Flüchtlingsansturm

Experte: Hype um Musterland Österreich “verfrüht”

Österreich
07.09.2015 16:53
Österreich als humanitäres Musterland, in dem Tausende Helfer Zigtausende Flüchtlinge unterstützen, wo es nur geht: Dieses Bild ist zuletzt von Medien im In- und Ausland gezeichnet worden. Da stellt sich die Frage, ob es der Realität entspricht - und wie es mit den Umfragewerten der FPÖ zusammenpasst. Experten sprechen von verfrühter Euphorie, wollen die Ereignisse aber auch nicht "kleinreden".

Den "Hype" und die "Euphorie" rund um die Hilfsbereitschaft der Österreichischer sei "verständlich aufgrund der Bilder", aber dennoch "verfrüht", meint der Politikberater Thomas Hofer im APA-Gespräch. Er ortet auch "ein bisschen einen Überraschungseffekt". Schließlich wurde das Bild noch vor nicht allzu langer Zeit von ganz anderen Faktoren geprägt, etwa der Debatte über fremdenfeindliche Hasspostings im Sommer. Deshalb dürfe man das nun verbreitete menschliche Image auch "nicht kleinreden und nicht unterschätzen": Zum ersten Mal seit Monaten gebe es "öffentliche Statements und Bilder, die etwas anderes zeigen, als immer nur den Aufstieg der FPÖ".

Hofer: "Stimmung im Land nicht gedreht"
Allerdings bleibe die "sehr positiv dargestellte menschliche Seite" der Österreicher nur "eine Seite der Medaille" und bedeute nicht, dass "die Stimmung im Land generell gedreht worden ist", sagt Hofer. "Es wird weiterhin eine erkleckliche Zahl an Leuten geben, die zwar die Hilfe nicht kritisch sieht, aber durchaus die Zahl der Flüchtlinge, die da kommt, mit gemischten Gefühlen betrachtet."

Nun sind von den Tausenden, die Österreich am Wochenende passierten, ja nur ganz wenige geblieben und haben einen Asylantrag gestellt. Eine gewisse "Doppelmoral" im Jubel über die hilfsbereiten Österreicher ortet denn auch Politologie Peter Filzmaier auf eine entsprechende Frage hin. "Deutschland hat 20.000 aufgenommen - wir haben 20.000 transportiert und ihnen Obst und Kleidung gegeben."

Filzmaier sieht gewissen Eventcharakter
Außerdem stelle sich "die Frage der Nachhaltigkeit". Was in der Ausnahmesituation am Wochenende viele taten, "hätte man im letzten halben Jahr genauso tun können und könnte man täglich im nächsten Jahr tun", sieht Filzmaier eine gewissen Eventcharakter in den Hilfsbekundungen. Umgekehrt seien die vielen sowohl beruflichen als auch ehrenamtlichen Helfer bereits zuvor im Einsatz gewesen. Allerdings: Den Flüchtlingen sei letztendlich auch ganz egal, wer aus welchen Motiven heraus helfe.

Und als einen positiven Effekt sieht Filzmaier, dass Unterstützung und Schutz für Flüchtende ein dominierendes Thema in den Medien wurde. Damit würde dies als "klare Mehrheitsmeinung" erscheinen und gemäß der kommunikationswissenschaftlichen "Theorie der Schweigespirale" Gegenmeinungen - jene der "Nichthelfenden" - zunehmend abschwächen.

Soziale Medien verstärken "Ohnmacht" der Politik
Dieser Mechanismus wirke abgeschwächt auch in einer Zeit, in der die sozialen Medien jedwede Meinung und Aktion hundertfach verstärken können, meinte er. Hofer verweist auf den Charakter eines "Brandbeschleunigers", den Facebook und Co. in beide Richtungen - für positive Aspekte, aber auch für hetzerische Beiträge - habe. Letztendlich werde dadurch das Ganze "für die Politik unkontrollierbar" und verstärke somit auch "eine gewisse Ohnmacht" der Entscheidungsträger.

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