Dorsts "Merlin" orientiert sich an der Artussage, behandelt die Tafelrunde, die Suche nach dem Gral, den Ehebruch Ginevras mit Lancelot. Dem Dramatiker geht es aber weniger um das Nacherzählen dieses großen Mythos, sondern vielmehr um das Scheitern eines Reiches, mehr noch einer gesellschaftlichen Utopie.
Viele aktuelle Bezüge
Für die Grazer Fassung haben Regisseur Jan-Christoph Gockel, Dramaturgin Karla Mäder und das Ensemble dieses Scheitern genauer unter die Lupe genommen und mit einer ganzen Reihe aktueller Anspielungen aufgefettet. Diese fügen sich aber so perfekt in den Abend, dass sie mindestens so selbstverständlich wirken wie inszenatorische Anleihen bei Shakespeare und Goethe, oder das lustvolle Durchbrechen der vierten Wand.
Die Puppen und das große Scheitern
Natürlich fügen sich auch die von Michael Pietsch gebauten Puppen in die Inszenierung. Dass er selbst ein glaubwürdiger und überzeugender Schauspieler ist, beweist er in vielen Szenen, in denen er sich als Merlin von seinem teuflischen Vater abgrenzen und ihm das Gute im Menschen beweisen will. Die Merlin-Figur - egal ob aus Holz oder in menschlicher Gestalt - ist in diesem Spiel aber gar nicht so sehr im Vordergrund, hier geht es eher um das Dreiecksverhältnis Artus, Ginevra und Lancelot. Und auch die seltsame Beziehung von Artus zu seinem Sohn Mordred, spielt eine wichtige Rolle im Scheitern der Utopie eines gerechten, demokratischen Reiches. Dass da auch die Parzival-Geschichte ein wenig auf der Strecke bleibt, liegt an der Handlungsfülle und nicht an Julia Gräfner, die den reinen Toren mit großer Kraft und kindlichem Gemüt ideal verkörpert.
Beeindruckende Schauspieler
Als König wider Willen, der an seiner Aufgabe wächst und schließlich ein übermenschliches Format annimmt, beeindruckt Fredrik Jan Hofmann. Evamaria Salcher ist eine schöne, selbstbewusste Ginevra mit viel Tiefgang. Eine beeindruckende Leistung liefert Florian Köhler als Lanzelot, der als edler Ritter ebenso überzeugt wie als dem Wahnsinn Verfallener - und natürlich als steirischer Tischler. Eine erstaunliche emotionale Bandbreite zeigt Benedikt Greiner als Mordred, und auch Raphael Muff als Sir Kay gefällt in seiner Vielseitigkeit. Gut wie lange nicht mehr: Franz Solar in diversen Rollen.
Ein riesiger Baum als Symbol des Reiches ist das zentrale Element der Bühne von Julia Kurzweg. Sophie du Vinages Kostüme setzen auf Symbolik, episch ist die Musik von Matthias Grübel.
Dreieinhalb Stunden pralle Theaterkost
Ungekürzt würde Dorsts Drama etwa 15 Stunden dauern, in Graz hat man auf etwas mehr als dreieinhalb Stunden Spielzeit gestrichen. Dreieinhalb Stunden voller Spielfreude, Aktualität, originellen Einfällen und prallem Theater. So möge es bitte weitergehen!
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