Anschläge in Paris

Das Partygirl, das zur Terroristin wurde

Ausland
20.11.2015 19:45
Noch vor wenigen Monaten war die junge Frau Hasna Ait Boulahcen auf Partys unterwegs und wurde wegen ihrer Vorliebe für Cowboyhüte von ihren Freunden "Cowgirl" genannt. Erst in den vergangenen Monaten verwandelte sich Boulahcen in eine Extremistin im Bann ihres Cousins Abdelhamid Abaaoud, dem mutmaßlichen Drahtzieher der Pariser Anschläge. Er wurde beim Polizeizugriff am Mittwoch getötet, auch die Leiche von Boulahcen wurde in der Wohnung gefunden. Mitterlerweile ist klar, dass sie sich nicht selbst in die Luft sprengte.

Auf einem von Nachbarn aufgenommenen Video vom Mittwoch sind Boulahcens letzte Worte zu hören. "Wo ist dein Freund?", ruft ein Polizist durch die Panzertür der Wohnung. "Wo ist er?" "Er ist nicht mein Freund!", ruft sie mit schriller Stimme zurück. Dann sind mehrere Detonationen zu hören. Die Ermittler gingen zuerst davon aus, dass Boulahcen eine Sprengstoffweste zündete - sie wäre damit die erste weibliche Selbstmordattentäterin Frankreichs gewesen. Mittlerweile wurde jedoch aus Polizeikreisen verlautbart, dass eine dritte, männliche Leiche in der Wohnung entdeckt wurde. Dieser Mann hatte sich selbst in die Luft gesprengt, wie am Freitagabend bekannt wurde.

Hier ein Video von der Razzia:

"Das war Gehirnwäsche"
Im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AFP bestätigen Boulahcens Mutter und ihr Bruder, sie hätten auf dem Video die Stimme erkannt. "Sie war instabil, sie schuf sich ihre eigene Welt", sagt ihr Bruder. Sie habe sich vor einem halben Jahr plötzlich radikalisiert und einen Niqab getragen, der nur einen Sehschlitz freilässt. "Sie hatte sich bis dahin nie mit Religion befasst, ich habe sie nie einen Koran aufschlagen sehen."

"Das war Gehirnwäsche", sagt die 58 Jahre alte Mutter, mit der die Frau bis vor wenigen Wochen im Pariser Vorort Aulnay-sous-Bois zusammenwohnte. Die Nachbarin Sofiane erinnert sich an die Redegewandtheit der jungen Frau, sie sei aber auch "ein bisschen verrückt" gewesen. "Sie tauchte manchmal vor einem auf und fing an zu rappen."

Lebenslustige junge Frau, die gerne ausging
Im lothringischen Creutzwald nahe der deutschen Grenze lebt ihr 74 Jahre alter Vater. Ein langjähriger Freund, Jerome, beschreibt Boulahcen als lebenslustige junge Frau, die Cowboyhüte und Cowboystiefel trug und wenn sie ausging auch rauchte und Alkohol trank. Ihr Vater, ein strenggläubiger Muslim, war von Paris nach Creutzwald gezogen, um dort in einem Peugeot-Werk zu arbeiten. Er soll sich derzeit in Marokko aufhalten.

Vom normalen Kind zum schwierigen Teenager
Hasna Ait Boulahcen wurde im August 1989 geboren, ihre Kindheit war turbulent. Im Alter zwischen acht und 15 Jahren lebte sie in einer Pflegefamilie. Nach Angaben ihres Bruders war sie damals glücklich und blühte auf. "Zunächst lief alles gut", erinnert sich ihre Gastmutter. "Sie war ein Kind wie jedes andere." Doch gab es nach ihren Angaben schon früher Anzeichen für eine Radikalisierung. Nach den Anschlägen auf das World Trade Center im September 2001 "stand sie vor dem Fernseher und klatschte".

Als Teenager sei sie schwieriger geworden, habe Wutausbrüche gehabt und sei abends immer wieder ausgebüxt, sagt die Gastmutter. Im Alter von 15 Jahren verließ Boulahcen dann ihre Pflegefamilie.

Aus Ermittlerkreisen verlautete, es sei gegen die junge Frau auch wegen Drogenverstößen ermittelt worden. Zuletzt habe sie fast die ganze Zeit mit ihrem Smartphone verbracht, auf Facebook und im Chatdienst WhatsApp, sagt ihr Bruder. Vor drei Wochen sei sie dann mit einem Freund in den Vorort Drancy unweit von Aulnay-sous-Bois gezogen. "Wir sind sehr traurig wegen der ganzen Opfer", fügt der Bruder noch hinzu.

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