Schlepper-Anwalt:

“Die meisten sind bitterarm, rutschen da hinein”

Ausland
28.11.2015 14:15
Menschenschmuggel ist für kriminelle Netzwerke ein Millionengeschäft. Hunderte Schlepper sind allein der bayrischen Polizei in diesem Sommer ins Netz gegangen. An vielen deutschen Amtsgerichten fallen die Urteile bisweilen im Stundentakt. Einer der Pflichtverteidiger, die den Schleppern zur Seite gestellt werden, ist Markus Ihle aus Passau. Er kennt die Lebensgeschichten der Schlepper und meint: "Sie sind bitterarm und brauchen das Geld." In einem Interview mit der Nachrichtenagentur dpa erklärt Ihle auch, wie Schleuserfahrten ablaufen.

Früher seien die Fahrer hin und zurück gefahren. Inzwischen werde auch auf den Rückwegen kontrolliert. "Deswegen lassen sie die Fahrzeuge in Deutschland oder Österreich einfach am Straßenrand stehen, lassen die Flüchtlinge heraus und verschwinden zu Fuß. Oft fahren Komplizen voraus und prüfen, ob Kontrollen stattfinden. Dann verständigen sie sich über Handy mit dem Schleuser", erzählt der Anwalt.

"Flüchtlinge zahlen für Schleppung rund 10.000 Euro"
Was eine Schleppung ungefähr kostet? Vom Herkunftsland aus etwa 10.000 Euro, meint Ihle. Der Abschnitt von Budapest bis Passau koste etwa 2000 Euro pro Person. Ein Schleuser habe früher 100 Euro je geschleuster Person bekommen, inzwischen gebe es 400 Euro pro Wagenladung. Bezahlt werde der Schleuser nach seiner Rückkehr, weiß Ihle.

Die Rekrutierung der Fahrer sei in der Hochphase, das heißt noch vor der Fertigstellung des Grenzzauns in Ungarn und vor der Einführung von Grenzkontrollen in den betroffenen Ländern entlang der sogenannten Balkan-Route, funktionierte das Anheuern von Schleppern laut dem deutschen Juristen sehr einfach: Mitglieder von Schlepperorganisationen seien zum Beispiel durch die Menschenmenge auf dem Budapester Ostbahnhof gegangen und hätten dort nach Fahrern gesucht bzw. Flüchtlinge angesprochen.

"Schlimmster Fall: 44 Flüchtlinge in einem Klein-Lkw"
Die Fahrer wüssten oft gar nicht, wo sie genau hinfahren sollen. Sie bekämen die Fahrzeuge gestellt, dazu Navis und Handys mit Kontakten. Dann würden sie losgeschickt. Natürlich stellten sich viele die Frage, was sie da tun, doch laut Ihle sind die meisten bitterarm und brauchen das Geld. "Die meisten sagen mir dann: 'Ich habe nicht gewusst, wie viele Leute da drin sind.'", sagt der Pflichtverteidiger. "Der schlimmste Fall, den ich zu vertreten hatte, war der einer Schleusungsfahrt mit 44 Flüchtlingen in einem Kleinlaster. Das entsprach pro Person ungefähr der Fläche eines DIN-A4-Papiers."

Die Strafen für Schlepper hängen laut Ihle von mehreren Faktoren ab: Wie viele Personen wurden geschleppt? Macht der Angeklagte das gewerbsmäßig? Hatte er eine Fahrerlaubnis? Ist der Fahrer vorbestraft? Lag eine Lebensgefährdung für die Geschleppten vor? Meist würden mehrmonatige Haftstrafen ohne Bewährung folgen.

"Viele wollen gar nicht schnell wieder aus Gefängnis"
Auf die Frage, was die Schlepper über ihre Taten denken, antwortet Ihle: "Von Schleusern, mit denen ich in Gefängnissen spreche, höre ich immer wieder, dass sie gar nicht so schnell raus wollen. Einer sagte mir: 'Hier ist es warm, ich baue Mausefallen und kriege im Monat 170 Euro dafür. In Rumänien habe ich nichts.'"

Aus dem Video-Archiv (22.11.): Großer Schlag gegen internationale Schlepperbande

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