Prozess in Wien

Bekanntem die Kehle aufgeschlitzt: Lebenslang

Österreich
17.11.2015 20:40
Ein 26-jähriger Mann, der in der Nacht auf den 12. Juni in einem vom Arbeiter-Samariter-Bund betriebenen Wohnheim für ehemalige Obdachlose in Wien-Rudolfsheim-Fünfhaus einen Bewohner erstochen und die Leiche in einer Bettzeuglade versteckt hatte, ist am Dienstag im Landesgericht zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Die Geschworenen befanden ihn einstimmig des Mordes für schuldig.

Zudem wurde der Mann infolge der ihm von einem Psychiater bescheinigten Gefährlichkeit in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen. Bei der Strafbemessung wurden mehrere einschlägige Vorstrafen sowie der rasche Rückfall erschwerend gewertet. Der 26-Jährige war erst im Jänner aus seiner bisher letzten Freiheitsstrafe entlassen worden. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, die Verteidiger Iris Augendoppler und Erich Gemeiner meldeten Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an.

Reichlich dem Alkohol zugesagt
Der Angeklagte hatte das spätere Opfer vier Tage vor der Bluttat im "Haus Max Winter" in der Pillergasse kennengelernt. Andreas Sch. lebte dort seit Längerem in einer Einzimmerwohnung. Obwohl es bereits bei der ersten Begegnung, die deshalb zustande kam, weil die Mutter des Angeklagten im selben Heim untergebracht und mit dem 43-Jährigen befreundet war, zu einem Streit kam, schaute der Jüngere am 11. Juni wieder bei diesem vorbei. Die beiden sprachen reichlich dem Alkohol zu - man hatte sich zuvor bei einem Diskonter mit mehreren Flaschen Rotwein eingedeckt.

Der 43-Jährige - dem Vernehmen nach ein bekennender Homosexueller - habe sich ihm plötzlich angenähert, ihn bedrängt, zu küssen versucht, behauptete der Angeklagte vor dem Schwurgericht (Vorsitz: Christoph Bauer). Er habe ihn zunächst verbal abgewehrt, ihm dann Tritte versetzt, ihn weggedrängt, aber es habe alles nichts genützt: "Er wollte mich zum Bett ziehen." Er habe es geschafft, in den Küchenbereich zu gelangen, und dort ein Messer ergriffen, als ihn der zudringliche Mann wieder umklammerte: "Irgendwann bin ich weggekommen, hab' zugestochen und durchgezogen. Ich wollt' ihn nicht umbringen, ich wollte ihn wegbringen von mir." Er sei "kein Mörder, kein Killer oder so". Dass er das Messer genommen habe, "war notwendig. Ich hatte keine andere Wahl. Ich hatte Angst, dass er mich vergewaltigt, mich packt und umbringt."

"Blut nicht herausgespritzt wie in schlechten Filmen"
Wie der Gerichtsmediziner Daniele Risser ausführte, war Andreas Sch. binnen kürzester Zeit tot. Nach einem Stich in die Wange wurden dem 43-Jährigen mit einer zwölf Zentimeter langen Stich-Schnitt-Bewegung die Halsschlagader und die rechte Drosselvene vollständig durchtrennt. "Das Blut ist nicht herausgespritzt wie in schlechten Hollywood-Filmen. Schwallartig ist es herausgeströmt und hat ein ergiebiges Blutbad verursacht", so der Sachverständige. Das 1,79 Meter große und 89 Kilogramm schwere Opfer war zum Tatzeitpunkt hochgradig alkoholisiert - bei der Obduktion der Leiche wurden im Blut 3,7 Promille Alkohol nachgewiesen.

Der Angeklagte hatte den Toten in den Nasszellenbereich geschleift, das Blut abgewaschen und die Leiche anschließend in einer Bettzeuglade versteckt. "Er hat versucht, die Spuren zu verwischen. Er hat das relativ sauber hinbekommen", sagte dazu die Staatsanwältin. Die beiden Verteidiger des 26-Jährigen erklärten dieses Vorgehen demgegenüber mit "situationsbedingter Panik". Der Angeklagte selbst meinte: "Ich hatte Angst, die Polizei und die Rettung zu rufen, weil ich geglaubt hab', mir glaubt eh keiner, weil ich vorbestraft, arbeitslos und obdachlos bin." Für Verteidigerin Augendoppler war die Reaktion ihres Mandanten auf die behaupteten sexuellen Avancen zulässig: "Der Andere hat ihn zuerst angegriffen und sexuell bedrängt. Selbstverständlich darf ich mich da wehren. Mit Mitteln, die geeignet sind, den Angriff ein für alle Mal abzuwehren."

Fernseher des Toten um 30 Euro verkauft
Als "besonders dreist" wurde in der Anklageschrift der Umstand bezeichnet, dass der 26-Jährige am Tag nach der Bluttat zurückkehrte, den Fernseher des Toten holte und um 30 Euro verkaufte. Das habe er gemacht, "weil ich Hunger gehabt hab' und obdachlos war", rechtfertigte sich der Angeklagte. Am Abend desselben Tages ging er noch einmal in die fremde Wohnung und holte eine übrig gebliebene Weinflasche, "um sich einen feucht-fröhlichen Abend zu machen", wie die Staatsanwältin ätzte. "Ich wollt' mich niedersaufen und sterben", konterte der Angeklagte.

Die Leiche wurde schließlich von Mitarbeitern des betreuten Wohnheims entdeckt, nachdem ein Freund von Andreas Sch. Alarm geschlagen hatte, weil er diesen nicht mehr erreichen konnte. Nach Auswertung der Aufnahmen aus einer Video-Anlage klickten für den 26-Jährigen am 19. Juni die Handschellen.

Zusätzlich zur Verurteilung des Mannes hatte die Staatsanwältin seine Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher beantragt. Einem psychiatrischen Gutachten zufolge leidet der Mann nämlich an einer kombinierten Persönlichkeitsstörung. In Verbindung mit seinem Drogen- und Alkoholmissbrauch ist laut Gerichtspsychiater Siegfried Schranz eine seelisch-geistige Abartigkeit höheren Grades gegeben, die die neuerliche Begehung von Straftaten mit schweren Folgen erwarten lässt. Schranz errechnete eine Rückfallwahrscheinlichkeit von 76 Prozent in den nächsten sieben Jahren, sollte keine entsprechende Behandlung erfolgen. Auf einen Zeitraum von zehn Jahren bezogen mache die Rückfallgefahr sogar 87 Prozent aus, so der Sachverständige.

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