Hetze im Netz

Hasspostings: Anstieg in Zahlen schwer zu fassen

Web
03.08.2015 09:07
Ein 17-jähriger Lehrling verliert nach einem hetzerischen Posting seine Lehrstelle, einer Grazer Supermarkt-Angestellten wird wegen eines gehässigen Kommentars im Internet gekündigt - Fälle wie diese erwecken den Anschein, dass die Zahl der sogenannten Hass-Postings im Internet deutlich gestiegen ist. In nackten Zahlen ist das allerdings schwer zu belegen, zumindest, wenn man strafrechtlich Relevantes betrachtet: Laut Justizministerium gab es heuer bislang 179 Anzeigen wegen Verhetzung, im Gesamtjahr 2014 waren es 339. Behörden warnen trotzdem vor einer "besorgniserregenden Entwicklung".

Das Bundesamt für Verfassungsschutz spricht von einem Anstieg der Anzeigen wegen hetzerischer Postings um 30 Prozent - allerdings im Jahr 2014. Die Zahl der Anzeigen freilich sagt noch nichts darüber aus, ob wirklich mehr Österreicher online hetzen, schließlich wird wohl bei Weitem nicht jedes derartige Posting angezeigt. Und so gilt es vor allem, Tendenzen nachzuspüren. Das tut seit Jahren die Antirassismus-Organisation ZARA, und die berichtete zuletzt von einem Anstieg von Meldungen "bezüglich Hass im Internet".

Sehr besorgt ist auch die steirische Antidiskriminierungsstelle: "Gerade die Debatte um Asylwerbende bringt hetzerische und rassistische Äußerungen zutage, die bis dato nicht in diesem Ausmaß zu sehen waren - eine wirklich besorgniserregende Entwicklung, der Einhalt geboten werden muss. Wir melden diese Hass-Postings dem Provider und in einigen Fällen, vor allem wenn es strafrechtlich relevant ist, der Staatsanwaltschaft, insbesondere, wenn ein Zusammenhang zum Verhetzungsparagraph besteht", erklärt Leiterin Daniela Grabovac.

Ihrer Stelle wurden heuer schon 68 Fälle von Hass-Postings gemeldet. Im gesamten Vorjahr waren es 40, was schon knapp nach der Jahreshälfte einen Anstieg um rund 70 Prozent bedeute. 2012 waren es 77 und 2013 exakt 28 Fälle.

"Steigende Tendenz"
Den zunehmenden Trend "Tatort Internet" bestätigt das niederösterreichische Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung. Auch wenn man bewusst keine Gesamtzahlen für das Bundesland nennen will: Vorfälle, Anzeigen und Ermittlungsverfahren würden kontinuierlich steigende Tendenz zeigen. Einerseits sei dafür die wachsende Nutzung sozialer Netzwerke verantwortlich - vielen Menschen sei gar nicht bewusst, dass sie sich durch verhetzende Postings etwa aus rassistischen Motiven strafbar machen -, andererseits auch die Sensibilität jener, die radikale Wortmeldungen anzeigen.

Staatsanwaltschaften zeichnen anderes Bild
Unterschiedliche Erfahrungen zeigt hingegen der Blick in die Staatsanwaltschaften. Verstöße gegen das Verbotsgesetz hätten sich in den letzten Jahren in Salzburg gehäuft, erklärt etwa die dortige Behörde. Hier seien seit 2012 auch mehr Anklagen verzeichnet worden. Bezüglich des Deliktes Verhetzung sei aber keine Anhäufung an Ermittlungsverfahren festgestellt worden. Marcus Neher, Sprecher der Staatsanwaltschaft Salzburg, gibt jedoch zu bedenken, dass eine Verhetzung oft das Tatmittel zur Begehung nach dem Verbotsgesetz ist.

Die Verhetzung sei somit typisch für eine Wiederbetätigung im nationalsozialistischen Sinne. In den vergangenen drei Jahren hatte Neher die Staatsanwaltschaft Salzburg bei 17 Schwurgerichten nach dem Verbotsgesetz vertreten. Dabei wurde den durchwegs noch jungen Angeklagten oft auch das Delikt der Verhetzung - vermehrt auch auf Facebook - vorgeworfen.

Zwei von drei Verfahren in Vorarlberg eingestellt
In Vorarlberg gab es in diesem Jahr drei Verfahren wegen Verhetzung im Internet. Zwei davon wurden bereits wieder eingestellt, eines laufe noch, so der Sprecher der Staatsanwaltschaft Feldkirch. 2014 seien insgesamt zwölf Verfahren wegen Verhetzung anhängig gewesen, zwei davon wurden zur Anklage gebracht.

Von einem Trend könne man da weder in die eine noch in die andere Richtung sprechen. Die meisten Verhetzungsverfahren beruhten zwar auf Fällen aus dem Internet, man könne aber nicht ausschließen, dass unter den zwölf Ermittlungsverfahren auch andere Tatbestände gewesen seien. Zudem würden Hass-Postings im Internet mitunter auch gegen das NS-Verbotsgesetz verstoßen, diese Fälle würden separat dokumentiert. 2014 gab es in Vorarlberg insgesamt 37 derartige Verfahren, seit Jänner seien etwa neun weitere dazugekommen.

"Relativ wenige" Anzeigen im Burgenland
Im Burgenland gibt es laut Angaben der Staatsanwaltschaft Eisenstadt "relativ wenige" Anzeigen wegen Verhetzung. Aufs Jahr gerechnet, könne man sie "an zwei Händen abzählen", so die Anklagebehörde. Ein Fall werde in nächster Zeit verhandelt. Im Vorjahr stand ein Südburgenländer wegen Hass-Postings vor Gericht. Ihm wurde vorgeworfen, in einem Internet-Blog gegen Muslime gehetzt zu haben.

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