400 neue Plätze

Mikl-Leitner versteht Aufregung um Zelte nicht

Österreich
03.07.2015 11:52
Der Flüchtlingsstrom in die EU reißt nicht ab. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner lässt deshalb nun für 400 Asylwerber neue Zelte im Burgenland und im Kärntner Krumpendorf, wo 240 Personen in 30 Zelten auf dem Gelände der ehemaligen Polizeikaserne untergebracht werden sollen, aufstellen. Während Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser verhindern will, dass diese Lösung zu einer Dauereinrichtung wird, versteht Mikl-Leitner die ganze Aufregung um die Zelte nicht.

Für die Innenministerin ist es "erschütternd, dass unter freiem Himmel schlafende Menschen in Traiskirchen allgemein für weniger Aufregung gesorgt haben als Zelte, damit diese Menschen zumindest einen Schlafplatz und eine Plane über dem Kopf haben". Sie zeigte sich am Freitag aber optimistisch, dass die Hilfsbereitschaft in Österreich größer werde. "Ich vertraue jedenfalls auf die positive Kraft aus der Bevölkerung, in der es genug Hilfsbereitschaft und Selbstbewusstsein gibt, damit wir die Kriegsflüchtlinge vernünftig unterbringen können. Und die Bürgermeister, die Mut zeigen und zur Hilfsbereitschaft stehen, werden ja auch immer mehr."

Innenministerium hofft auf Hilfsbereitschaft der Bevölkerung
Um die Hilfsbereitschaft anzukurbeln, schaltet das Ministerium am Wochenende in allen Zeitungen Inserate, in denen Privatpersonen ermuntert werden, freistehende Quartiere für Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen. "Hilfsbereit und selbstbewusst? Und Sie haben eine freie Unterkunft? Würden Sie Kriegsflüchtlingen eine Unterkunft geben? Ihre Unterstützung und Ihr Aufwand werden Ihnen finanziell abgegolten", heißt es auf den Sujets. "Als Quartiere können von freien Wohnungen bis hin zu leeren Hallen alle Objekte zur Vermietung angeboten werden, die über Mindeststandards wie Sanitäreinrichtungen verfügen. Sie müssen sich um sonst nichts kümmern", klärt das Ministerium in dem Inserat auf.

Widerstand aus Kärnten
In Kärnten hofft man, dass die Asylwerber aus den Zelten, die ab Samstag zur Verfügung stehen werden, nach ein bis zwei Wochen in feste Unterkünfte übersiedeln können. Man suche mit Hochdruck nach festen Quartieren, aber erst wenn die Flüchtlinge versorgt seien, könne man weitere aufnehmen, so Kaiser am Freitag im ORF. Zuteilungen aus Traiskirchen werde man bis dahin nicht akzeptieren. Interpretationen, wonach das Land generell keine Flüchtlinge mehr aufnehmen werde, solange die Zelte stehen, wurden aus dem Büro des Landeshauptmannes zurückgewiesen. Es dürfe aber nicht passieren, dass aus dem Zeltlager quasi durch die Hintertüre das in Diskussion stehende Erstaufnahmezentrum werde.

Zelte für Häupl "völlig falscher Weg"
Auch Wiens Bürgermeister Michael Häupl meldete sich zu Wort und kritisierte, dass weitere Zelte aufgestellt werden. Dies sei der "völlig falsche Weg", meinte der Stadtchef am Freitag. Mikl-Leitner konterte, dass auch ihr Container lieber gewesen wären, ihr dafür aber die nötigen Genehmigungen der Gemeinden fehlen. Indirekte Kritik kam auch am Innenministerium, weil nicht Container errichtet werden. Verteidigungsminister Gerald Klug zeigte gewisses Verständnis, kurzfristig sei das Problem nicht anders lösbar gewesen. Grundsätzlich gelte aber, dass Zelte als ständige Quartiere ungeeignet seien. Kanzler Werner Faymann erneuerte am Freitag seinen Vorschlag, eine bessere Verteilung der Flüchtlinge über die Bezirke zu organisieren.

Lokalaugenschein in Kärnten
Für Freitag haben sich in Kärnten Beamte des Innenministeriums angesagt, sie wollen mögliche Quartiere, die sich für ein Verteilerzentrum, also für ein größeres Flüchtlingslager, eignen würden, begutachten. Bisher habe das Innenministerium allerdings sämtliche Vorschläge Kärntens abgelehnt, sagte Kaiser. Das Verteilerquartier muss Platz für bis zu 150 Menschen haben, dazu müssen Standort, Bewilligung und Widmung berücksichtigt werden. Sobald eine Entscheidung gefallen ist, könnte das Zentrum - so keine baulichen Maßnahmen nötig sind - binnen weniger Tage in Betrieb genommen werden.

Neben Kärnten werden auch in Eisenstadt bei der Polizeidirektion 20 Zelte für 160 Flüchtlinge errichtet. Ab wann die Quartiere zur Verfügung stehen, ist noch nicht klar. Laut Polizei wird dies vermutlich am Wochenende der Fall sein. Bevor überhaupt ein Zelt aufgebaut war, zeigten sich im Burgenland am Freitag Politiker empört über die Absicht, Kapazitäten für weitere Flüchtlinge zu schaffen. SPÖ, ÖVP und FPÖ ergingen sich in gegenseitigen Schuldzuweisungen.

Mikl-Leitner rechnet heuer mit bis zu 70.000 Asylwerbern
Aktuell rechnet Mikl-Leitner mit bis zu 70.000 Asylwerbern in diesem Jahr. Die Zahl der Flüchtlinge, die derzeit in der Grundversorgung sind, bezifferte die Ministerin mit 41.000, darunter 3.384 unbegleitete Minderjährige. Gemäß Dublin-Abkommen in andere EU-Staaten überstellt wurden in den ersten fünf Monaten des Jahres 620 Personen. 180 Flüchtlinge wurden im Gegenzug von einem anderen EU-Land nach Österreich zurückgeschickt. Die Zahl der untergetauchten Asylwerber wird auf rund 3.000 geschätzt.

"Flüchtlingsfrage wird zu einer Überlebensfrage Europas"
Die weiter steigende Zahl an Asylanträgen zwinge die gesamte EU zum Handeln, argumentiert Mikl-Leitner im "Krone"-Gespräch: "Die Flüchtlingsfrage wird zu einer Überlebensfrage Europas. In Österreich werden an manchen Tagen 370 Asylanträge gestellt. Deshalb: retten - ja. Aber dann müssen die Flüchtlinge wieder in das Drittland zurückgebracht werden, aus dem sie zu ihrer Fahrt über das Mittelmeer gestartet sind. Dort muss es möglich sein, in einem sicheren UNHCR-Zentrum einen Asylantrag zu stellen. Dann wird das Geschäftsmodell der Schlepper nicht mehr funktionieren."

Österreich gelte bei den Flüchtlingen bereits als "Zielland Nr. 1", sagt die Innenministerin: "Im Internet wird ja verbreitet, dass bei uns die Asylverfahren am schnellsten abgewickelt werden, die Sozialleistungen am höchsten sind und die Unterbringung am besten ist. In Frankreich schlafen Tausende Asylwerber in Unterführungen, in Parks." Für den Bau des Grenzzauns in Ungarn hat Mikl-Leitner Verständnis: "Auch in Spanien oder Griechenland gibt es bereits Zäune. Aber mehr Polizeipräsenz wäre mir stattdessen lieber."

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