Großer Band-Hype

BABYMETAL: Mit Lolita-Charme zur Welteroberung

Musik
08.06.2015 12:32
Sie gehören derzeit zu den angesagtesten Metal-Bands der Welt und begeistern seit geraumer Zeit auch ihr Publikum außerhalb Japans. BABYMETAL haben mit ihrer Mischung aus kindchenhaftem J-Pop und harschen Metal-Riffs den Nerv der gelangweilten Zuseher getroffen und klettern die Erfolgsleiter unaufhaltsam nach oben. Doch hat der Lolita-Charme langfristig Bestand?
(Bild: kmm)

"The Debut Album Of The Worldwide Phenomenon", prangt als Leitspruch auf dem seit Kurzem erhältlichen Debütalbum der japanischen Casting-Band BABYMETAL. Jawohl, BABYMETAL in Großbuchstaben ist richtig geschrieben und das mit dem Phänomen kann eigentlich gar nicht abgestritten werden. In ihrer Heimat spielen sie regelmäßig in 20.000er-Arenen, für fünf Shows durften sie Lady Gaga als Support begleiten und auf den diversen sozialen Netzwerken rühmen sich Kultmusiker wie Slash, Fred Durst oder sogar KISS mit gemeinsamen Fotos. Bei den gefeierten Konzerten – zuletzt etwa auch bei ihrer Österreich-Premiere am "Rock in Vienna" – starten hartgesottene Metal-Fans Moshpits vor drei minderjährigen Mädchen.

Einfache Massenmaximierung
Frontsängerin Su-Metal ist 17, ihre beiden Partnerinnen Moametal und Yuimetal 15. Kurze Röcke, ausgeklügelte Tanzchoreografien und piepsige J-Pop-Stimmen paaren sich mit Metal-Riffs der Marke Metallica, Slipknot oder System Of A Down. Was viele Fans und Liebhaber als aktuellste Innovation im gesättigten Musikmarkt sehen ist nichts anderes als der Zusammenschluss zweiter artfremder Genres zur größtmöglichen Maximierung des Fan-Aufkommens. Einfache Betriebswissenschaft im brutal vertonten Mantel. Eingängig-harte Musik trifft auf den allseits beliebten Lolita-Charme und durch die gesangliche Entschärfung wird das Dargebotene auch für den seichteren Rock-Hörer bekömmlich.

Um das Phänomen in Europa erfassen zu können, muss man die japanischen Gebräuche verstehen. Seit den frühen 70er-Jahren herrscht dort die sogenannte "Idol-Kultur", in der Teenager-Mädchen zu Stars getrimmt werden, um die meist oberflächlichen und materiellen Werte der Fans zu befriedigen. Übersetzt heißt "Idol" in dem Fall "Sternchen". Was alle "Idols" im Popmusik- oder Filmbereich einte, war die Kurzlebigkeit. Ab einem gewissen Alter zogen sich die Kurzzeitstars von selbst zurück oder wurden von den Rezipienten einfach durch neue, oftmals jüngere "Idols" ersetzt. Logisch, dass auch das Kindchenschema des mädchenhaften BABYMETAL-Trios nicht für die Ewigkeit bestimmt ist.

Professionelle Maschinerie
In der Gegenwart allerdings, ist das perfekt durchgeplante Konzept drauf und dran, sich innerhalb der nächsten Jahre auch in Europa einen Headliner-Status zu erspielen. Nicht nur die Musik, die sich mit Songtitel wie "Gimme Chocolate!!" oder "Headbangeeeeerrrrr!!!!!" nicht zwingend um die großen Weltprobleme dreht, auch die Maschinerie hinter einem der erfolgreichsten japanischen Musikexporte ist professionell. Interviewfragen müssen vorab geschickt werden und beim Gespräch haben die drei Sängerinnen, ihre Dolmetscherin, eine Aufpasserin und das musikalische Mastermind der Band, Key Kobayashi alias Kobametal, die vorgefertigten Fragen auf Japanisch vor sich liegen.

Die vereinbarte Gesprächszeit wird kurz vor Beginn noch auf 15 Minuten halbiert und das erfolgreiche Dreigestirn sitzt aufgefädelt gegenüber, um die Fragen übersetzt entgegenzunehmen. Vor jeder einzelnen Antwort sprechen sich die drei kurz ab, bevor Hauptsängerin Su-Metal die meisten Antworten übernimmt. "Die Fans hier in Europa sind nett und zuvorkommend, als Amerikanerinnen hätten wir diesen Erfolg niemals, es ist toll, immer mehr Heavy-Metal-Fans bei unseren Konzerten begrüßen zu dürfen." Die Interviewsituation ist so perfekt choreografiert wie die Tänze kurz zuvor auf der Bühne. Hier gibt es keinen Platz für Überraschungen, Improvisation oder einen Ausbruch aus dem Schema F.

Ausgefeiltes PR-System
Als wir es wagten, zwei Fragen außerhalb des vorgefertigten Katalogs zu stellen, folgten minutenlange Diskussionen auf Japanisch und – Überraschung – beliebige Antworten. Wie ist das denn in Japan, wo Erfolg das A&O jeder Karriere ist? "Wir befinden uns in einem ständigen Lernprozess, aber es macht viel Spaß, Neues und Spezielles zu machen." Und was ist jetzt mit dem Erfolgsdruck? "Der Fuchs-Gott auf der Bühne kümmert sich um uns – dann kann uns nichts passieren." Wer hinter den platten Antworten Leere vermutet, liegt dennoch falsch. Vielmehr geht es hier einerseits um den Schutz der noch minderjährigen Künstler und andererseits um ein ausgefeiltes PR-System, das bereits im Vorfeld sämtliche Fragen zu Kindheit, Familie, Schule und Privatem strikt untersagt.

Es ist die typisch asiatische Disziplin, in deren Welt kein Blatt Papier zwischen Makellosigkeit und Perfektion passt. Die instrumental hervorragend eingespielte Band will ihre großen Heroen von Black Sabbath über Metallica bis hin zu Slayer nicht persiflieren, sondern ehren. Eine Heavy-Metal-Hommage mit japanischem Pop-Lokalkolorit. Business und Musik halten sich bei BABYMETAL die Waage und ein genaues Ablaufdatum gibt es nicht, doch frei nach der japanischen "Idol"-Kultur könnte das kometenhaft aufgeblitzte Phänomen auch schnell wieder verpuffen. Spätestens dann, wenn der Lolita-Charme verfällt. Bis dahin werden die Hallen aber noch bis zum Bersten gefüllt sein.

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