Griechenland-Poker

Schäuble-Vorstoß: Fünfjähriger “‘Grexit’ auf Zeit”

Ausland
12.07.2015 08:27
Griechenlands Zukunft in der Eurozone bleibt weiter ungewiss: Ein Sondertreffen der Euro-Finanzminister hat am Samstag keinen Durchbruch gebracht und wird am Sonntagvormittag fortgesetzt. Mitten in die schicksalsträchtigen Verhandlungen um die drohende Staatspleite Griechenlands platzte Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble mit einer neuen Idee: Griechenland solle die Eurozone für mindestens fünf Jahre verlassen und seine Schulden neu ordnen, berichtet die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" über den Schäuble-Vorstoß.

Das Euro-Sorgenkind solle während dieser Zeit Mitglied der EU bleiben und weiter wachstumsstärkende, humanitäre und technische Unterstützung erhalten, so die Zeitung unter Berufung auf ein Positionspapier Schäubles. Der "'Grexit' auf Zeit" sei einer von zwei Wegen, die Schäuble derzeit für Griechenland noch sehe, berichtet die Zeitung. Die andere Möglichkeit sei, dass die Regierung in Athen ihre Vorschläge rasch und umfassend verbessere, mit voller Unterstützung des Parlaments.

Das aktuelle Programm beurteile Schäuble in dem Positionspapier, das er am Samstag den anderen Euro-Staaten zukommen lassen habe, negativ. Darin fehlten zentrale Reformbereiche, um das Land zu modernisieren und auf lange Sicht Wirtschaftswachstum und nachhaltige Entwicklung voranzubringen. Deshalb könne es nicht Grundlage für ein komplett neues, auf drei Jahre angelegtes Hilfsprogramm sein.

Eurogruppe: "Deutliche Mehrheit" gegen Athens Reformpapier
Nicht zuletzt die Position Schäubles brachte die Krisenverhandlungen der Eurogruppe am Samstag ins Stocken. Die Finanzminister der 19 Staaten der Währungsunion berieten seit dem Nachmittag in Brüssel, ob Athen mit seinem Donnerstagnacht geschickten Reformpapier genug Vertrauen für ein neues, drittes Hilfspaket geschaffen hat. Am Abend hieß es aus Teilnehmerkreisen, nicht nur Deutschland, sondern "eine deutliche Mehrheit der Teilnehmer" sei dagegen, auf dieser Basis Verhandlungen für ein nächstes Hilfspaket aufzunehmen. Eine Einigung rückte somit in weite Ferne.

Durch das schleppende Vorankommen der Euro-Finanzminister liegt der Ball nun wohl bei den Staats- und Regierungschefs. Diese stehen am Sonntag bei ihrem Doppel-Gipfel (erst Eurozone, dann alle EU-28) vor einer Richtungsentscheidung, ob es ein weiteres Hilfsprogramm oder humanitäre Hilfe für Athen geben soll - mit anderen Worten, ob Griechenland in der Eurozone bleiben kann.

Schelling verlangt Garantien von Griechenland
Die Bruchlinien quer durch Europa wurden bereits am Samstag deutlich: Deutschland positionierte sich als Hardliner, unterstützt von Finnland und mehreren osteuropäischen Staaten. Frankreich gilt als mächtigster Unterstützer der griechischen Reformvorschläge. Österreichs Finanzminister Hans Jörg Schelling sagte vor Verhandlungsbeginn im Ö1-"Mittagsjournal", Voraussetzung für einen Deal sei, dass Griechenland Garantien für die Umsetzung der Programme liefere. "Es ist gut, dass jetzt ein Papier da liegt, nur hätte man das alles einfacher und früher auch haben können."

Der von Griechenland geforderte Hilfsbetrag sei mit 74 Milliarden Euro deutlich höher, als man ursprünglich vermutet habe. Das Geld könne nur freigegeben werden, wenn es im griechischen Parlament Beschlüsse gebe, die Reformvorhaben auch umzusetzen. Auf keinen Fall werde es bei den Hilfen eine Vorkassa geben: "Es kann nur nach Fortschritt ausbezahlt werden. Das ist der entscheidende Punkt, den die griechische Regierung auch verstehen muss. Wir haben kein Vertrauen mehr, dass wir Geld nach Griechenland schicken und die Maßnahmen dann nicht gesetzt werden", so Schelling - "zuerst die Maßnahmen, dann das Geld".

Banken bleiben wohl länger zu
In Griechenland selbst steht derzeit unter anderem die bange Frage im Raum, wann sich das Bankgeschäft wieder normalisiert. Wirtschaftsminister Georgios Stathakis machte am Samstagabend wenig Hoffnung: Die Einschränkungen, denen die Banken derzeit ausgesetzt sind, würden noch einige Zeit aufrecht bleiben, sagte er. Die Banken könnten bei einem Deal mit der Eurogruppe zwar in der kommenden Woche wieder aufsperren, die Kapitalverkehrskontrollen sollen aber zumindest noch zwei weitere Monate lang bestehen bleiben, sagte Stathakis. Bargeldbehebungen und Geldtransfers ins Ausland sind derzeit streng begrenzt.

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