Berüchtigter §209

“Homo-Paragraf”: Brandstetter lässt Urteile tilgen

Österreich
12.08.2015 13:16
Justizminister Wolfgang Brandstetter will alle Strafregister-Einträge wegen Verurteilungen nach "alten" anti-homosexuellen Strafparagrafen streichen lassen. Nach einer Verurteilung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte im November 2012 hat er jetzt den Entwurf für ein eigenes "Tilgungsgesetz" in Begutachtung geschickt.

2002 hatte der Verfassungsgerichtshof den Paragraf 209 Strafgesetzbuch, der als "Schutzalter" 18 Jahre (statt sonst 14) für homosexuelle Kontakte vorsah, aufgehoben. Schon früher waren andere speziell gegen Homosexuelle gerichtete Straftatbestände gestrichen worden, etwa 1971 das "Totalverbot" oder später spezielle Strafen für homosexuelle Prostitution. Die alten Urteile wurden allerdings nicht aufgehoben und die Verurteilungen nicht aus dem Strafregister getilgt - außer die Verurteilten wandten sich an den EGMR.

§209: Noch immer mehr als 100 Verurteilungen im Register
Im Strafregister scheinen bis heute 112 Verurteilungen nach Paragraf 209 auf, 35 nach Paragraf 210 (homosexuelle Prostitution), vier zum Vorgänger-Paragrafen 500 sowie 52 zum "Totalverbot". Mit dem Entwurf soll "ein wesentliches Hindernis für ein Vergessen der Verurteilungen beseitigt und die Resozialisierung gestärkt" werden, so Brandstetter.

Ein immerhin elf Paragrafen langes Gesetz ist nötig, weil eine "Generalamnestie" nicht ganz einfach ist: Wenn der Betreffende z.B. schon vorher wegen anderer Vergehen verurteilt worden war, könnte die Tilgung für Paragraf 209 dazu führen, dass sich die Tilgungsfristen für die anderen Delikte verlängern. Um solche Nachteile zu verhindern, wird nur auf Antrag und mit Einzelfallprüfung getilgt. Der Staatsanwalt muss die Tilgung beantragen, wenn für den Verurteilten keine Nachteile zu erwarten sind. Für das Verfahren zuständig ist ein Einzelrichter jenes Landesgerichts, an dem das Urteil erging.

"Zweite Chance" für junge Straftäter
Ein zweites am Mittwoch von Brandstetter präsentiertes Gesetzesvorhaben steht unter dem Motto "Zweite Chance für junge Straftäter". Oberstes Ziel sei die Vermeidung von Haftstrafen, sagte der Minister über die Reformpläne, die nun in Begutachtung gehen. Die besonderen Regeln für jugendliche Straftäter - etwa niedrigere Strafuntergrenzen - sollen künftig für junge Erwachsene bis 21 Jahre angewandt werden.

Unter Schwarz-Blau war 2001 die Geltung des Jugendstrafrechts - mit einigen flankierenden Maßnahmen für junge Erwachsene - von 19 auf 18 Jahre gekürzt worden, 2003 schloss der blaue Justizminister Dieter Böhmdorfer den Jugendgerichtshof in Wien. Brandstetter will nun "viel tun, um Jugendlichen und jungen Erwachsenen eine zweite Chance zu geben, damit sie erfolgreich resozialisiert werden können". Man dürfe "nicht davon ausgehen, dass jugendliche und heranwachsende Straftäter ein Leben lang kriminell sind". Ihr Verhalten sei noch stark beeinflussbar, damit stünden die Chancen eines Neubeginns bei ihnen noch besonders gut. "Diese müssen wir nützen", so Brandstetter.

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