"Krone"-Interview

Warum waren Sie nie eine First Lady, Frau Fischer?

Österreich
07.11.2015 17:30
Wenn der Bundespräsident nächstes Jahr abtritt, geht auch für sie eine Ära zu Ende: Margit Fischer, deren Buch am 10. November erscheint, sprach mit Conny Bischofberger über zwölf Jahre Politik aus nächster Nähe und warum sie immer lieber in der zweiten Reihe blieb.

Die Frau des Bundespräsidenten empfängt das "Krone"-Team im Wohnzimmer ihrer sonnendurchfluteten Altbauwohnung in der Wiener Josefstadt. An der Wand hängen farbenprächtige Prachenskys und Zeichnungen der großen Malerin Maria Lassnig. Margit Fischer hängt ihre gefütterte Weste ("Mir ist immer kalt!") über einen Sessel und nimmt in der rostroten Sitzgruppe vor einer drei Meter hohen Wand aus Büchern Platz. Vor ihr liegen die "Fahnen" ihres Buches, das druckfrische erste Exemplar wird jeden Augenblick erwartet.

"Krone": Frau Fischer, riechen Sie auch gerne an einem neuen Buch?
Margit Fischer: So wie mein Mann? Nein. Aber ich freu mich auf den Moment, in dem es da sein wird.

"Krone": Der Titel Ihres Buches lautet "Was wir weitergeben" - was meinen Sie damit?
Fischer: Werte. Ich wurde während der Regierung Kreisky erwachsen, als viele Gesetze entstanden sind, die dieses Land verändert haben und unser Leben bis heute prägen. Ich wollte - vor dem Hintergrund der Geschichte meiner Eltern, Großeltern und Urgroßeltern - bewusst machen, was seit dem Zweiten Weltkrieg alles passiert ist, welch wunderbares Land Österreich geworden ist, mit so vielen persönlichen Freiheiten und Entwicklungsmöglichkeiten. Wir nehmen das oft als selbstverständlich.

"Krone": Und beim "wir" - ist da auch Ihr Mann inkludiert?
Fischer: Gute Frage. Gemeint sind bestimmte Vorurteile. Zwischen mir und meinem Mann gibt es einen unglaublichen Gleichklang. Ich hätte mir auch nie vorstellen können, jemanden zu heiraten, der eine komplett andere Weltanschauung hat, einen schlagenden Burschenschafter zum Beispiel. Ich glaube nicht, dass da Liebe oder Harmonie möglich gewesen wäre.

"Krone": Sie sind als "trovolingsbarn" - als Kind unverheirateter Eltern - in Schweden geboren. Ist es noch immer eine Art Heimat für Sie?
Fischer: Jetzt vielleicht nicht mehr. Aber ich bin Schweden nach wie vor dankbar, dass es meinen Eltern auf der Flucht vor dem Nationalsozialismus Asyl gewährt hat. Als wir 1949 zurück ins zerstörte, zerbombte Wien kamen, wurden meine Eltern oft gefragt, warum sie nicht im hellen, schönen Schweden geblieben sind. Ich habe das erst viel später verstanden: Mein Vater, der ein halbes Jahr im KZ Buchenwald und ein halbes Jahr im KZ Dachau war und in Schweden nach diesem unmenschlichen Jahr im KZ wieder als Mensch behandelt worden ist, wollte beteiligt sein am Wiederaufbau von Österreich. Das akzeptiert man als Kind und das akzeptiere ich bis heute.

"Krone": Susanne Winter wurde aus der FPÖ ausgeschlossen, weil sie einem antisemitischen Posting auf Facebook beigepflichtet hat. Beurteilen Sie sowas als Kind eines jüdischen Vaters mit strengeren Augen?
Fischer: Wahrscheinlich schon. Ich finde es unmöglich, dass Politiker, die so denken, in unserem Land im Parlament sitzen. Frau Winter sollte zurücktreten.

"Krone": Sehen Sie als Kind von Vertriebenen den derzeitigen Ansturm von Flüchtlingen aus Syrien mit anderen Augen?
Fischer: Ich kann nur sagen, wie ich es empfinde. Was in Afghanistan, in Syrien, im Irak, im Libanon, aber auch in Teilen von Afrika passiert, ist erschütternd. Man muss die Ursachen, warum Menschen flüchten, bei den Wurzeln bekämpfen. Der Erhaltung des Friedens kommt dabei Priorität zu.

"Krone": Denken Sie so wie Angela Merkel "Wir schaffen das"?
Fischer: Ich weiß nicht, wie weit Europa das schafft - aber ich hoffe es. Es ist eine Frage der Politik, die ich nicht kommentieren möchte. Aber wir müssen alles dafür tun, dass Menschen menschenwürdig behandelt werden.

"Krone": Sie haben sich während der gesamten Amtszeit Ihres Mannes immer sehr für die Bekämpfung von Armut eingesetzt. Ist es nicht offensichtlich, dass sich dieses Problem durch die vielen Flüchtlinge in den nächsten Jahren verschlimmern wird?
Fischer: Das glaube ich nicht. Schauen Sie sich Schweden an. Es hat auf lange Sicht wirtschaftlich keinen Schaden genommen, dass es während des Krieges Flüchtlinge und auch später südafrikanische Flüchtlinge, die vor dem Apartheid-Regime geflohen sind, aufgenommen hat. Es war nie zum Nachteil von Schweden und ich glaube, es wird auch nicht zum Nachteil von Österreich sein. Außerdem gibt es nicht nur eine materielle, sondern auch eine moralische Komponente.

