Unfall mit 2 Toten

“Im Himmel werden wir uns wiedersehen”

Österreich
07.11.2015 16:55
Vier Jugendliche gehen auf eine Party. Danach sterben ein Mädchen und sein Bruder bei einem Horror-Unfall. "Es gab unheimliche Vorzeichen für die Tragödie", sagt der Freund der Toten. In einem liebevoll angefertigten Video auf YouTube nimmt der 23-Jährige Abschied von seinem "Engel" Sophia (siehe oben).

Weinend sitzt Muhammet S. (23) da, am Küchentisch seines besten Freundes, und starrt auf den Laptop vor ihm. Videos laufen darauf ab. Von einem Mädchen mit langem, braunen Haar. Wie es auf eine Wasserrutsche steigt. Wie es über eine Wiese läuft. Lachen ist aus den Lautsprechern hören. Ein helles, ein echtes Lachen. Dann der Zoom auf ein junges Gesicht, das vor Glück strahlt: "Mu, ich lie-lie-liebe dich!" "Wie soll ich ohne dich weiter leben", flüstert Muhammet S. dem Mädchen am Bildschirm zu, "warum bin ich nicht statt dir gestorben…".

Cut. Freitag, der 30. Oktober. Sophia und Muhammet S. schlafen lange, bis etwa 11 Uhr. "Wir hatten gerade beide keinen Job." Trotzdem, die zwei sind nicht in finanzieller Not. Die Eltern der 20-Jährigen - wohlhabende Biobauern aus Bruck an der Leitha in Niederösterreich - unterstützen das Paar, "sie hatten uns vor Kurzem sogar ermöglicht, eine eigene Wohnung anzumieten."

"Durch sie wurde ich ein anderer Mensch"
Das Mädchen, aufgewachsen in behüteten Verhältnissen; mit Paulus, den um drei Jahre jüngeren Bruder. Der erstgeborene Sohn des Ehepaars: gestorben, vor 25 Jahren, bei einem Fenstersturz.

Muhammet S. - was ist seine Geschichte? Seine Eltern, Türken, waren schon vor seiner Geburt nach Österreich ausgewandert. Der Vater: Ein Fabriksarbeiter, der immer brav schuftete, um seiner Frau und den drei Buben hier eine gesicherte Existenz aufzubauen. "Trotzdem lief bei mir in der Pubertät einiges schief." Und Muhammet S. beginnt zu erzählen, von einer Vergangenheit, die so wenig kompatibel scheint mit der seiner Freundin, "deren erster Mann ich war." Vor zwei Jahren hatten die beiden einander kennengelernt, "zuerst ist zwischen uns nur Freundschaft gewesen, erst im Frühjahr 2015 wurden wir ein Liebespaar."

Zurück zum 30. Oktober. "Zu Mittag fuhren wir zu Sophias Eltern. Wie jeden Tag, aßen wir bei ihnen." Sophia redet über ein Halloween-Fest im Pfarramt von Hainburg, das sie am Abend besuchen will. Die Mutter rät ihr davon ab. Denn für den kommenden Morgen ist sie zu einem Vorstellungsgespräch in einem Drogeriemarkt geladen. "Vielleicht lassen wir die Party doch aus", so Sophia, als sie, gemeinsam mit ihrem Freund, um 15 Uhr ihr Elternhaus verlässt.

"Da bekam ich diese böse Vorahnung"
Und dann? "Fuhren wir in ein Shopping-Center." Mit dem Alpha der 20-Jährigen. "Dort kauften wir für sie ein. Ein Kleid, eine Tasche, Schuhe." Schwarzfarben. "Ich weiß nicht, warum, aber plötzlich war in mir so eine Ahnung, auf eine bevorstehende Tragödie. Sophia hatte vor ein paar Tagen ihren Schutzengel verloren. Daran dachte ich nun."

"Sophia, ich will nicht auf die Feier, bleiben wir heute zu Hause, sagte ich zu ihr. Du musst ja nicht dabei sein, meinte sie, und rief ihren Bruder an: 'Bitte, geh mit mir zu der Party.'" Der Schüler stimmt zu. Muhammet S.: "Wenig später brach ich meinen Vorsatz. Ja, ich komme auch mit."

Um circa 21 Uhr holen die beiden mit dem Alpha Paulus ab, "ich am Steuer". Die Fahrt über eine Landstraße, "beinahe wäre uns ein Reh in das Auto gerannt. Ich sah das wieder als ein Vorzeichen." Wofür? "Für das Böse."

Die letzten Stunden in Sophias Leben
Dann, am Hauptplatz von Hainburg, sind die Bedenken weg. So viele gemeinsame Freunde da. Auch Domenic H. (22), ein HTL-Maturant, der seinen Saab neben Sophias Wagen parkt. "Wir glühten ein bisschen vor, mit Bier." Nur Sophia nicht: "Sie wollte nüchtern zu bleiben, um uns später alle sicher nach Hause zu bringen."

Das Mädchen trinkt auch in dem Pfarrheim bloß Orangensaft. Während ihre Freunde literweise Ein-Euro-Drinks konsumieren. Wodka-Red-Bull. Whisky-Cola. "Sophia war so gut aufgelegt, sie plauderte lustig, tanzte ausgelassen." Um circa 1.15 Uhr verlassen das Mädchen, Paulus, Muhammet S. und Domenic H. die Lokalität. Und danach? "Gingen wir zum Hauptplatz und setzten uns in Domenics Auto."

Muhammet S. nimmt am Beifahrersitz, Sophia und Paulus auf der Rückbank Platz. Keiner von ihnen schnallt sich an. Domenic H. steigt aufs Gas. Wohin sollte es gehen? "Weder er noch ich erinnern uns daran. Wir waren ja so schrecklich besoffen."

Die Fahrt geht los, mit hoher, mit sehr hoher Geschwindigkeit, über die Hauptstraße von Hainburg. Mitten im Ortsgebiet der Crash, "ich hatte schon geschlafen, wachte durch eine Erschütterung auf." Der Saab touchiert mehrere parkende Autos, knallt letztlich in die Mauer eines Hauses. Das Mädchen und sein Bruder sterben noch an der Unfallstelle. Domenic H. und Muhammet S. überleben.

Der Lenker, er sagt, dass es keine Zukunft mehr für ihn gebe, mit dieser Schuld, die er auf sich trage. "Ich habe meine Freundin in meinem Suff nicht beschützt", schluchzt Muhammet S. Sophia und er, erzählt er, wollten sich im Jänner verloben. Und dann bald heiraten und eine Familie gründen.

"Ihre Eltern sind völlig gebrochen"
Mit den Eltern des Mädchens steht der Bursch in telefonischem Kontakt: "Sie sind völlig gebrochen. Ich habe große Angst um sie." Einmal noch ist Muhammet S. nach Sophias Tod in die gemeinsame Wohnung gegangen. "Am Boden im Schlafzimmer fand ich ihren Schutzengel. Ich trage ihn jetzt dauernd bei mir. Das wird so bleiben, bis ich zu ihr in den Himmel komme. Denn ich weiß, sie wartet dort auf mich."

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