HDP-Boss im Visier

Türkei: Justiz ermittelt gegen Kurden-Parteichef

Ausland
30.07.2015 22:27
Inmitten der türkischen Militäroffensive gegen Anhänger der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) gerät nun der Chef der prokurdischen Oppositionspartei HDP ins Visier der türkischen Justiz. Während die Luftwaffe am Donnerstag erneut Stellungen der in der Türkei verbotenen PKK im Nordirak attackierte, leitete die Staatsanwaltschaft laut Berichten Ermittlungen gegen Selahattin Demirtas ein. Ihm drohen bis zu 24 Jahre Haft.

Der Nachrichtenagentur Anadolu zufolge wird gegen den HDP-Vorsitzenden wegen Störung der öffentlichen Ordnung und Anstachelung zur Gewalt ermittelt. Sollte es zu einem Prozess kommen, drohen Demirtas bis zu 24 Jahre Haft.

Ermittlungen wegen gewaltsamer Proteste
Offizieller Hintergrund der Ermittlungen sind die gewaltsamen Proteste im Oktober 2014, bei denen mindestens 30 Menschen getötet wurden, darunter zwei Polizisten. Aus Wut darüber, dass die Regierung in Ankara den von der dschihadistischen Organisation Islamischer Staat bedrängten Kurden in Syrien nicht militärisch zu Hilfe kam, gingen Kurden sowie Sympathisanten der Kurden in Syrien auf die Straße. In mindestens 35 der insgesamt 81 türkischen Provinzen ist es laut damaligen Angaben aus Ankara zu Ausschreitungen gekommen.

Demirtas warf der Regierung in Ankara am Donnerstag vor, dass deren Angriffe auf die IS-Dschihadisten nur ein Vorwand seien, um gegen die PKK vorzugehen. Erdogan schüre den Konflikt auch, um die HDP zu schwächen und der AKP bei möglichen Neuwahlen einen politischen Vorteil zu verschaffen, sagte Demirtas der Nachrichtenagentur AFP. Er rief die Regierung und die PKK dazu auf, ihre Angriffe sofort einzustellen und am Friedensprozess festzuhalten.

Kurdenpartei HDP kostete Erdogan Absolute
Die prokurdische HDP von Demirtas hatte bei den jüngsten Parlamentswahlen am 7. Juni erstmals die Zehn-Prozent-Hürde überwunden und zog ins türkische Parlament ein. Die regierende islamisch-konservative AKP verlor demgegenüber ihre absolute Mehrheit. Dem Wunsch von Präsident Recep Tayyip Erdogan nach Aufbau eines Präsidialsystems in der Türkei wurde vorerst ein Strich durch die Rechnung gemacht. Erst am Dienstag hatte Erdogan gesagt, es könne seiner Ansicht nach gegen einzelne Parteimitglieder der HDP vorgegangen werden, die Verbindungen zu "Extremisten" hätten.

Der HDP wird von Kritikern - insbesondere auch von der AKP und Präsident Erdogan - immer wieder der Vorwurf gemacht, der PKK nahezustehen. Experten wie etwa der türkische Soziologe Bülent Kücük sprechen zwar von einer politischen Affinität zwischen der HDP und der PKK, bezeichnen die beiden Parteien aber als voneinander unabhängige politische Bewegungen.

Die Kurden im Nordirak fürchten einen Flächenbrand in der Region im Falle anhaltender Luftangriffe der Türkei. Er sei traurig, dass die Türkei und die PKK den Friedensprozess beendet hätten, sagte der Bürgermeister im nordirakischen Erbil, Nihad Latif Koja, am Donnerstag im RBB-Inforadio. "Wir brauchen keinen weiteren Krieg", sagte er mit Blick auf den Kampf der Kurden gegen die IS-Dschihadisten.

Luftwaffe weitet Angriffe auf PKK aus
Ein Ende der Gewalt ist trotz der Friedensappelle weiter nicht in Sicht: Die türkische Luftwaffe weitete ihre Angriffe auf die PKK am Donnerstag offenbar aus. 30 türkische Kampfjets bombardierten PKK-Stellungen im Nordirak, wie türkische TV-Sender berichteten. Die Armee habe Vergeltung für einen mutmaßlichen PKK-Anschlag auf einen Militärkonvoi im Südosten der Türkei geübt, hieß es.

Die PKK-Angriffe sind die jüngsten in einer Serie von Attacken gegen Polizisten und Soldaten, bei denen laut Behörden bisher insgesamt elf Sicherheitskräfte getötet wurden. Nach Angaben der Zeitung "Hürriyet" wurden durch die Luftangriffe seit der vergangenen Woche bisher 190 PKK-Kämpfer getötet und 300 verwundet. Die Regierung wollte dazu keine Angaben machen.

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