Marktplatz, Videodienst, Partnerbörse - für jede Plattform ein Account, für jede Mitgliedschaft ein Passwort. Neun von zehn Internetnutzern haben laut einer Studie des IT-Verbands Bitkom allerdings nicht festgelegt, was im Todesfall mit ihren Daten passieren soll. Diese aufzuspüren und zu löschen, hat sich das Berliner Start-up Columba zur Aufgabe gemacht. Die digitalen Nachlassverwalter prüfen mithilfe eines patentierten Prozesses die Datenbanken diverser Online-Firmen. Knapp 250 Partnerschaften gebe es bisher, so eine Sprecherin - darunter eBay, Spotify und Amazon. Anschließend erhalten die Erben eine Liste mit Seiten, auf denen der Verstorbene aktiv war.
Bindeglied zwischen Endkunde und der Berliner Firma sind die Bestattungsunternehmen, die den Dienst zum Pauschalpreis buchen. Seit dem Markteintritt 2013 hat Columba nach eigenen Angaben bereits über 1000 Bestatter ins Boot geholt. Die Online-Anbieter profitieren davon, den Status der Kunden überprüfen zu lassen - denn wer will schon Newsletter an Verstorbene schicken oder mit verwaisten Datensätzen arbeiten?
Auch Birgit Aurelia Janetzky arbeitet täglich an der Schnittstelle zwischen Leben und Tod. Vor fünf Jahren gründete die studierte Theologin die Firma Semno. Anfangs knackte sie selbst Passwörter von Verstorbenen und stöberte in deren Vergangenheit, doch diese Dienstleistung hat sie inzwischen abgegeben. "Ich berate Unternehmen, die digitalen Nachlass in ihre Produktpalette integrieren wollen", erklärt die Expertin aus Denzlingen in der Nähe von Freiburg.
Social Media in der Bestattungsbranche
Denn auch Bestattungsunternehmen suchen im Netz den Kundenkontakt. Gerade in dieser Branche brauche es besondere Kommunikationsansätze, sagt Janetzky. "Menschen sind in dieser Situation sehr verletzlich. Der lockere Umgangston auf Facebook ist oft irritierend." Mit Vorträgen und Seminaren will sie die Verantwortlichen in puncto Social Media fit machen und Richtlinien im Umgang mit Twitter und Co. entwickeln.
Öffentliches Sterben im Netz
Zu ihren Kunden zählen auch freie Hospizdienste oder Angestellte aus dem Palliativbereich. "Immer mehr junge Menschen machen ihren Sterbeprozess im Internet öffentlich", sagt Janetzky. Viele Betroffene nutzen in sozialen Medien etwa den Hashtag "fuckcancer", um von ihrer Erkrankung zu berichten - mit Selfies vom Krankenbett oder mit Make-up-Tipps.
Digitale Nachlasswirtschaft
Die beiden Start-ups könnten mit ihren Geschäftsideen am Anfang einer Erfolgsgeschichte stehen. "Der Markt für Dienstleistungen rund um die persönliche Präsenz im Internet entwickelt sich kontinuierlich", sagt Achim Himmelreich, Vizepräsident des deutschen Bundesverbands Digitale Wirtschaft. Auch der Bereich Digitaler Nachlass werde künftig zunehmend an Bedeutung gewinnen.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.