Streit um Glaube

Mord nach AMS-Kurs: 12 Jahre Haft für 17-Jährigen

Österreich
12.11.2015 16:48
Ein 17-Jähriger, der am 10. März 2015 nach einem AMS-Kurs im Wiener Bezirk Liesing einen 31 Jahre alten Familienvater erstochen hat, ist am Donnerstag im Straflandesgericht einstimmig wegen Mordes schuldig befunden und zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden. Der vom Jugendlichen behaupteten Notwehrsituation schenkten die Geschworenen keinen Glauben. Das Urteil ist bereits rechtskräftig.

Der 17-Jährige war Ende 2013 gemeinsam mit seiner Mutter und seiner Schwester nach Wien gekommen. Hier lernte der Jugendliche lesen und schreiben, ab Dezember 2014 besuchte er nebenbei einen Deutschkurs beim AMS in Liesing. Dort traf er auf sein späteres Opfer, der mit Leidenschaft musizierte. Daran entzündete sich ein Streit, denn der Jugendliche meinte, der Koran würde keine Musik erlauben. Der 31-Jährige - im Unterschied zum Burschen offensichtlich kein strenggläubiger Moslem - zog diese Gesinnung ins Lächerliche, soll den Jugendlichen beleidigt und sich vor allem abfällig über den Koran geäußert haben.

"Er empfand keine Reue"
"Mit der Beleidigung meiner Eltern kann ich gerade noch umgehen, aber die Religion ist mir sehr wichtig", gab der 17-Jährige später zu Protokoll, als er nach der Bluttat festgenommen und von der Polizei befragt wurde. Wie die ihn vernehmende Polizistin nun als Zeugin erklärte, hatte ihr der Bursch gestanden, bereits am Heimweg nach dem Streitgespräch daran gedacht zu haben, den 31-Jährigen "mit einem Messer fertigzumachen". "Er empfand keine Reue", erinnerte sich die Kriminalbeamtin. Im Unterschied dazu behauptete der Angeklagte beim Prozessauftakt Ende September dann, er habe in Notwehr gehandelt. Der 31-Jährige habe ihn am Tag nach dem Streit angegriffen, er habe sich lediglich zur Wehr gesetzt. Der Teenager war allerdings bereits mit zwei Messern zum AMS-Kurs gegangen.

"Von diesen religiösen Fanatikern hierher geflüchtet"
Ihr Mann habe ihr am Telefon ein Lied vorgesungen, als er plötzlich und unvermutet abbrach und einen lauten Schrei ausstieß, berichtete die Frau des Opfers vor Gericht. Danach zog die Zeugin ihre ursprünglich geltend gemachte finanzielle Wiedergutmachung zurück. Sie wolle sich doch nicht als Privatbeteiligte dem Strafverfahren anschließen: "Ich bin in einem Land, wo mein Leben gesichert ist. Ich brauche das Geld nicht." Als sie am Ende der Einvernahme erwähnte, dass ihr jüngstes Kind erst drei Monate alt war, als der Vater starb, brach die Zeugin unter Tränen zusammen und musste von einem Begleiter aus dem Gerichtssaal geleitet werden. Sie sei "von diesen religiösen Fanatikern hierher geflüchtet", schluchzte die Frau, die wie ihr getöteter Ehemann und der Angeklagte aus Afghanistan stammt.

Opfer verlor binnen Kürze drei Liter Blut
Laut gerichtsmedizinischem Gutachten wurde der 31-Jährige mit 17 Schnitt- und Stichverletzungen zu Tode gebracht, wobei die einzelnen Verletzungen für sich genommen nicht lebensgefährlich waren. Infolge der Vielzahl der Wunden verlor der 31-Jährige allerdings binnen kürzester Zeit drei Liter Blut - er starb noch am Gang vor dem Klassenraum und wäre selbst dann nicht zu retten gewesen, wenn zufällig ein Notarzt zur Stelle gewesen wäre.

Nach der Tat ergriff der 17-Jährige die Flucht. Eine Woche später wurde er auf der Südautobahn gesichtet, als er beim Knoten Vösendorf am Pannenstreifen Richtung Wien marschierte. Asfinag-Mitarbeiter griffen den Jugendlichen auf und übergaben ihn der Polizei.

"Heimtückische Begehungsweise"
Bei der Strafbemessung wertete das Schwurgericht die "heimtückische Begehungsweise" und den "hohen Erfolgsunwert der Tat" besonders erschwerend. "Wir sind davon ausgegangen, dass er dem Opfer aufgelauert und einen völlig überraschenden Angriff gesetzt hat", erläuterte Richter Norbert Gerstberger in der Urteilsbegründung. Besonders tragisch sei außerdem, dass das Opfer - ebenso wie der Täter ein gebürtiger Afghane - vor religiösem Fundamentalismus geflüchtet sei "und dann von religiösem Fundamentalismus eingeholt worden ist". Bei einem Strafrahmen von bis zu 15 Jahren erscheine die verhängte Strafe angemessen, "weil wir nicht tolerieren, dass man aus religiösem Wahn eine Bluttat begeht. Das ist unakzeptabel in unserer Gesellschaft", bemerkte Gerstberger.

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