Skandalös, herzlos

Rettungsdienst kündigt traumatisiertes Amok-Opfer

Steiermark
28.07.2015 16:26
Die Zeit fliegt, wir dazu, unsere Gesellschaft, alles rennt so schnell, Innehalten ist nimmer erlaubt. Schlagzeilen knallen: Flüchtlingsdramen, Amok, Leid, Elend, wohin man schaut auf der Welt.

Rückblende, 20. Juni, Samstag, 12.15 Uhr, vor nicht einmal zwei Monaten. Da raste Alen R. durch die Grazer Innenstadt, die Herrengasse, tötete drei Menschen, verletzte 36 schwer - und traumatisierte eine Stadt. Und, obwohl es eine Farce ist, flechten wir hier noch die juristische Floskel "es gilt die Unschuldsvermutung" ein. Weil, die Justiz ermittelt ja noch.

Alltag hat uns wieder
Heute, 40 Tage später, wer redet da - außer den Opfern, den unmittelbar Betroffenen, ihre Angehörigen - noch über die grausige Amokfahrt? Ja, manchmal, da kommt in einem Innenstadt-Gastgarten ein bissl Wehmut daher, aber hauptsächlich, weil die Kerzerln weggeräumt wurden. Oder Katastrophen-Touristen schauen vorbei. Der Alltag hat uns wieder.

Albträume, Schlafstörungen
Ein "doppeltes Opfer" der abscheulichen Tat ist, wenn man so will, Peter H., von Beruf Rettungssanitäter. Er war, wie Hunderte andere auch, am blutigen Samstag in der Herrengasse unterwegs. Im Urlaub, bummeln, shoppen, Stadt genießen. Dann hörte er einen Motor aufheulen, sprang instinktiv in eine Nische, konnte sich gerade noch in Sicherheit bringen, wurde Zeuge des Gemetzels. Danach: Albträume, Schlafstörungen, traumatisiert. Er verbrachte den Resturlaub "ferngesteuert", die Angstzustände wurden immer schlimmer, Peter H. meldete sich krank, musste in stationäre Behandlung.

Und jetzt, liebe Leser, jetzt kommt’s: Wenige Tage später wurde der Sanitäter von seinem Dienstgeber, dem "Grünen Kreuz", gekündigt. Begründung: Durch die erlittenen Angstzustände sei die "gesundheitliche Eignung" nicht mehr gegeben. Das muss man sich einmal vorstellen, da fehlen einem die Worte.

AK geht gegen Kündigung vor
"Skandalös, zutiefst unmenschlich und herzlos", nennt AK-Präsident Josef Pesserl – die Arbeiterkammer geht nun gerichtlich gegen die Kündigung vor – die Vorgangsweise des privaten Rettungsdienstes. Und weiter: "Wie ein gemeinnütziger Verein nach nur fünf Tagen Krankenstand einem Mitarbeiter die berufliche Eignung abspricht, ist beispiellos!", empört sich der AK-Chef weiter.

Das Motto des Rettungsdienstes - "Im Mittelpunkt unseres Handelns steht stets der Mensch" - sei offenbar nichts weiter als eine hohle Phrase. Ausnahmesituationen wie die Grazer Amokfahrt erforderten besonders Feingefühl.

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