant beklagt:

Soldaten bei Grenzeinsatz völlig ungeschützt

Österreich
13.12.2015 14:04

Unter den Bundesheer-Soldaten herrscht Unmut über die Ausrüstung, mit der sie in der aktuellen Flüchtlingskrise zum Grenzeinsatz geschickt werden. Im Gegensatz zu ihren Kollegen von der Polizei dürfen sie weder einen Pfefferspray noch einen Stock zur Selbstverteidigung tragen. Ein Kommandant, dessen Soldaten im Einsatz sind, berichtet von einem "absolut mangelhaften Eigenschutz" und warnt vor Verletzungen der Soldaten. Auch die Bundesheergewerkschaft befasst sich mit der Problematik und verfasste eine "dringende Anregung an den Generalstab". Das Verteidigungsministerium verweist auf das Streitkräfteführungskommando, das über den Einsatz von Schutzausrüstung entscheide.

Hauptmann Phillip Michel, Kommandant der 3. Panzergrenadierkompanie in Großmittel (Bezirk Wiener Neustadt-Land), berichtet in der aktuellen Ausgabe der Truppenzeitung "Grenadierexpress" ausführlich über den Einsatz im Burgenland. In seinem Artikel beklagt er, dass bei immer wieder aufkommenden Handgreiflichkeiten unter den Flüchtlingen seitens der Soldaten mit "bloßen Händen und Körpergewalt" eingeschritten werden musste. Die Ausgabe von Abwehrspray bzw. das Tragen von Stöcken sei "von der Seite der Führung" mit der Begründung, dass "von diesen Personen keine Gefahr ausgehe", und "ähnlichen nicht nachvollziehbaren Ferndiagnosen" untersagt worden.

Bei einer Eskalation am 18. September, so der Hauptmann, "wurde auch offensiv gegen die weder mit Schutzausrüstung noch mit entsprechenden Mitteln zur Selbstverteidigung ausgestatteten Soldaten vorgegangen und die Handlungen der teils stark aggressiven Flüchtlinge konnten nur durch den Einsatz massiver Körperkraft und hoher Eigengefährdung eingestellt werden". Dem mehrmaligen Antrag auf Verstärkung der Kräfte bzw. Maßnahmen zur Erhöhung des Eigenschutzes sei "aus bis heute nicht nachvollziehbaren Gründen" nicht stattgegeben worden.

Hauptmann wundert sich über fehlende Helme und Protektoren
Hinterfragenswert ist für Hauptmann Michel auch das Auftreten der Soldaten im Dienstanzug mit Warnweste. "Blickt man über die Staatsgrenzen hinweg, findet man keine andere Polizei- oder Militäreinheit, die beim Begleiten des Flüchtlingsstromes nicht ihre Ordnungseinsatzausrüstung, zumindest aber Protektoren und einen Helm mit Visier aufhaben." Michel weist darauf hin, dass ein entsprechendes Erscheinungsbild mögliche Eskalationen wie das Überklettern von Zäunen oder das Durchbrechen von Absperrungen eindämmen würde.

Das Sturmgewehr im Gefechtsstand und die Munition plombiert und abgesichert, davon berichten auch Soldaten, die zum Assistenzeinsatz in Kufstein stationiert waren. Während die Polizei - ausgerüstet mit Abwehrspray oder Abwehrstock am Gurt - die Zäune bewache, seien die Soldaten ohne entsprechende Mittel zur Selbstverteidigung im Gelände unterwegs. Bewaffnet sind sie lediglich mit einer Pistole. Das einzige, was Soldaten zur Selbstverteidigung tun können, sei, "die Pistole zu ziehen und in die Luft zu schießen", schreibt auch Michel. Man stelle sich dieses Szenario und das daraus resultierende Medienecho im Vergleich mit dem Einsatz eines Abwehrsprays aber nur vor, so der Hauptmann.

Reibereien müssen ohne jeglichen Schutz geschlichtet werden
Schutzausrüstung und Helm dürfen nicht getragen werden, um nicht bedrohlich zu wirken. "Der Helm sollte im Rucksack bleiben, viele Kollegen nehmen den nicht einmal mehr mit", berichtet der Soldat aus Kufstein der Austria Presse Agentur. Reibereien müssen somit von den Soldaten ohne jeglichen Schutz geschlichtet werden.

Mit dem Problem des mangelnden Selbstschutzes ist auch schon die Bundesheergewerkschaft befasst. Der Zentralausschuss hat eine "dringende Anregung an den Generalstab" verfasst, die der APA vorliegt. Darin wird die Ausrüstung aller Kräfte, die sich im Einsatzraum befinden und mit Flüchtlingen in Kontakt kommen, mit Stichschutzwesten analog zu jenen der Polizei, verbessertem Mundschutz analog zu dem des Roten Kreuzes und Sicherheitsholstern für die Pistole 80 für alle, die bewaffnet im Einsatz sind, gefordert.

Hauptmann Michel beleuchtet in seinem Artikel auch einen weiteren Aspekt des Assistenzeinsatzes, nämlich das Mobilitätsproblem des Bundesheers, das durch die jahrelangen Einsparungen entstanden ist. Wörtlich schreibt er, dass "gleich zu Beginn des Einsatzes bewusst wurde, dass die wohl etwas übereilte Ausscheidung der noch einsatzbereiten Puch-G-Flotte und zahlreicher Pinzgauer ohne Verfügbarkeit eines Nachfolgefahrzeuges sicher nicht die beste Maßnahme des Logistikbereiches war. Unter 'Ausschlachtung' aller anderen Verbände des Bataillons verbunden mit der Absage mehrerer geplanter Vorhaben, Einstellung von Leihen an andere Verbände und Beantragung zusätzlicher Leihen gelang es schließlich doch, den geforderten Zustand herzustellen und die Einsatzbereitschaft zu melden."

Ministerium: "Pfefferspray angeschafft"
Das Verteidigungsministerium teilte am Sonntag mit, dass das Bundesheer natürlich über Schutzausrüstung verfüge, über den Einsatz dieser entscheide allerdings das Streitkräfteführungskommando. Das Ministerium habe außerdem weitere Ausrüstungssätze modernsten Standards in großer Anzahl beschafft, hieß es. Ebenso wurden Pfeffersprays in ausreichender Menge angeschafft. Diese werden ab nächster Woche bei den Soldaten verfügbar sein.

Aus dem Video-Archiv: So wurden die Einsatzkräfte in Spielfeld überrannt

Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.



Kostenlose Spiele