Milliarden-Chaos

Daran krankt unser Gesundheitssystem

Wirtschaft
22.08.2015 08:04
"Wenn sich jemand eine Warze entfernen lassen will, geht er zum Hausarzt. Der hat aber die Instrumente nicht, also schickt er den Patienten zum Hautarzt. Wenn er Pech hat, macht dieser das nicht, weil die Kasse für derartige Kleinigkeiten so wenig zahlt, er schickt ihn weiter in eine Spitalsambulanz. Am Ende sind für eine Bagatelle drei Einrichtungen besucht worden", beschreibt der Experte Ernest Pichlbauer eine Situation, die symptomatisch für das heimische Gesundheitssystem ist.

Die linke Hand weiß nicht, was die rechte tut. Die teuersten Einrichtungen, die Spitäler (von Ländern und Kassen finanziert), müssen Dinge machen, die im niedergelassenen Bereich viel besser (und billiger) aufgehoben wären. Doch dort sind Öffnungszeiten und Zuständigkeiten alles andere als kundenfreundlich.

Der Idee, künftig "Primärversorgungszentren" einzurichten, die rund um die Uhr besetzt sind und unter einem Dach Ärzte, Therapeuten und Pflegefachkräfte vereinen, wurde zu Recht applaudiert. Das soll nicht nur für die Patienten Verbesserungen bringen, sondern auch die überfüllten Spitalsambulanzen entlasten und dadurch Kosten sparen helfen.

"Dauert 600 Jahre, bis das flächendeckend funtioniert"
Doch es scheitert an der Umsetzung. Pichlbauer voll Ironie: "Für so ein Zentrum, das rund 5000 Menschen versorgen kann, hat es jetzt zwei Jahre Verhandlungen gebraucht. Bei dem Tempo dauert es 600 Jahre, bis das flächendeckend funktioniert." In der Zwischenzeit steigen die Kosten für unser System, das international eines der teuersten ist, munter weiter.

Die öffentlichen Gesundheitsausgaben (die größten Brocken sind Medikamente und Spitäler) werden im kommenden Jahr die 25-Milliarden-Euro-Marke knacken (siehe Grafik). Die jährlichen Steigerungsraten von gut 3,5 Prozent liegen deutlich über dem Wirtschaftswachstum (im Schnitt nur knapp über einem Prozent). Zwar wird nun behauptet, dass ohne bereits getroffene Sparmaßnahmen die Kosten noch mehr gestiegen wären (blaue Line), aber Pichlbauer zweifelt, dass da nicht mit Zahlen getrickst wurde.

"Länder machen, was sie wollen"
"Es gibt keine Transparenz, man kennt die Kosten der Spitalsambulanzen nicht, die Länder machen, was sie wollen", kritisiert er. Auch die Einsparungen bei den Medikamentenkosten hält der Experte für trügerisch: "Das passiert immer in Wellen. Die Pharmaindustrie ist gerade dabei, viele neue Produkte auf den Markt zu bringen, das führte bislang immer zu einem Kostenschub, der die Einsparungen wieder auffrisst."

Auch die Politik hat gemerkt, dass die Reform in den "Zielsteuerungskommissionen" (jedes Bundesland hat eine eigene) versandet. Man überlegt, wieder per Gesetz einzugreifen.

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