Handy für Puristen

Wo geht’s hier zu den Tasten?

Elektronik
21.04.2006 16:37
Man legt es auf den Tisch und das große Rätselraten geht los. Was mag’s wohl sein? Ein großer USB-Stick? Pürierstab für’s Handtäschchen mit ausfahrbarem Schneidwerk? Doch ein kompaktes Beautycase mit Lippenstift und Co? Aber wozu dann die Knöpfe… Kurze Pause. Es kommt meistens ein lautes „Häh?!“, wenn man das Geheimnis um den merkwürdigen Gegenstand lüftet. Tja, es ist ein Handy! Ohne Tasten, von Nokia und wir haben’s getestet.

Ein Mobiltelefon mit ockerfarbenem Lederüberzug und weißen Alcantara-Elementen zu bringen, das ist für sich genommen schon äußerst schräg. Beim Zusammenbauen dann die Tasten wegzulassen, unerhört mutig. Das Ding dann aber auch noch verkaufen zu wollen, dafür muss man schon sehr, sehr tough sein.

Stolze Besitzer, stolzer Preis
Trotzdem. Nokia hat seine Ankündigungen vom Dezember wahr gemacht und das 7380 in die Fachmarkt-Regale stellen lassen. Von dort kann man es sich für die Weggabe von knapp 700 Euro - in Worten: siebenhundert - ohne Vertrag mit nach Hause nehmen. Dafür kriegt man einen schmalen, luxuriös anmutenden Quader mit integriertem Schmink-Spiegel, aus dem später ein niedliches Display hervorleuchtet. Drin sind auch noch eine 2-Megapixel-Digicam, Bluetooth, MP3-Player und 128 Megabyte Speicher.

Mühsam erarbeitetes Wissen zwecklos:
Wie telefoniert man eigentlich mit diesem Teil?
Das alte Handy-Latein – von wegen Ziffernblock und grüne Wähltaste – hilft beim 7380 genau gar nix. Deswegen ist der allererste Eindruck auch fatal. Mann wie Frau hält’s ratlos in den Händen und wünscht sich inständig, der liebe Herrgott möge ein paar Tasten vom Himmel schicken.

Aber man KANN wählen! Dafür gibt’s ganz oben im Menü, das über ein iPod-likes Drehrad aufgerufen wird, einen Eintrag Namens „Zifferneingabe“. Wie im Screenshot zu sehen, wählt man eine Ziffer von 0 bis 9 mit dem Drehrad an, bestätigt sie per Tastendruck und wiederholt das so lang, bis die gewünschte Nummer am Display vervollständigt ist.

Für eine österreichische Handynummer brauchen mittelflinke Finger gestoppte 18 Sekunden. Ein Anruf nach Deutschland inklusive Vor- und Durchwahl kann aber bis zu 25 Sekunden „Wählzeit“ kosten.

SMS = Stundenlang Mails Schreiben
Es kommt noch dicker beim lieben SMS. Ganz genauso wie bei der Wählerei muss man sich auch hier beim Buchstabieren abrackern. Bei 26 Lettern plus Umlaute und Satzzeichen statt zehn Ziffern dauert’s aber ungleich länger.

Dem Freund oder der Freundin zu schreiben, dass man fünf Minuten später kommt, kann man getrost bleiben lassen. Dafür würden nämlich noch einmal fünf Minuten draufgehen…

Spontane, selbst getippte Anrufe und lange SMS sind aber ohnehin nicht Sache des 7380. Vielmehr ist es das schicke Accessoire in der Handtasche der modernen Trendsetterin. Griffig, weil mit Leder überzogen und todschick, weil im ockerfarbenen Henna-Look gehalten.

Kombiniere: Ein Handy für Puristen
Nachdem man die Wählprozedur und das komplizierte „SMSen“ einmal verdaut hat, beginnt das 7380 zu gefallen. Beim Telefonieren liegt das geschmeidige Handy gut in der Hand. Die Sprachqualitäten sind allerhöchstes Nokia-Niveau.

Und bald merkt man auch, dass man seine wichtigsten Telefonkontakte ohnehin gespeichert hat und wie selten man eigentlich noch Telefonnummern wählt. Außerdem lassen sich Kontakte und Visitenkarten am PC redigieren und per Synchronisation ans Handy übertragen, was der mühsamen Tipperei auch Abhilfe schafft.

Nokia hat sich eine ganz spezielle Zielgruppe für sein Luxusprodukt ausgesucht, die (weiblichen) Puristen. Als Zweithandy oder für Menschen, die nur selten telefonieren aber das nötige Kleingeld besitzen, passt das 7380 nämlich hervorragend. Dafür spricht auch die irre lange Akkulaufzeit von knapp zehn Tagen im Test.

Kein Platz am Display, dafür super Fotos
Zudem lassen sich mit der eingebauten Digicam ganz ordentliche Fotos schießen. Aus unerfindlichen Gründen benützt das 7380 zwar nur knapp zwei Drittel der für das Foto verfügbaren Displayfläche, aber nachdem man die Schnappschüsse per Bluetooth oder optional erhältlichem Datenkabel an einen PC übertragen hat, offenbart sich gute Qualität. Die Bilder sind sauber ausgeleuchtet und man neigt durch den mitgelieferten Nachtmodus seltener zum Verwackeln. Ausdrucke auf A4 sind möglich.

Fazit: Für das Nokia 7380 braucht’s zwar eine gewaltige Umstellung und gewisse Kompatibilität mit dem eigenen Lebensstil respektive Telefonierverhalten, das Handy ist in Sachen Flair, Anmutung und Handhabung aber wirklich einzigartig.

Einzig der saftige Preis schmerzt. Der eine oder andere Design-Freak, der auch beim Handy nicht auf seitliche Labels verzichten will, wird aber mit ziemlicher Sicherheit die notwendige Investition tätigen. So oder so, der Handymarkt und das Programm des weltweit am beliebtesten Herstellers ist auf jeden Fall um eine Sensation reicher.

Bloß für Vieltelefonierer und Menschen, die noch viele Telefonnummern sammeln, gilt: Hänge weg! Wer will schon, dass der Flirt den Bach runter geht, weil man sich beim Einspeichern der Nummer scheinbar zu blöd anstellt...


Christoph Andert

Fotos (c) Nokia
Screenshots: CA

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