"Krone": Frau Fischer, Sie haben Ihren Mann als Bundespräsidenten zwölf Jahre lang begleitet. Warum waren Sie nie eine "First Lady"?
Fischer: Weil wir in Österreich leben und nicht in den USA. Ich habe immer ein Leben in großer Selbständigkeit geführt. Und Österreich hatte ja auch vor mir keine "First Ladys". Renner war Witwer. Körner war unverheiratet. Schärf war Witwer, da ist seine Tochter eingesprungen. Frau Jonas war eine Frau aus sehr einfachen Verhältnissen und wollte sicher auch keine "First Lady" sein. Auch Frau Kirchschläger hat ihren eigenen Stil gehabt. Und nicht zuletzt kennt unsere Verfassung keine "First Lady".

"Krone": Was ist Ihnen bei dieser Zeitreise grad durch den Kopf gegangen?
Fischer: Unglaublich, was sich in diesen Jahren alles verändert hat. Anfangs mussten zum Beispiel die Gattinnen der Botschafter noch Antrittsbesuche bei der Frau des Bundespräsidenten machen und Tee trinken. Da hat sich viel verändert und das Protokoll ist viel lockerer geworden.

Im Werbetext zum Buch steht aber: "Beliebteste First Lady der Zweiten Republik"…

Barbara Blaha vom Verlag Brandstätter ergreift das Wort. "Das mussten wir ihr wirklich abringen!"

"Krone": Haben Sie Ihre Rolle nicht etwas zu bescheiden angelegt?
Fischer: Ich glaube nicht. Ich habe die Dinge im Buch so beschrieben, wie ich sie empfinde. Für mich war es zum Beispiel selbstverständlich, meinen Mann bei Staatsbesuchen zu begleiten. Da hatte ich immer sehr interessante Tischnachbarn, konnte sehr viel transportieren und Fragen zu Österreich beantworten. Ich habe von diesen Begegnungen sehr viel profitiert.

"Krone": Zu wieviel Prozent sind die Erfolge von Heinz Fischer auch Ihre Erfolge?
Fischer: Ich kann das nicht in Prozent sagen. Aber unser gemeinsames Leben war immer ein intensiver Austausch. Ich habe Heinz zum Beispiel immer wieder die Sicht der Frau klar gemacht und ihm damit seine Arbeit erleichtert. Vor allem weiß ich, dass es ihm sehr wichtig ist, eine vertraute Gesprächspartnerin zum Gedankenaustausch zu haben.

"Krone": Bald endet die Amtszeit, wie froh sind Sie darüber?
Fischer: Er ist für insgesamt 12 Jahre gewählt worden. Am 8. Juli 2016 findet die Amtsübergabe statt, und das ist gut so. Natürlich war es eine unglaublich spannende Zeit, aber was man nicht vergessen darf: Wir sind beide um zwölf Jahre älter geworden. Ich bin über 70, mein Mann war gerade 77. Da darf man sich auf einen ruhigeren Lebensabschnitt freuen.

"Krone": Abnützungserscheinungen?
Fischer: Mein Mann hat dieses Amt mit voller Kraft, mit allem, was wir geben konnten, ausgefüllt. Ich habe versucht, das voll mitzutragen. Aber manchmal spüre ich, dass - wie mein Mann manchmal sagt - "die Berge steiler werden".

"Krone": Wäre es jetzt Zeit, dass eine Frau Bundespräsidentin wird?
Fischer: Ich glaube nicht, dass wir uns in dieser Frage festlegen sollten. Es kommt auf den konkreten Menschen an.

"Krone": Aber finden Sie es gut, dass Irmgard Griss sich ins Spiel bringt?
Fischer: Dazu will ich nicht Stellung nehmen.

"Krone": Haben Sie sich diesbezüglich mit Ihrem Mann abgesprochen?
Fischer: Nein, das ist einfach meine Auffassung.

hnet und in Satiresendungen als entscheidungsschwach dargestellt. Haben Sie sich da manchmal geärgert?
Fischer: Geärgert nicht, aber ich finde es ungerecht. Denn das, was meinen Mann auszeichnet, ist, dass er eben keine vorschnellen, unüberlegten Entschlüsse fasst, dass er abwägt, dass er es sich zum Prinzip gemacht hat, auch die Denkweise seines Gegenübers zu berücksichtigen. Um dann eine Entscheidung zu treffen. Diese Charaktereigenschaft meines Mannes ist eine Stärke, keine Schwäche.

"Krone": 2018 sind Sie 50 Jahre verheiratet. Wie werden Sie die "Goldene Hochzeit" feiern?
Fischer: Wir feiern unsere Hochzeit jeden Monat. Immer am 20. sagt einer von uns zum andern: "Weisst du, dass wir heute vor 566 Monaten geheiratet haben?" Und dann kriegt man ein Extrabusserl in der Früh oder einen Blumenstrauß. Oder ich koche etwas, das er besonders gern hat.

"Krone": Was wird in zehn Jahren sein?
Fischer: Ich hoffe, dass es uns beiden und unserem Land gut geht. Und dass wir noch lange miteinander sein können.

Ihre Geschichte
Geboren am 28. Juni 1943 im schwedischen Exil, wächst Margit Binder im zerbombten Wien der Nachkriegsjahre auf. An der Seite ihres Mannes Heinz Fischer (Hochzeit 1968) erlebt sie über fünf Jahrzehnte Politik, zwölf davon als Frau des österreichischen Bundespräsidenten, dessen Amtszeit 2016 zu Ende geht. Das Ehepaar Fischer hat zwei Kinder (Philip ist Betriebsberater, Lisa Ärztin) und drei Enkeltöchter (Anna, Una und Julia). Margit Fischers Buch "Was wir weitergeben" erscheint im Brandstätter Verlag und ist ab Dienstag, den 10. November, im Buchhandel erhältlich. 224 Seiten, 24,90 Euro.

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