San Francisco

Reiche IT-Experten lassen Mietpreise explodieren

Elektronik
24.10.2015 09:00
Jake Harris (37) ist Volksschullehrer. Viele Jahre hat er im Mission District gewohnt, nah bei seiner Schule. Als sein Vermieter ihm wegen Eigenbedarfs kündigte, versuchten Harris und seine Frau, in San Francisco eine neue Bleibe zu finden. Unmöglich. Nicht für ein Lehrergehalt. So zogen sie nach Berkeley auf der anderen Seite der Bucht und zahlen für eine Ein-Zimmer-Wohnung 2300 Dollar.

Jeden Morgen steht Harris nun um 5.15 Uhr auf, um eine Stunde mit dem Zug nach San Francisco zu fahren. "Eigentlich bin ich in einem Alter, wo man es zu etwas gebracht haben sollte. Du bist zur Schule gegangen, hast Karriere gemacht, aber du hast nichts vorzuweisen."

Lita Blanc, die Vorsitzende eines regionalen Lehrerverbands, bestätigt, dass Jake Harris kein Einzelfall sei. "Ich höre jeden Tag von einem Lehrer, der weggezogen ist. Und die horrenden Lebenshaltungskosten sind der Grund Nummer eins."

Mieten für Lehrer und Künstler zu teuer
Die monatliche Durchschnittsmiete für eine One-Bedroom-Bleibe (das bedeutet ein Schlafzimmer und ein Wohnzimmer plus eine Küche oder meistens Küchenzeile) liegt bei 3530 Dollar (3120 Euro) und ist damit innerhalb eines Jahres um fast 14 Prozent gestiegen. Damit ist San Francisco teurer als Manhattan. Der durchschnittliche Preis für eine Bleibe dieser Größe im Stadtzentrum liegt für die USA bei gut 1000 Dollar.

Nicht nur die Lehrer, auch die Künstler ziehen weg. Sie, die San Francisco einst zu einem Ort für Gegenkultur machten. "Wir haben eine Umfrage gemacht", sagt Kate Patterson von der städtischen Kunstkommission. "Von den fast 600 lokalen Künstlern, die teilgenommen haben, sind 70 Prozent aus ihrem Studio und/oder ihrer Wohnung vertrieben worden." Sie gehen in die East Bay, nach Oakland oder gleich nach Los Angeles.

IT-Spezialisten treiben Mietpreise in die Höhe
Stattdessen kommen immer mehr Software-Entwickler, Social-Media-Strategen und Daten-Experten in die Stadt. Dieser Wechsel des Menschentyps verändert die Atmosphäre. Den "Tech-Leuten" sagt man nach, dass sie zwar viel verdienen, aber selten viel trinken, alle das gleiche T-Shirt tragen und sogar nachts noch arbeiten. Nun sagen manche: Kunst und Musik sind tot in dieser Stadt.

San Francisco, einst die Hauptstadt der "Flower Power", droht zu einer Schlafstadt zu werden für Menschen, die bei den Internet- und Technik-Konzernen im Silicon Valley im Süden der Bay-Area arbeiten, aber lieber in der City wohnen. Und die Konzerne tun alles, um ihren Mitarbeitern die Pendelei erträglich zu machen. Facebook, Google, Apple & Co bezahlen die Busse, die mit WLAN an Bord jeden Morgen eine Stunde ins sogenannte Valley fahren und abends wieder zurück.

35.000 IT-Profis pendeln aus "Frisco" zur Arbeit
Man schätzt, dass 35.000 Tech-Angestellte auf diese Weise pendeln. Peter Vogt ist einer von ihnen. Er hat für das Internet-Auktionshaus eBay und die Kreditkartenfirma Visa im Valley gearbeitet und mit seinem Partner in San Francisco gewohnt. 2011 kauften sie ihr Appartement im Stadtteil Soma (South of Market Street) für 950.000 Dollar. Damals war Soma ein öder Stadtteil voller leerer Lagerhäuser. Doch dann zogen die Hauptquartiere des Mitteilungsdienstes Twitter, das soziale Bilder-Netzwerk Pinterest und der Taxi-Dienst Uber auf der Market Street ein. Seitdem boomt die Gegend.

Peter Vogt, der gerade einen neuen Job in der spanischen Hauptstadt Madrid angenommen hat, will nun nach vier Jahren sein Appartement verkaufen. Für 1,7 Millionen Dollar - also fast doppelt so viel wie beim Kauf. "Das ist wirklich unverschämt, ich weiß. Aber das ist der Preis, auf den unsere Wohnung im Moment geschätzt wird", sagt Vogt. "Und ich habe gehört, dass viele Immobilien sogar für 30 Prozent über dem Preis weggehen, oft komplett bar bezahlt."

Stadt kommt mit Wohnungsbau nicht hinterher
San Francisco kommt einfach nicht hinterher mit dem Wohnungsbau. Zwar wurden gerade erst 500 Millionen Dollar Fördergelder per Gesetz freigegeben, um 3300 leistbare Wohnungen zu bauen. Doch dabei bleibt das Problem, dass die Stadt auf drei Seiten von Wasser umgeben ist und viele Häuser aufgrund der Erdbeben-Sicherheitsbestimmungen nicht über eine bestimmte Höhe hinaus gebaut werden dürfen. Diese Stadt kann nicht einfach weiter wachsen wie New York oder Berlin.

Der Fernsehsender CBS berichtete kürzlich undercover aus einem Hostel, in dem ein Stockbett im Viermannzimmer 1800 Dollar pro Monat kostet - vermittelt über die Internet-Zimmerbörse Airbnb. Mindestaufenthalt: 30 Nächte.

Auf diesem Auge schien die Stadt bisher eigenartig blind. Doch jetzt hat die Stadtverwaltung vorgerechnet, dass 15 Prozent aller freien Häuser und Wohnungen vom offiziellen Mietmarkt verschwunden sind - man findet sie oft wieder bei Airbnb. Bei vielen in San Francisco wächst deshalb die Wut. Bei den Kommunalwahlen im November wird nun auch über einen ungewöhnlichen Vorschlag abgestimmt: Wer seine Wohnung oder sein Haus bei Airbnb vermietet, muss sich bei der Stadt registrieren lassen. Wer es nicht tut, soll bestraft werden.

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