Jagd auf Abdeslam:

Wo steckt meistgesuchter Dschihadist Europas?

Ausland
23.11.2015 20:00
Sein Foto flimmert seit Tagen in jeder Nachrichtensendung über den Bildschirm. Er schlüpfte in der Nacht der Anschläge durch eine Polizeikontrolle und kehrte aus Paris nach Brüssel zurück. Seitdem ist die belgische Hauptstadt im Ausnahmezustand, seit Samstag gilt die höchste Terrorwarnstufe, erst ab Mittwoch sollen Schulen und die U-Bahn wieder öffnen. Doch die Großfahndung nach Salah Abdeslam - dem derzeit meistgesuchten Dschihadisten Europas - blieb bis jetzt erfolglos.

Belgische Medien berichteten, der 26-Jährige sei am späten Sonntagabend in einem BMW Richtung Deutschland unterwegs gewesen - was allerdings wenig später von der Staatsanwaltschaft dementiert wurde. Somit haben die Ermittler seit zehn Tagen keine echte heiße Spur. "Alle wissen, dass von ihm eine gewisse Gefahr ausgeht", sagte der belgische Innenminister Jan Jambon am Montag. "Abdeslam ist folglich ein wichtiges Ziel." Er könne aber keine Details der Ermittlungen nennen, so Jambon, diese seien "zu sensibel". Angaben dazu könnten demnach die weiteren Untersuchungen behindern.

Was genau war Abdeslams Aufgabe in der Terrornacht?
Wo steckt der Franzose, der in Belgien lebte? Was genau war seine Aufgabe in der Terrornacht, in der in Paris 130 Menschen getötet wurden? Und warum waren ihm die Fahnder nicht schon vor den Anschlägen auf die Schliche gekommen?

Am 13. November um 21.59 Uhr erreichte ein von Abdeslam gemieteter schwarzer Clio den Norden von Paris. Die französische Polizei schließt nicht aus, dass er am Steuer saß und drei Selbstmordattentäter am Stade de France absetzte. Er hatte auch den Wagen gemietet, der für den Angriff auf die Konzerthalle Bataclan genutzt wurde. Und mit seiner Bankkarte waren zwei Zimmer in einem Hotel in Alfortville nahe Paris gemietet worden, in denen einige der Angreifer gewohnt hatten.

Bruder sprengte sich in Restaurant in die Luft
Einiges deutet darauf hin, dass Abdeslam nicht nur ein Logistiker war, sondern in der Schreckensnacht selbst zur Waffe griff. Zunächst wurde gemutmaßt, er habe mit seinem 31-jährigen Bruder Brahim Abdeslam mehrere Bars und Restaurants im Herzen von Paris attackiert. Dabei wurde ein schwarzer Seat genutzt. Brahim sprengte sich in einem Restaurant in die Luft.

Oder sollte Salah einen Anschlag im 18. Arrondissement verüben, der in der Bekennererklärung des Islamischen Staats erwähnt wurde - aber nicht stattfand? Dort wurde der Clio gefunden. Und Salah soll einen Sprengstoffgürtel getragen, aber im letzten Moment einen Rückzieher gemacht haben. So berichtet es die Anwältin eines der beiden Fluchthelfer, die Abdeslam in der Nacht aus Paris anrief, die ihn dann mit einem Auto abholten und mit ihm unbehelligt mindestens eine Passkontrolle passierten. Die Fluchthelfer sitzen in Brüssel in Polizeigewahrsam. Sie geben aber unterschiedliche Orte an, an denen sie den Extremisten angeblich absetzten.

Versteckt er sich noch Molenbeek?
Versteckt sich Abdeslam noch in Molenbeek, dem Brüsseler Problemviertel, in dem er mit seinem Bruder ein Cafe betrieb und aus dem viele Islamisten stammen? Dann müsste er viele Helfer haben, denn sein Gesicht ist mittlerweile wohl jedem aus den Nachrichten bekannt. Braune Augen, blasse Gesichtsfarbe, glatt rasiert, Gel in den Haaren, 1,75 Meter groß. Der Zusatz: "Gefährliche Person." Sein zweiter Bruder Mohamed gibt Interviews am laufenden Band, in denen er Abdeslam aufruft, sich zu stellen. "Wir möchten ihn lieber im Gefängnis sehen als auf dem Friedhof", sagte er zuletzt in die Kameras.

Wer Salah aus früheren Zeiten kennt, gibt sich überrascht von seiner Radikalisierung. Er sei eitel gewesen, heißt es in seiner Nachbarschaft. Salah und Brahim hätten viel getrunken, viel geraucht, seien in Clubs gegangen und hätten junge Frauen mit nach Hause gebracht, erinnert sich Jamal, einer ihrer früheren Freunde. Spätestens vor fünf Jahren geriet Salah dann auf die schiefe Bahn, kam nach einem Überfall ins Gefängnis. In den Überfall soll auch Abdelhamid Abaaoud verwickelt gewesen sein, der mutmaßliche Organisator der Paris-Anschläge, der am Mittwoch bei einem Polizeieingriff nördlich der französischen Hauptstadt getötet wurde.

Experte: In Haft "die Theologie der Verheimlichung" gelernt
Hinter Gittern habe Abaaoud Salah "die Theologie der Verheimlichung gelehrt, um Sicherheitskräften und Geheimdiensten zu entgehen", erklärt der französische Terrorismusforscher Mathieu Guidere. Dessen ungeachtet waren Salah und Brahim seit Anfang des Jahres als radikalisierte Muslime bekannt. Sie wurden sogar von der belgischen Polizei wegen des Verdachts vernommen, sie wollten sich dem IS in Syrien anschließen. Doch wurden sie auf freien Fuß gesetzt. Die Polizei hatte "keinen Hinweis auf eine mögliche Bedrohung" gefunden.

Video: 16 Festnahmen bei nächtlicher Razzia in Brüssel

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