Lokalaugenschein

Athen: Grenzgang zwischen Arm und Reich

Ausland
18.07.2015 17:00
Sieben Tage Athen, Tausend Eindrücke: Hier prallen Welten aufeinander. Luxusjachten im Hafen, Delikatessen für die Reichen, Märkte voller Fische - und eine unfassbare Armut.

"Listen to me. I tell you a story..." Schwer zu sagen, wie oft Lefteris Kaparis diese Worte in den vergangenen sieben Tagen gesagt hat. Geschichten gab es unendlich viele zu erzählen. Die von Tsalikis Vangelis zum Beispiel: Es duftet nach frischem Brot in der fein sortierten Bäckerei. Der Ofen läuft ohne Unterbrechung - nicht nur für zahlungskräftige Kunden. 315 Stück Brot verschenkt Vangelis seit zwei Wochen täglich an Griechen, denen nichts geblieben ist. In nur einer der 702 Bäckereifilialen des Unternehmens. Tausende Menschen werden somit versorgt: "Niemand darf Hunger leiden."

"Die Griechen haben relativ ruhig reagiert"
Es ist ein Teufelskreis. Marion Hoffmann sagt das. Die ehemalige UNO-Flüchtlingsexpertin prophezeit nichts Gutes. Mehr als 50 Prozent der Jugend ohne Job, ohne Wohnung und selbst ihre Eltern oder Großeltern können sie finanziell nicht mehr unterstützen. "Real sind über 50 Prozent an Geldern für jeden Einzelnen weggefallen. So gesehen haben die Griechen relativ ruhig reagiert", weiß die Wienerin. Sie kennt das Volk, lebt seit zwanzig Jahren in Hellas. Es ist ihre Heimat, die Staatsbürgerschaft behielt sie aber in Österreich. Bankkonten auch.

"Listen", sagt Lefteris (51), unser Begleiter, wieder. Wir hören zu, während Fahrer Andrew die Türen seines Taxis von innen verriegelt und in eine Seitenstraße abbiegt. "Das Viertel heißt Omonia. Es war früher das Herz von Athen. Wir steigen hier nicht aus." Die einstige "Harmonie", das bedeutet Omonia, ist hier längst zerstört. Dealer, Drogensüchtige und Prostituierte beherrschen das Viertel heute. Lefteris  "erlaubt" doch einen Rundgang - bis sechs junge Migranten dastehen. Rückzug! Wir gehen.

"Überall Delikatessen, aber keiner kann es sich leisten"
Zwei Straßenzüge weiter scheint die Welt wieder in Ordnung zu sein, wenn auch nur in einem kleinen Geschäft. Es duftet nach Salami, Käse, Kräutern. Seit 200 Jahren werden hier Kunden verwöhnt. "Schau, siehst du?" Lefteris zeigt in den Raum. "Überall Delikatessen, aber keiner kann es sich leisten."

Auf dem Fischmarkt stehen sich die Verkäufer mit kaltem Bier in der Hand die Füße in den Bauch, Hitze und Geruch sind quälend. "Fresh fish, one kilo - 1,99 Euro", ruft ein Standler. Ein paar Stunden zuvor kostete die Menge noch mehr als zehn Euro. Unerschwinglich.

"Wir müssen optimistisch sein"
Rania Karatzeni, Chefin der Epirus-Taverne auf dem Markt nimmt das so hin. Auf die Reichen ist sie nicht sauer. "Wir müssen optimistisch sein. Und noch härter arbeiten." Sieben Tage Athen, und es gebe noch viel zu erzählen, sagt Lefteris zum Abschied. "Listen. Ich erzähl euch die Story sicher weiter."

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