Visite in Berlin

Faymann gegen “Wettbewerb um höchsten Zaun”

Österreich
19.11.2015 13:11
Bundeskanzler Werner Faymann hat am Donnerstag vor dem Besuch bei seiner deutschen Amtskollegin Angela Merkel den "Wettbewerb, wer die besten und höchsten Zäune" gegen die Flüchtlinge baut, kritisiert. Bereits in der Früh trat er im ARD-"Morgenmagazin" auf und sprach sich dagegen aus, "Leute rauszusperren". Die EU müsse enger mit der Türkei zusammenarbeiten, denn das Problem sei weder an der österreichischen noch an der deutschen Grenze lösbar.

Direkt an den Grenzen könne man nicht dafür sorgen, "dass niemand mehr flüchten muss", sagte Faymann im "Morgenmagazin". Die Lebensbedingungen von Flüchtlingen, beispielsweise in der Türkei, müssten verbessert werden. Es brauche eine Lösung in bzw. für Syrien, bessere Zusammenarbeit mit der Türkei und eine bessere Aufstellung in Griechenland.

Hier arbeite er eng mit Merkel zusammen, sagte der Kanzler. Die Türkei sei zwar "kein einfacher Partner", die Gespräche seien aber "notwendig und unverzichtbar". Angesichts der terroristischen Bedrohung in Europa hält Faymann ein weiteres Zusammenrücken Europas für notwendig. "Wir werden nicht das erfüllen, was sich die Terroristen wünschen", sagte der Kanzler. Er betonte, dass Flüchtlingspolitik und Terrorbekämpfung nicht vermischt werden dürften.

Seitenhieb auf "langsames" Brüssel
Als Eröffnungsredner des Wirtschaftsgipfels der "Süddeutschen Zeitung" erklärte Faymann, Europa könne nicht 20.000 Kilometer Stacheldraht um die EU herum bauen, es dürfe nicht zum Wettbewerb kommen, wer am schnellsten den besten und höchsten Zaun baut und seine Mauern am besten und sichersten verteidigt. Er sei überzeugt, dass die EU von der Wirtschafts- und Sozialpolitik bis zum Flüchtlingsthema und der Sicherheitspolitik kein Thema finde, wo jene Recht hätten, die auf hohe Mauern und Abschottung setzten. Europa benötige seine gesamte kreative politische Kraft.

"Wir brauchen ein stärkeres Europa", forderte Faymann und teilte einen kleinen Seitenhieb auf Brüssel aus, wo "leider in vielen Bereichen einiges sehr langsam" funktioniere. Die Menschen, die allein ab der griechischen Grenze bereits 2000 Kilometer zu Fuß marschiert seien, könne man nicht aufhalten, indem man ihnen irgendeine Erklärung abgebe. Es hätte polizeilicher oder militärischer Gewalt bedurft. Aber - und dafür erhielt Faymann Extra-Applaus - "eine Gesellschaft, die Werte der Freiheit, des Asylrechts und der Menschenrechte hochhält und die auch andere Länder in der Welt darauf hinweist, wie diese ihre Menschenrechte wahrzunehmen haben, eine solche Gesellschaft kann keine humanitäre Katastrophe anrichten".

Merkel sieht "erhebliche Fortschritte" an Österreichs Grenze
Nach Faymanns Treffen mit Amtskollegin Merkel sprach diese von "erheblichen Fortschritten" im gemeinsamen Management der Grenzen. Dieses laufe nun viel geordneter und gesteuerter als zu Beginn der Flüchtlingskrise ab. Vor einigen Wochen hatte Deutschland Österreich noch chaotische Zustände an der Grenze vorgeworfen. Merkel betonte, dass allein an der Grenze zwischen Deutschland und Österreich das Thema Flüchtlinge nicht gelöst werden könne. Sie und Faymann forderten eine rasche Umsetzung der Maßnahmen zur Sicherung der EU-Außengrenzen.

Die in Italien und Griechenland geplanten sogenannten Hotspots sollten "schnell entstehen", und zwar "nicht nur als Registrierungszentren, sondern auch als Verteilungszentren", sagte die deutsche Kanzlerin. Jene Flüchtlinge, die keinen Anspruch auf Asyl haben, sollten von dort in ihre Heimat zurückgeschickt werden. Faymann erklärte, die Beschlüsse der EU zum weiteren Vorgehen seien richtig. Aber: "Es kommt auf das Tempo an." An der Umsetzung müsse "hart gearbeitet" werden. Erneut betonte er, dass Griechenland unterstützt werden müsse und eine Zusammenarbeit mit der Türkei erforderlich sei. Auch müsse darauf geachtet werden, dass in Flüchtlingscamps ein menschenwürdiges Leben möglich sei.

Angesichts der Anschläge in Paris forderten Merkel und Faymann ein "Zusammenrücken" der internationalen Gemeinschaft im Kampf gegen den Terror. Die deutsche Bundeskanzlerin sprach von "Anschlägen auf unsere Art zu leben" und von einer "angespannten Zeit". Faymann sagte, die Angriffe hätten gezeigt, wie verletzbar die Gesellschaft sei.

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