Flüchtlingsproblem

Österreich droht EU mit Klage gegen Dublin-Regeln

Österreich
19.08.2015 13:58
Österreich droht der EU-Kommission mit einer Klage gegen die Dublin-III-Asylverordnung. Die Regierung hält das im Lissabon-Vertrag festgelegte Prinzip der fairen Lastenverteilung angesichts steigender Flüchtlingszahlen nicht mehr für gegeben und will der Kommission eine zweimonatige Frist zur Anpassung der Verordnung geben. Aus Brüssel hieß es dazu am Mittwoch: "Jetzt ist definitiv nicht die Zeit, um gegeneinander vor Gericht zu ziehen."

Den Schritt kündigten Innenministerin Johanna Mikl-Leitner und Justizminister Wolfgang Brandstetter in einem Hintergrundgespräch am Dienstagabend an. "Wir haben nicht nur Pflichten, sondern auch Rechte", sagte Mikl-Leitner.

Notfalls Klage beim EuGH
Die Bundesregierung will der EU-Kommission in einem gemeinsamen Beschluss eine zweimonatige Frist zum Handeln setzen. Der Ministerrat werde sich möglicherweise schon nächste oder übernächste Woche damit befassen, sagte der Sprecher von Mikl-Leitner, Hermann Muhr. Die zweimonatige Frist gilt mit Übermittlung des Regierungsbeschlusses.

Legt die Kommission innerhalb der zwei Monate keinen Vorschlag zur Anpassung der Dublin-Regeln vor, möchte Österreich mit einer Untätigkeitsklage den Europäischen Gerichtshof dazu bringen, die Dublin-III-Verordnung auf Vereinbarkeit mit dem Artikel 80 des Lissabon-Vertrages zu prüfen, der den "Grundsatz der Solidarität und der gerechten Aufteilung der Verantwortlichkeit unter den Mitgliedsstaaten" vorschreibt.

Überforderung an Außengrenze als Anlass
Anlass für den Schritt Österreichs ist die zunehmende Überforderung von Staaten an der EU-Außengrenze mit der Aufnahme neuer Flüchtlinge. Die Dublin-Regeln verpflichten die Ersteinreiseländer an sich dazu, Schutzbedürftigen Asyl zu gewähren.

Allerdings macht es die schlechte humanitäre Lage für Flüchtlinge etwa in Griechenland derzeit für reiche EU-Länder wie Österreich und Deutschland unmöglich, Asylwerber dorthin zurückzuschicken. Auch die Lage von Flüchtlingen in Österreichs Nachbarland Ungarn gilt als zunehmend schwierig. In einem Rechtsgutachten des Innsbrucker Juristen Walter Obwexer im Auftrag des Innenministeriums heißt es, dass "insbesondere die Ausnahmefälle systemischer Mängel zu einer überproportionalen Belastung mancher Staaten Nord- und Westeuropas, darunter auch Österreich", führen würden.

Konkret gewünschte Änderungen nicht genannt
Welche Änderungen der Dublin-Verordnung von Österreich gewünscht werden, lässt das Gutachten offen. Es gebe mehrere Möglichkeiten, etwa mehr Geld für überproportional belastete Staaten, eine Umverteilung bereits anerkannter Flüchtlinge oder eine Komplett-Reform des Dublin-Systems. Damit könne etwa eine EU-weite Quotenregelung eingeführt werden, schreibt Obwexer. Mikl-Leitner und Brandstetter ließen vorerst offen, welche Änderungen am Dublin-System sie sich vorstellen.

Die EU-Kommission reagierte kühl auf die Ankündigung Österreichs: "Jetzt ist definitiv nicht die Zeit, um gegeneinander vor Gericht zu ziehen", sagte Kommissionssprecherin Annika Breidthard am Mittwoch in Brüssel. "Jetzt ist die Zeit, um Solidarität zu zeigen und die ehrgeizige Migrationsagenda umzusetzen, die die EU-Kommission vorgelegt hat, und auch um jene Länder zu unterstützen, die dem größten Ansturm von Migranten ausgesetzt sind", so die Sprecherin weiter.

Evaluierung des Dublin-Systems 2016
Die EU-Kommission werde 2016 eine Evaluierung des Dublin-Systems vornehmen, sagte die Sprecherin. Dabei werde sie die bisherigen Erfahrungen des Umverteilungs- und Resettlement-Mechanismus der EU berücksichtigen. "Die EU-Regeln können nur voll funktionieren, wenn die Mitgliedsstaaten Solidarität zeigen und sich der Verantwortung stellen." Das umfasse das gemeinsame EU-Asylsystem und die Dublin-Verordnung.

Nach Angaben der EU-Kommission hat die Zahl der Migranten, die über die Außengrenze in die EU gelangt sind, im Juli erstmals die Marke von 100.000 überschritten. Von Jänner bis Juni seien in den 28 EU-Staaten mehr als 400.000 Asylbewerbungen eingelangt. Im gesamten Vorjahr waren es 600.000 gewesen, sagte ein Kommissionssprecher.

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